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Brief vom 25. Juni 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


927.


[300]
St Clou den 25 Juni 1718 (N. 87).
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütt ahn, Eüch zu zu schreiben, weillen ich morgen nach Paris werde undt wenig zeit zu schreiben haben kan; den ich muß umb 10 fertig sein, umb in die kirch zu gehen undt von dar in kutsch. Also umb die post morgen nicht zu fehlen, fange ich heütte ahn, zu schreiben, undt werde auff Ewer liebes schreiben andtwortten von 15ten, so ich in dießem augenblick entpfange. Daß man mir pasport abfordert, plagt mich gar nicht. Ich werde den brieff, so Ihr mir geschickt, meinen sohn morgen weißen. Ich muß lachen, daß Ihr meint, daß es ein edelman ist. Man weiß hir von keinen Gueneau, alß einer, so deß letzt-verstorbenen konigs leibdocktor, so man hir premier medecin heist, geweßen undt dem könig einmahl ein poßirlich andtwort geben. Wie der könig so gallant undt überall verliebt war, fragte er monsieur Gueneau, warumb der königin kinder so delicat wehren undt schir alle stürben. Da sagte er: Sire, c’est que V. M. ne porte a la reine que la reinsure du vere, ou il n’y a plus ny esprit ny force. Donnes luy ce que vous donnes a vos maistresse! et ces enfant seront forts.[1] Sonsten habe ich mein leben von keinem Gueneau gehört. Aber wer er auch sein mag, weill Ihr Eüch vor ihm interessirt, werde ich den pasport fordern undt Eüch biß donnerstag berichten, waß mein sohn geantwort wirdt haben. Daß er vor den fracas von der religion weg ist, thut nichts zur sach. Die verteuffelte pfaffen seindt doller, alß nie. Man setzt die pasport nur vor 6 mont, aber wen die zeit auß ist undt man sich woll gehalten, verlengert man sie, wen man will. Ungelegenheit kan mirs [301] nicht machen, seydt in keinen sorgen deßwegen! Ihr habt dießen brieff vom 15 nicht chiffrirt. Wir haben gar nichts neües hir, muß derowegen schließen. Wünsch Eüch nochmahlen glück zu Ewerer reiß nach dem Schlangenbaadt undt versichere Eüch, liebe Louise, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Sontag, den 26 Juni, umb 6 morgendts.
Ich komme, Eüch jetzt nur ein glückseeligen gutten morgen wünschen undt daß Ihr, liebe Louisse, sowoll, alß ich, mögt geschlaffen haben. Waß mich so woll hatt schlaffen machen, ist, daß ich gestern, wie ich auffgehort, ahn Eüch zu schreiben, bin ich au bois de Boulogne nach Madrit gefahren zu Chausseray, mitt welcher ich eine gutte stundt im waldt spatzirt. Es war gar schon wetter, habe von 6 biß 7 spatzirt, hernach bin ich wider her. Umb 9 hab ich zu nacht geßen, nachdem man ein stundt quadrille vor mir geschpilt. Vor 10 war ich in mein bett, habe 10 [im] bett gezehlt, aber vor 11 endtschlaffen unndt biß 5 gar woll geschlaffen; ich habe gebett, hernach umb halb 6, es war woll 3 viertel, hatt mich eine große nohtwendigkeit, met verloff, met verlöff, auß dem bett getrieben. Es ist gar woll abgeloffen. Daß ist [nicht] sauber zu sagen, aber unter unß, liebe Louisse, können wir woll ohne façon reden. Adieu! Ich muß ahn mein dochter undt ihre kinder schreiben, hernach mich ahnziehen, in die meß gehen, von dar in kutsch undt nach Paris fahren geradt au Thuillerie, den könig besuchen, hernach au Palais-Royal, wo ich zu mittag werde eßen; hernach werde ich zu meinen nönger,[2] die Carmelitten, wo ich ein wenig betten werde, hernach wider au Palais-Royal mitt meinen kindern undt kindtskindern ins neüe opera, so ich noch nicht gesehen, du jugement de Paris,[3] aber geleßen. Sie scheüen, Menelaus zum hannerey zu machen; den sie sprechen, alß wen Helena noch nicht geheüraht were, wen Paris verliebt von ihr wirdt. Ich kan nicht leyden, wen man die gantze fabel endert. Nach dem opera werde [302] ich wider her, undt wo ich auch sein mag, da werde ich Eüch allezeit lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Juni 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 300–302
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0927.html
Änderungsstand:
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