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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 22 May 1718 (N. 78).
Hertzallerliebe Louise, ob ich zwar noch kein frisches schreiben
von Eüch erhalten habe, so fange ich doch schon ahn, zu schreiben,
damitt ich mein versprechen halte undt keine post verseüme. Mein
ordinarie courir, den ich alle tag nach Paris mitt meinen brieffen
schicke, ist noch nicht wider kommen, mögte mir woll dießen
nachmittag etwaß von Eüch bringen, worauff ich gleich antwortten werde,
so baldt ich es werde entpfangen haben; den mein[e]r dochter brieff
ist schon fertig undt noch ein ander brieff vom lotheringischen hoff.
Man sagt, wir werden madame d’Orleans heütte hir haben; aber sie
bleibt ordinarie nicht lang undt kompt gar spät, also wirdt sie
nicht ahn Ewer schreiben hindern. Man hatt heütte meinem sohn
zur ader gelaßen, aber nur auß precaution; den er befindt sich,
gott lob, woll; aber weillen wir im frühling und Mayen sein, meint
man, daß es ihm woll bekommen wirdt. Gestern undt vorgestern
hatt man mich ruhen laßen undt keinen grünen safft zu schlucken
geben. Heütte aber hatt man wider ahn[ge]fangen, hatt mich 5 großer
mahl purgirt. Ich war schon naturlicher weiß starck einmahl zuvor
gangen, also heütte schon 6 mahl den bauch braff gelehrt. Der
safft aber benimbt mir gantz undt gar den apetit. Man sagt, es
würde wider kommen, wen ich wer[d]e auffgehört haben, den safft
zu nehmen; daß wirdt zu endt dießes monts sein. Wir werden
sehen, waß drauß werden wirdt. Es ist nun zeit, daß ich mich
ahnziehe undt in kirch gehe.
Sontag, umb 5 abendts.
Ich habe, wie ich auß der kirch kommen, viel brieffe entpfangen,
von der printzes von Wallis, von Eüch, liebe Louisse, von der
königin in Spanien, so zu Bajonne ist, undt noch zwey andere. Aber
da ist meine calesche undt daß schönste wetter von der welt ist,
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muß ein wenig spatziren fahren, den daß bekompt mir woll. So
baldt ich wieder kommen werde sein, werde ich auff Ewer liebes
schreiben vom 10 dießes monts, no 37, andtwortten, aber nun gehe
ich spatziren.
St Clou, umb halb 8 abendts.
In dießem augenblick komme ich von der promenade, liebe
Louise, undt will auff Ewer liebes schreiben andtworten, so viel
mir möglich sein wirdt, biß madame d’Orleans kompt. Ich erinere
mich noch gar woll, waß der Romer ist;
[1] den ich bin vor dießem
zu Franckfort geweßen. Ich habe Eüch schon geschrieben, daß ich
nicht purgirt bin worden, undt die ursach; drumb sage ich weitter
nichts davon. Madame d’Orleans ist ahnkommen undt wir spillen
hoca; daß hindert nicht, daß ich Eüch noch ein wenig entreteniren
werde. Mein sohn hatt heütte mein exempel gefolgt undt zur
precaution zur ader gelaßen. Aber daß hoca estour[dier]t
[2] mich, daß
ich wie eine narin schreibe; den ich habe Eüch schon heütte
morgen gesagt, daß mein sohn zur ader gelaßen hatt. Daß geraß von
den kugelen, die man im sack schudelt, macht einem den kopff so
doll, daß man weder hört, noch sicht. Vom aderlaßen werde ich
nichts mehr sagen. Aber da kompt man mir sagen, daß es ein
viertel auff 10 ist. Ich muß zu nacht eßen. Ein ander mehr
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werde ich Euch mitt mehren bericht versichern, daß ich Eüch von
hertz[en] lieb behalte.