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St Clou den 21 Julli 1718, ein 1/4 auff 5 nachmittags (N. 94).
Hertzallerliebe Louisse, ich wahrdt noch alß, ob ich heütte etwaß von Eüch bekommen werde. Liebe Louisse, ich habe 3 gutter viertelstundt gewahrt; aber da kompt der postillon endtlich ahngestochen undt bringt mir 2 von Eweren lieben schreiben auff einmahl, welche mich von hertzen erfreüen; den ich war recht in sorgen vor Eüch, liebe Louisse, daß ich letzte woche nichts von Eüch entpfangen hatte; den ich weiß gar woll, daß Ihr so wenig die post verfehlet, ahn mich zu schreiben, alß ich ahn Eüch, liebe Louisse! Gott sey danck, daß Ihr frisch undt gesundt seydt! Ewere schreiben seindt vom 5 undt 9 dießes monts vom no ein undt 52. [323] Aber Ihr habt Eüch im ersten auch ein wenig verschrieben; den ahnstatt 51 habt Ihr 31 gesetzt, daß zweytte aber ist gar recht. Ich fange mein andtwortt bey dem zweytten ahn, weillen es ahm frischten ist. Nichts desto weniger pretendire ich, daß erste heütte auch zu beantwortten. Vor alle gazetten dancke ich sehr. Es ist Eüch mitt Ewerem ersten brieff gangen, alß wie daß mergen von der schneck, die wardt zur hochzeitt gebetten, kam aber erst daß ander jahr hernach zur kindttauff, viel[1] über den zaun undt sagte:Eyllen thut doch nimer gutt.[2] Ahn den zeittungen schadt [diß nichts,] den sie seindt unß doch hir allezeit neü. Aber daß eintziges schlimmes, so dran ist, liebe Louisse, ist, daß es mich gar sehr vor Eüch in sorgen gesetzt hatt. Es wundert mich nicht, daß Ihr alß viel geschafften habt. Ihr müst sie lieben, den sonsten kontet Ihr Eüch auch woll von den Schönbergischen in ruhen setzen undt den graff Degenfelt die sach jetzt übergeben; den es ja nun seine affairen sein, mehr alß die Eürigen. Aber ich glaube, es amussirt Eüch, ob es Eüch zwar etlichmahl mühe gibt, liebe Louisse! Ich habe Eüch eben geschrieben, wie ich dennke; ich bin gar natürlich, kan nie anderst reden, alß ich gedencke. Nein, ich liebe Eüch nicht auß generositet, sondern erstlich, weillen es meine schuldigkeit ist, meines herrn vatter kinder zu lieben, undt zum andern, so habt Ihr es Eüch durch Ewer tugendt undt gutte conduitte würdig gemacht, undt zum 3ten, so habe ich Eüch ja von kindtsbeinen auff geliebt undt seydt schir mehr bey mir, alß Ewer fraw mutter, erzogen worden. Glaubt mir, liebe Louisse! wehren die pfaffen auff allen seytten, waß man de bone foy heist, würden die 3 christliche religionen baldt verglichen sein; aber der teüffel steckt zu sehr in allen pfaffen, einigkeit in der religion zu setzen konnen; ihr interesse undt ambition geht über alles. Aber da leütt man in die bettstundt.