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Brief vom 12. Juni 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


924.


[292]
St Clou den 12 Juni 1718 (N. 83).
Hertzallerliebe Louisse, gestern habe ich nichts von Eüch endtpfangen; ich hoffe, es wirdt dießen nachmittag kommen. Ich habe schon einen großen brieff ahn meine dochter [geschrieben;] weillen es aber erst ha[l]b 11 ist undt ich noch 3 viertelstundt in mein cabinet zu sein habe, so will ich doch ahnfangen, Eüch zu entreteniren, liebe Louisse! Den, wie Ihr wist, so will ich mein [293] versprechen halten undt kein eintzige post verseümen. Bekomme ich aber kein schreiben von Eüch, wirdt daß meine sehr kurtz werden; den wir haben nun gar nichts neües hir, alß daß man gestern einen moren gehengt hatt, so vorgestern sagte, er were müht, zu leben wehre, wolte derowegen den ersten erstechen, so ihm begegenen solte. Ein armer schuflicker begegnet dem moren zu seinen ungluck. Er nahme sein sackmeßer undt erstach den armen teüffel. Er ließ sich gleich fangen undt ist mitt freüden gestorben. Waß solle ich nun weitter guts sagen? Es ist eine abscheüliche hitze, habe dieße nacht nicht davor schlaffen können; jetzt schlafferts mich. Ich muß mich aber ahnziehen, den weillen es heütte sontag ist, muß ich in kirch; ich gehe zwar alle tag in kirch, den daß ist die ordre des enfants de France, alle tag die meß zu leßen laßen. Die petits enfants de France solten auch thun, allein madame d’Orleans ist zu faull dazu. Ein fauller mensch, alß die ist, glaube ich nicht daß zu finden ist. Das kan ich nicht begreiffen; ich bin es nicht. Den gantzen tag ligt sie auff einem lotterbett, ist[1] ligendt, spielt ligendt.[2] Daß macht sie auch, wie ich persuadirt bin, so krancklich; sie scheindt auch alter, alß sie in der that ist, daß kompt alles daher. Alles daß weiß undt roht, so sie sich allezeit schmirt, macht auch älter scheinen. Aber ich muß mich ahnziehen, dießen nachmittag ein mehrers.
Sontag, umb halb 5.
Ich komme eben auß der kirch, habe doch schon 3 brieffe geleßen, so man mir eben gebracht, wie ich wider in mein cabinet getretten, sambt dem Ewerigen vom 21 May, no 43. Ewere schreiben kommen, wie Ihr segt, doch richtig, ob sie zwar langsam gehen. Ich bin 10 oder 12 tagen geweßen, ohne den safft zu brauchen, aber morgen [werde ich] ihn wider ahnfangen undt etliche tage brauchen, darnach wider etliche tage sein, ohne es zu brauchen. Aber ich muß die warheit sagen, seyder der neüen preparation au bain-marie schmeckt es zwar viel übeller, aber ich entpfindt es gar nicht mehr schwer im magen undt purgirt mich recht sanfft. Lautter galle treibt es von mir, undt weillen ich gestern ein par mahl wieder viel gall von mir geben, drumb gibt man mir den safft morgen wider [294] undt auch weillen bey der abscheülichen hitze, so wir nun hir haben, meine schenckel wider geschwehlen.[3] Nichts ist schlimmer vor die augen, alß aderlaßen undt bludt verliehren, auff welche art undt weiß es auch sein mag. Mein sohn lebt gar zu unordentlich, umb daß remedien, wie sie auch sein mögen, woll bekommen können. Man hatt meinem sohn freylich viel bludt gelaßen, 20 untzen. Mich deücht, er sicht übeller auß nun, alß zuvor. Nun badt er sich ins fließende waßer; daß matt auch ab undt gibt keine neüe stärcke. Mein gott, wie seindt die manßleütte aplicirt, sich selbsten ahn der gesundtheit zu schaden! Ich halte es vor eine sonderliche gnade, so gott mir thut, daß mein sohn nicht tot-kranck ist. So baldt ich ihn sehen werde, will ich ihm deß kauffmans memoire geben undt Eüch erster post zu wißen thun, waß er geantwordtet hatt. Es ist mir leydt, daß Ihr wider flüße ahn den augen habt. Es muß derselbige humor sein, so Euch auff den backen undt zähnen gelegen ist. Umb gottes willen, liebe Louisse, gewendt Eüch ahn keine brill! gebt Eüch ein wenig gedult! In etlichen monat kompt daß gesicht wider; nimbt man aber brillen, kompt es nicht wider. Ich weiß nicht, waß Ihr sagt, daß ich nicht zahlen sollen; man gibt kein gelt vor passeport. Es kompt apropo, daß Ewer brieff, liebe Louisse, kleiner ist, alß ordinarie. Ich könte ohnmöglich lenger schreiben; den es ist eine so erschreckliche hitze, daß ich schwitze, wie ein ein tantzbeer, wie unßer hertzog von Lotteringen alß pflegt zu sagen. Da sagt man mir, daß mein calesch kommen ist. Ich werde ein wenig frische lufft schöpffen, nachdem ich Eüch werde versichert haben, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Juni 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 292–294
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0924.html
Änderungsstand:
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