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Brief vom 7. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


930.


[308]
St Clou den 7 Julli 1718, umb 9 morgendts (N. 90).
Hertzallerliebe Louisse, ich bin heütte gar spät auffgestanden, den ich gestern anterhalb stundt spätter schlaffen gangen; den ich bin erst nach 10 von Paris kommen, wo ich viel zu thun gehabt. Erstlich, sobaldt ich ahnkommen, habe ich dem könig eine kurtze [309] vissitte geben, bin hernach au Palais-Royal bey madame d’Orleans abgestiegen, dort ein halbe stundt blieben, hernach in mein cabinet, wo ich meine audientzen geben ahn alle, so mitt mir haben reden wollen. Mein sohn ist entlich kommen undt seine entschuldigung gemacht, daß er zu viel mitt mylord Sterce[1] undt mylord Stanop[2] zu thun hatte, konte nicht mitt mir eßen, hatt nur seine 3 ledige dochter … Die elste von den 3en ist eben so faul, alß die mutter; den umb halb 1 war sie noch nicht ahngezogen; den wie ihre fraw mutter leydt, daß sie den gantzen langen tag von morgendts biß in die nacht ohne leibstück geht, welches sie vor mir nicht thun darff, drumb war ihr leibstück verlegt, konte es lang nicht finden, kam ersten[3] zum zweyten eßen. Gleich nach dem eßen kam mein sohn wider, bey welchen ich etliche comissionen ablegte. Umb 3/4 auff 3 stieg ich in kutsch mitt duc de Chartre, mademoiselle de Vallois undt meinen damen au colege des Jessuittes, so zimblich weit vom Palais-Royal ist; da sahen wir die kleinen schuller eine commedie spillen, so le point d’honneur[4] [heißt.] Mein kleiner vetter de la Trimouille[5] hatt mich dazu eingeladen. Die kinder spilten artlich; ich hette aber den spaß schir schlim geendigt. Man hatte meinen seßel auff ein klein haut-dais[6] gesetzt; wie ich weg wolte, vergaße ich, daß es eine staffel war, meinte, geradt auß zu gehen, tratt fehl undt fiel dort nauß, that mir aber gar nicht wehe, brach nur daß glaß von einen von meinen uhren. Ich burtzelte aber so poßirlich, daß ich vom colegium biß ins Palais-Royal drüber von hertzen gelacht habe undt noch lachen muß, wen ich dran gedencke, insonderheit wie mich 2 große Jessuwitter so gar gravittätisch auffgehoben haben; da were ein schon gemähls von zu machen. Vor lachen konte ich nicht auffstehen. Wie ich wider ins Palais-Royal [310] kamme, schlug es 6 uhr. Ich ging mitt meinem sohn undt seiner gemahlin undt, waß in meiner kutsch geweßen war, in die comedie von Arianee[7] undt le Sicillien.[8] Daß wehrte biß 3 viertel auff 9. Ich ging noch ein augenblick in meine garderobe, hernach in kutsch undt wider her, musten aber noch bey den Thuillerien still halten; den wie es gar schon wetter war, hilten eine solche abscheüliche menge von kutschen vor der thür vom gartten, daß man nicht durch kommen konte; also kame ich, wie schon gesagt, erst nach 10 uhr wieder her. Ehe man ahngericht, war es über halb 11, undt wie ich außgezogen undt ins bett tratt, war es halb 12; also bin ich heütte erst nach halb 8 auffgestanden. Nun werde ich auff Ewer liebes schreiben von 20 Juni, no 48, [antworten,] mitt welchem ich vergangen montag bin erfrewet worden. Es ist mir alß lieb, zu sehen, daß unßer commerce so richtig gehet undt daß Eüch, liebe Louise, meine espistellen keine langeweill verursachen; wen Eüch diß eine lust, ist [es] ein glück, den ich werde keine post fehlen. Daß closter, wo ich den ersten stein gelegt, ist ein nonencloster, undt die abtißin, so jetzt dort ist, war zu meiner zeit abtißin im Port-Royal, alß ich alß dort hin ging, madame de Beuvron zu sehen, kene sie also gar sehr. Wen dieße umbstanden sich nicht dabey gefunden hetten, hette mich kein teüffel dazu gebracht, den ich haße solches gethun abscheülich. Alles ist woll abgeloffen, also weitter nichts davon zu sagen. Ahn deß herrn von Bernstorff histori kan ich nicht zweyfflen; ich weiß es von der hertzogin von Mecklenburg selber; ich weiß auch gar gewiß, daß er den könig von Englandt gegen dem printzen undt printzes von Wallis auffsetzt;[9] den mein sohn hatt sie vergleichen wollen, aber der Bernstorf ist mitt großem zorn ahn abbé Dubois sagen kommen, er solle sich in die sach nicht mischen, man würde es ihm keinen danck wißen. Wo gar zu große ambition ist, da kompt leicht verblendung. Es ist kein wort wahr, daß die printzes den könig, ihren schwiger herr vatter, gesehen. Ich weiß nicht, waß vor eine lust ist, die man nimbt, so zu lügen undt in allen gazetten zu setzen, waß sie woll wißen, daß nicht war ist. Ich weiß nicht, wozu daß gutt ist. Aber ich muß [311] auch meine pausse machen undt mich ahnziehen.
