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Brief vom 3. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


929.


[307]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou, den sontag, 3 Julli 1718, umb halb 8 morgendts (N. 89).
Hertzallerliebe Louise, ich habe gestern nichts von Euch entpfangen; daß nimbt mich aber kein wunder, Ewere reiße im Schlangenbaadt wirdt ursach dran sein. Ich fuhr gestern nach Paris undt aß dort zu mittag; mein sohn hatte zu viel zu thun, er konte nicht mitt unß [eßen,] aber 3 von seinen döchtern aßen mitt mir, die 3te, 4te undt 5te, die 5 damen, so mitt mir kommen wahren, alß die hoffmeisterin, duchesse de Brancas, die dame d’atour, madame de Chasteautier, undt meine zwey damen, madame la marechalle de Clerembeau,[1] madame de Ratzamshaussen undt die marquise d’Alluy[2] undt die hoffmeisterin von meines sohns dochtern, die marquise de Chivernie.[3] Ihr man, so unßers duc de Chartres hoffmeister ist, ist abgesanter zu Wien undt in Denemarck geweßen. Sie verstehet undt spricht ein wenig teütsch. Ich hoffe undt wünsche, daß sie die 3 kleinen beßer erziehen wirdt, alß die 3 ersten erzogen sein. Gott gebe es! Nach dem eßen fuhr ich ins Carmelitten-closter; da solte [ich] der fürstin von Nassau dochter sehen, dern ich dort rendevous geben hatte. Sie hatte begehrt, incognito her nacht[4] St Clou zu kommen. Daß schickt sich nicht woll, ließ ihr derowegen undtwortten, es würde sich beßer schicken, daß sie zu mir ins closter kämme. Sie ließ mir aber gestern sagen, daß sie kranck worden were. Es ist eine rechte schandt; ihr herr vatter lest sie durch den cardinal de Noaille undt seine niepce erhalten undt hat ihr eine hoffmeisterin geben, so eine rechte bettlerin ist undt daß allmoßen in allen gaßen fordert. Es ist eine schandt vor die gantze nation; aber wen sie, die printzes, meint, daß ich ihr helfen kan, betriegt sie sich sehr. In dem standt bin ich leyder nicht. Meines sohns leütte nach meines herrn todt haben mir die flügel so beschnitten, daß, wen mir der könig nicht meine pension verstarckt hette, hette ich mitt meinem hauß daß jahr nicht außführen [308] können.[5] Man hatt mir alles biß auff meine perlen cediren machen, umb genung zu daß jahr außzukommen undt mich nach meinem standt zu erhalten; kan also nichts geben, aber woll nach meinem standt leben undt mein hauß erhalten.[6] Die arme printzes jammert mich, aber ich kan ihr nicht helffen. Nach den Carmelitten bin ich wider ins Palais-Royal, wo madame la princesse, ihre fraw dochter undt 3 von ihren enckellen kommen sein, nehmblich die junge printzes de Conti, ihre schwester, mademoiselle de Clermont, undt ihre geschwey, mademoiselle de la Rochesurion;[7] dieße zwey letzten hab ich mitt mir in die ittalliensche commedie geführt, so gar artig war; sie hatt nur anderthalb stundt gewehrt. Madame d’Orlean kamme auch mitt ihrem sohn undt mademoiselle de Valois. Mein sohn kame nur im 5ten acten, hatte zu viel zu thun gehabt, umb eher zu kommen können. Gleich nach der commedie fuhr ich wider her undt aß mitt meinen damen mein salatgen undt teller voll erdtberen undt ging gleich drauff zu bett. Wie ich 3/4 stundt spätter, alß ordinarie, schlaffen gangen, bin ich auch spatter auffgestanden, undt meine erste sorge ist, Eüch, liebe Louisse, zu entreteniren. Ich habe gar nichts neües erfahren; man hört von nichts, alß von krancken undt sterbende[n.] Monsieur de Dangeau hatt seine dochter von der ersten ehe nach einer langen kranckheit endtlich verlohren, die verwitibte duchesse de Monfort. Sie ist vergangen montag [gestorben;] ich glaube, ich habe es Eüch schon gesagt. So gehts allen alten weibern, denen daß gedächtnuß fehlt. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 307–308
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0929.html
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