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Brief vom 14. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


932.


[315]
St Clou den 14 Julli 1718, umb 3/4 auff 8ten morgendts (N. 92).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe noch nichts von Eüch entpfangen, will doch ahnfangen, ahn Eüch zu schreiben, hoffe auff dießen nachmittag; den ich glaube, daß Ihr nun wider zu Franckfort seydt, wo ich hoffe daß Ihr, liebe Louise, 2 von meinen brieffen werdet gefunden haben undt in ein paquet den pasport vor monsieur Marion werdet gefunden haben. Es stehet nur drin vor 3 mont, aber wen er hir wirdt sein, wirdt man es verlengern. Wir haben nun gantz undt gar nichts neües hir. Ich bin dieße woch nicht nach Paris wegen der große hitze undt abscheülichen staub; er erhebt sich so dick wie ein nebel, daß man Paris nicht darvor sehen kan undt daß gantze wäldtgen vom bois de Boulogne mitt bedeckt ist, undt zu Paris könte ich bey dießem wetter in meinem apartement nicht dawern, were auch gar warm in der commedie; ich werde auch nicht hin, biß es geregnet wirdt haben. Alle tag überzicht sich zwar der himmel, allein es geht ein scharpffer nordwindt, der vertreibt den regen alle tag. Gott weiß also, wen ich dieße kleine reiße thun werde. Wir haben gantz undt gar nichts neües hir, alß den heüraht vom duc d’Albret, deß duc de Bouillons[1] elster sohn; der hatt deß monsieur de Barbessieux[2] dochter geheüraht [316] mitt willen ihres großvatter undt großmutter von der mutter seytten, den marquis undt marquise d’Allegre.[3] Alle die Louvois aber haben sich gegen den heüraht gesetzt, wollen nach ihrem sin heüraht, weillen sie gar ein groß heürahtgutt hatt, nehmblich 5 mahl hundert taußendt francken. Die dame ist eben so verliebt vom duc d’Albret, alß er von sie. Mein sohn hatt in den heüraht consentirt. Der printz de Conti hatt dem heüraht beygewohnt, so in offendtlicher kirchen zu St Sulpice, madame de Berry paroisse, vergangen montag vorgangen.[4] Die Louvois undt ihr ahnhang wollen dem cure einen protzes ahnmachen, daß er sie geheüraht[5] hatt; er entschuldigt sich aber damitt, daß der printz de Conti ihm ein lettre de cachet vom könig gebracht undt der cardinal de Noaille drin gewilliget hatt. Mein sohn sagt aber, der lettre de cachet were geben, daß sich keine rechtmäßige oposition finden mag, undt die Louvoy sagen, sie hetten ihm die oposition vorher geben; der curé sagt, er hette sie nicht geleßen. Dieß alles macht einen greülichen lermen, wie Ihr woll gedencken könt, liebe Louisse! Der comte d’Evreux undt mein vetter, der printz Talmont,[6] seindt vor die Louvois, weillen sie sagen, daß sie vor deß duc d’Albret sohne von der ersten … so ihre neuveux sein, den … ist witwer von deß duc de la Trimouille[7] schwester. Der marechal de Villeroy sohn hatt mademoiselle de Coulan[8] tante gehabt, so auch monsieur de Barbesieux schwester geweßen. Also ist daß gantze villeroyische hauß auch gegen dem heüraht. Mich deücht aber, daß, weillen der heüraht consomirt ist undt die beyde eheleütte einander so hertzlich lieben, solte man sich nicht weytter dagegen setzen.[9] Waß weytter drauß werden wirdt, werde ich Eüch berichten, liebe Louise, nun aber biß auff dießen nachmittag eine pausse machen.
Donnerstag, ein viertel auff 5 nachmittags.
Wie ich nach dem eßen in mein cabinet bin kommen, bin ich entschlaffen. Heütte ist es gar warm; ich habe biß umb 3 geschlaffen. Wie ich wacker worden, hatt man mir Ew[e]r liebes [317] paquet gebracht, wie ich es woll gerahten hatte, vom no 50, vom 2 Julli, mitt den neüen kartten, welches mi[c]h schon eine halbe stundt mitt amussiret hatt; dancke Eüch von hertzen davor, liebe Louise, solche bößger[10] haße ich nicht. Ich muß gestehen, es ist nicht übel gerißen, hatt mich also divertirt. Da lest es jetzt die Rotzenheüsserin; sie sagt, sie will Eüch vorwerffen, daß Ihr etwaß unzüchtiges geleßen ahn der eycheldam. Ich habe woll gedacht, liebe Louisse, daß Ihr nun wider zu Franckfort sein würdet. Es freüet mich recht, daß Ihr ein wenig verenderung im Schlangenbaadt gehabt habt. Vor dießem habe ich Dalberg gekendt; sie seindt, glaube ich, Heßen. Apropo von Heßen, wir haben seyder kürtzer zeit hir einen jungen printzen printzen von Anhalt hir; der ist so schwartz undt braun, alß die zwey andern printzen von Anhalt blundt undt weiß wahren. Er wer nicht so heßlich, wen er nicht einen weißen flecken auff der recht auch hette. Sein hoffmeister ist deß Hattenbach[11] bruder, so hir lang gefangen geweßen undt von welchem ich viel hatte;[12] den er [ist] ein rechter artiger, verständiger mensch, so gar woll raillerie verstehet undt vivacitet hatt. Aber dießer hatt nicht viel vivacitet, verstehet auch nicht so geschwindt, alß sein bruder; er gleicht ihm aber von gesichte. Es ist mir leydt, daß Ewer beüttel Eüch nicht erlaubt, lenger im Schlangenbaadt zu bleiben, weillen es Eüch divertirt hatt. Aber da schlegt es 5, ich werde betten; den umb 6 werden wir den könig hir haben, muß ich mich