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Brief vom 24. Juni 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


926.


[296]
St Clou den 24 Juni 1718, umb 8 uhr morgendts (N. 86).
Hertzallerliebe Louise, seyder vergangen sambstag habe ich [297] kein schreiben von Eüch entpfangen. Ich erwarte aber eines dießen nachmittag, welches ich gleich beantworten werde, ob ich zwar heütte recht von hertzen gritlich bin; den meines sohns feinde, deren er in großer menge hatt, undt dazu die, welchen er ahm meisten guts gethan hatt (den ein undanckbare[re] nation, alß dieße hir ist, kan man woll nicht finden), dieße seine feinde haben ihm daß gantze parlement revoltirt; daß kan mitt der zeit revolten machen undt guerre civille. Gott weiß, waß auß unß allen werden wirdt. Ihr [sehet] woll hirauß, liebe Louise , daß ich kein unrecht habe, in sorgen undt gritlich zu sein. Gott wolle unß beistehen! Dießen morgen kan ich Eüch, liebe Louisse, nicht lang entreteniren; den ich muß mich ahnziehen, umb in kirch zu gehen; den es ist ein groß fest[1] hir heütte, worauff ich meine meinung auff der post nicht sagen darff.
Donnerstag, den 24 Juni, umb 4 nachmittags.
In dießem augenblick entpfange ich, liebe Louisse, Ewer liebes schreiben vom 11 dießes monts, no no 46. Hertzallerliebe Louisse, wen man alt undt heßlich ist, muß man auffs wenigst gutt sein; drumb piquire ich mich auch, gutt zu sein. Ihr sagt mir aber nicht, worin Ihr meine gutheit verspürt habt. Wie ich meine zeit zubringe, ist schir alle zeit eine leyer, liebe Louise! Meine gesundtheit ist nun, gott seye danck, zimblich gutt, fange wider ein wenig ahn zu gehen. Doch geht es noch her, wie die fraw von Rotzenhaussen alß pflegt zu sagen: Es gehet klein her, sprach der wolff, so schnacken fraß; so geht es mitt meinen zu-fuß-spatziren auch. Meine zufriedenheit ist heütte nicht größer, wie Ihr im ahnfang dießes brieffs werdet ersehen haben. Madame de Berry hatt gar ein gutt gemühte undt liebt ihr nahe verwanten sehr; sie ist nun gantz einig mitt ihrer fraw mutter seyder der fraw mutter kranckheit, da sie ihr so viel trewe undt freündtschafft erwiesen. Sie hatt die hände starck wie ein man, kan also gar woll führen;[2] auch ist es schon lengst die mode. Daß ist auch von denen, so ich nie gefolgt habe; den ich habe gar keine stärck in den händen. Die printzes von Wallis hatt mir gar nicht verhehlt, daß sie ein böß kindtbett bekommen, aber sie hatte mir eben geschrieben, wie I. L. kranck [298] geworden. Die printzes hatt mir auch geschrieben, wie sie den donner in einem baum hatt schlagen sehen; aber sie rett nicht davon, alß wen es sie sehr erschreckt hette; aber der donner ahn sich selber ist schwangern weiber gefahrlich ohne schrecken, in der gantzen natur ist es schadtlich, mir hatt es 25 Canarie-vögel umbgebracht. Ich weiß nicht, wen es wider gutt in Englandt werden wirdt. Es were aber auch wider einmahl zeit, es wehrt zu lang. Der printz machts schon.[3] Die printzes scheindt sehr content von ihrem herrn; aber zu glauben, daß diß beständig sein wirdt, unter unß gerett, da zweyffle ich sehr; den ich weiß, waß maner sein. Die zeittung[en] sagen kein wordt wahr in waß die printzes ahngeht. Es ist leyder nicht war, daß sie zu St James geweßen, noch zum könig kommen. Daß wirdt eine große freüde bey mylord Holdernesse[4] sein, daß sein verlust wider ersetzt ist durch einen neüen sohn. Ich mag[5] Eüch mein compliment drüber. Kinderwehen erschrecken nicht, den es muß so sein. Hir leydt man nicht, daß eine schwangere fraw bey einer in kindtnohten geht; den man pretendirt, daß es blessiren kan. Aber meine kutschen sein kommen.