Donnerstag, den 7 Julli, umb 3/4 auff 9 abendts.
Ich habe unmöglich eher, alß nun, wieder zum schreiben gelangen können. Gleich nach dem eßen bin ich im bibel-leßen … den es war gestern mein tag, habe es aber nicht gekönnt wegen meiner reiß nach Paris, habe es also auff heütte verschieben [müßen.] Mein psalmen habe ich gar woll undt nicht geschlaffen geleßen; aber ich muß gestehen, der prophet Jessaias hatt mich eingeschläffert. Wie ich wacker geworden, ist mein sohn kommen; mitt dem habe ich ein stündtgen geplauttert, hernach bin ich ins abendtgebett. Nach dem abendtgebett ist mylord Sterce undt my[lord] Stanop kommen, so dießen abendt hir mitt meinem sohn zu nacht eßen werden, ich glaube, sie eßen itzunder; ich aber bin in calesch geseßen, es war just halb 9, undt bin a la Meutte zu madame de Berry. Mitt der habe ich in ihrem gartten zu fuß spatzirt undt da komme ich her. Aber ich habe noch, ehe ich wider ahngefangen, zu schreiben, 3 capittel in der bibel, daß 7, 8 undt 9te capittel in St Marcus, geleßen. Nun will ich mein best thun, doch in eyll noch auff Ewer liebes schreiben zu andt[worten]. Ich war heütte morgen ahn der lügen geblieben, so ich doch von hertzen wünschen mogte, daß war wehre, nehmblich daß die printzes von Wallis den könig gesehen. Hirauff wolte ich singen, wie in dem endt vom spill: Da kommen wir gecken undt nonen her, herr, domine, herr, domine! undt: Waß nicht ist, mag werden war, cede, cede. sancte! quit,[10] nostre domine? Daß ist woll ein narisch spiel. Ich weiß nicht, ob man es noch in Teütschlandt spilt. Mein sohn hatt mir noch heütte confirmirt, das es der Bernstorff allein ist, so den könig in Englandt gegen seine nahe verwanten verhetzt, alß gegen den printzen von Wallis undt seine gemahlen, wie auch gegen dem konig von Preüssen. Der mensch muß mitt aller seiner gravitet ein rechter teüffel sein undt ein boßer teüffel. Er hatt ein interesse drin, so ich heütte nicht expliciren kan, weillen ich zu große eyll habe. Ich bin fro, daß Eüch der sawerbrunen so woll bekompt. Gott gebe, daß es Eüch eine perfecte undt lang wehrende gesundtheit geben mag! Ich habe Eüch schon vergangen sontag geschrieben, wie ich [312] die printzes von Nassau habe im closter sehen sollen, allein daß wegen ihrer unpäßlichkeit nichts drauff[11] worden ist. Ich habe 2 von der gräffin Berleps[12] söhne gesehen; daß wahren dolle hünckels undt gar heßliche schätzger. Ich glaube, Ihr werdet kein regret haben, alle die große geselschafft zu quittiren. Mein sohn hatt den pasport gantz vergeßen gehabt, aber heütte befohlen. Ich werde ihn erste post schicken. Wo mir recht ist, so ist Schwalback[13] nich weitt von Bacherach; da könt Ihr ja leicht gutten wein bekommen, liebe Louisse! Es schlegt zehn. Ein andermahl wollen wir von meines vetter, deß landtgraffen, krieg sprechen. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 308–312
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0930.html
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