also sehr eyllen. Man hatt die moden auff der post, daß man offt meine brieffe zwey undt zwey auff einmahl gibt. Der printzes von Wallis machen sie es gar offt so, alßo ist es gewiß deß alten Mathes schuldt nicht. Mein säckelgen vor die knöpff war der 43 batzen nicht wehrt; den wo ich mich noch recht erinere undt die müntz in Teütschlandt noch ist wie zu meiner zeit, so machen 43 batzen einen thaller, weniger 2 batzen. Mir hatt es nur einen großen danck gekost; den meine nonger,[13] die kleine Carmelitten, hatten mirs geben undt gemacht, bin froh, daß es Euch nicht mißfahlen hatt. Hir seindt die blunde schildtkrotten sehr estimirt; ich finde sie aber nicht schöner, alß die gefleckten; den mich deücht, daß die blunden dem horn mehr gleichen, alß die [318] gescheckten.[14] Ich werde mich gar nicht offendiren, wen Ihr es nicht allein Ewerer niepcen gebt, sondern wer es auch sein mag; den daß ist ja die groste bagatelle von der welt undt kein ahndencken, nur umb zu weißen, wie Ihrs hir habt.[15] Wehret Ihr hir, lieb Louisse, wolte ich Eüch schon ohne knopff in mein cabinet sitzen machen. Carlutz s. hatte ja auch den tabouret nicht, aber alle abendt machte ich ihn auff ein pille[16] von 5 oder 6 küßen[17] sitzen machen bey meiner toillette undt wir blauderten offt so biß 1 undt 2 uhr nach mitternacht mitt einander. Die bagattellen seindt woll keiner dancksagung wehrt. Ewere niepce ist Ewere niepce undt Caroline dochter; daß ist ja genung, umb ahn sie zu gedencken, undt mich vor sie zu interessiren. Meine schenckel seindt gantz zu schanden, kan weder gehen noch stehen mehr undt habe die besten schenckel von der welt gehabt. Es ist leyder wenig aparentz, liebe Louisse, daß wir unß wieder sehen mögen. Es ist nur alzu wahr, daß mein sohn ambaras mitt dem parlement hatt; aber es ist nicht war, daß er gegen sein groß fraw mutter, noch dem cardinal Mazarin gesprochen.[18] Er hatt mir gesagt, das sie sich in sachen mischten, [319] so ihnen nicht zukämmen, undt so lang l’authorité royalle in seinen handen würde sein, wolle er sie gantz erhalten undt dem könig wider geben, wen er majeur sein würde, wie er sie entpfangen, undt würde nie leyden, daß man sie attaquirt. Bißher ist noch nichts zu förchten; der pöpel hatt sich nicht gerührt, noch die andern parlementen in den provintzen. Mein sohns gemahlin bruder undt seine gemahlin[19] seindt meines sohns argste feindt undt welche alles gegen ihm auffwicklen.[20] Hette er mir wollen glauben, hette er keine schwägerschafft mitt undt konte verfahren, ohne threnen zu fürchten zu sehen. Mein sohn muß woll mittel suchen, deß konigs s. schulden zu zahlen. Der Las,[21] so man so hast, ist ein Englander, so großen verstandt hatt.[22] Daß volck ist nicht mehr geprest, alß zu deß königs [320] zeitten; aber man hatt sie nicht soulagiren können, undt meines sohns feindt proffittiren von dießem unglück, umb den pöpel gegen meinen sohn auffzureitzen. Daß mein sohn gelt samblet, [daran] ist kein [wahres] wordt; er hatt nicht einmahl nehmen wollen, waß ihm von gott undt rechtswegen alß regenten zukompt. Ich glaube nicht, daß jemandts in der weldt desinteressirter ist; er ist auch gar zu wenig [interessiert] undt macht dadurch seine kinder zu bettler. Meistentheils seindt die gazetten lügen. Ich glaube, daß es eine große freüde bey mylord Holdernessen ist, die verlust von seinen sohn ersetzt zu haben. Ich wünsche der gräffin von Degenfelt auch einen sohn. Man muß woll mitt allen menschen leben. Ist der Dörnberg vielleicht ein naher verwandter von der fraw Schütz, deren man vor dießem oberjagermeister ahn unßerm hoff war, ehe der herr von Veningen es geworden. Seine fraw ist freüllen von meiner fraw mütter geweßen undt mitt I. G. auß Heßen komen, so woll alß die Klauerin, so den Fibach geheüraht hatt, undt die Ditfort, so fraw von Hun geworden. Aber diß seindt alte geschichten. Jungfer Offen,[23] so meine hoffmeisterin geweßen undt den stalmeister Harling geheüraht hatt, war das 4 freüllen; wer die 5te war, wist Ihr woll undt habt sie beßer gekendt, alß alle die andern. Außer waß unßere nahe verwanten sein, muß man die welt gehen laßen, wie sie will; man macht sich nur verhast undt hilfft zu nichts. Man thut beßer, alß wen man die sachen nicht wüste. Sie[24] fürstin von Siegen wirdt Eüch haßen wie den teüffel; den so sachen verzeyen [321] die coquetten nicht. Ich wolte lieber, daß die graffin Berlips übel vom Dörnberg gesprochen hettet, alß Ihr, liebe Louise! Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Dancke nochmahls vor die possirliche cartte undt [wenn] Ihr noch mehr dergleichen bößelger[25] habt, so schickt mirs! bitt ich. Aber wo bleibt daß talck, so man noch zu Nürnberg machen solte? Adieu, liebe Louisse! Es ist gar spätt. Nach dem konig habe ich noch madame la duchesse undt ihre zwey dochter gehabt. Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 315–321
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0932.html
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