Donnerstag, umb 8 abendts.
Es ist schon eine stundt, daß ich wieder von den Capucinern von Meudom[6] kommen bin; aber ich habe meinen sohn hir gefunden, mitt welchen ich biß jetzt geplaudert habe. Seine gemahlin undt er undt seine kinder seindt mitt einander nach Paris, welche freüde ich ihnen nicht mißgönne. Paris ist meine sach gar nicht, insonderheit im sommer, da ist es nicht außzustehen.[7] Aber ich komme wider auff Ewer liebes schreiben, wo zuvor geblieben war. Ich muß gestehen, wen ich eine fraw in kindtsnöhten sehe, so thut mir in den lenden wehe. Ich kan leicht begreiffen, daß Ihr Eüch jetzt nicht in Englandt finden mögt. Ich wünsche von grundt meiner seelen, daß Eüch daß Schlangenbaadt woll bekommen mag undt Eüch sehr stercken. Aber wen Eüch daß schreiben im geringsten [schaden] kan, so schreibt mir gar nicht! Ich werde nicht desto weniger alle woch 2 mahl berichten, wie ich mich befinde. Es geht mir nicht wie Eüch; stündt es in meiner gewalt, würde ich offt [299] reißen; den alle tag waß neües sehen, findt ich artlich, undt ich findte mich nie lustiger, alß wen ich reiße. Wen ich madame Dangeau sehen werde, will ich ihr sagen alles guts, so Ihr mir von ihrer fraw schwester geschrieben, undt wie gutte freündt Ihr mitt einander seydt. Madame Dangeau ist auch eine tugendtsame dame, die nie hir ahm hoff hatt von sich reden machen, undt war doch in einem frawenzimmer, wo es doll genung herging. Mein gott, wen man nur mitt ehrlichen leütten umbgehen wolte, müste man entweder allezeit allein sein oder gar die weldt [verlaßen.] Waß gehts unß ahn, waß leütte thun, so unß nichts ahngehen, liebe Louisse? So lang man in der welt ist, muß man mitt allerhandt leütten umbgehen. Ahn leütte, die so woll leben alß Ihr, liebe Louise, dinnen die, so nichts deügen,[8] zur mousch.[9] Es were gar nicht billig, daß Ihr unhofflich gegen einer dame sein solte[t,] so Eüch alle hofflichkeit undt freündtschafft erweist. Man macht den itzunder thumherrn undt coadjutters, ohne die ahngen[10] zu beweißen; den daß können gewiß die printzen von Bajern von ihrer mutter seytten gewiß nicht thun; den der könig undt konig in Poln wahren nur gar gemeine edelleütte; der konigin in Poln vatter ist mehr, alß 30 jahr capitaine von Monsieur s. Schweitzer-trabanten geweßen. Ich habe ihn gar woll gekandt. Ich bin froh, daß herr Zachman undt seine fraw Eüch geschriben; den dadurch secht Ihr, liebe Louise, daß ich wahr gesagt habe. Biß sontag werde ich Eüch den begehrten pasport schicken. Wolte gott, es were wahr, daß der könig undt mein sohn reich wehren! Aber es hatt weit gefehlt; der konig s.[11] stack in schulden über die ohren, daß haben die minister undt die maist[r]essen gemacht. Der verstorbene könig hatt 2 hund[er]tmahl taußendt[12] millionen schulden hinderlaßen, die muß mein sohn suchen zu zahlen. Heist man daß reichtum? Daß zu Homburg eine katz hundt undt katzen zur welt bracht, ist nicht ohne exempel hir, wie auch ein hundt hatt eine ratte gemacht.[13] Wie ist es möglich, daß Ihr die katzen hast?[14] Der churfürst s., unßer herr vatt[er, hat] sie ja so lieb gehabt. Ewer fraw mutter [300] hatt die mäuß erschrecklich gefürcht. Die katzen seindt in meinem sin die artigste thier von der welt. Ich werde Eüch nie schweygen machen, liebe Louise! wen Ihr natürlich mitt mir rett, waß Eüch einfelt; den daß habe ich gern. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt habe Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Juni 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 296–300
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0926.html
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