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Brief vom 21. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


934.


[322]
St Clou den 21 Julli 1718, ein 1/4 auff 5 nachmittags (N. 94).
Hertzallerliebe Louisse, ich wahrdt noch alß, ob ich heütte etwaß von Eüch bekommen werde. Liebe Louisse, ich habe 3 gutter viertelstundt gewahrt; aber da kompt der postillon endtlich ahngestochen undt bringt mir 2 von Eweren lieben schreiben auff einmahl, welche mich von hertzen erfreüen; den ich war recht in sorgen vor Eüch, liebe Louisse, daß ich letzte woche nichts von Eüch entpfangen hatte; den ich weiß gar woll, daß Ihr so wenig die post verfehlet, ahn mich zu schreiben, alß ich ahn Eüch, liebe Louisse! Gott sey danck, daß Ihr frisch undt gesundt seydt! Ewere schreiben seindt vom 5 undt 9 dießes monts vom no ein undt 52. [323] Aber Ihr habt Eüch im ersten auch ein wenig verschrieben; den ahnstatt 51 habt Ihr 31 gesetzt, daß zweytte aber ist gar recht. Ich fange mein andtwortt bey dem zweytten ahn, weillen es ahm frischten ist. Nichts desto weniger pretendire ich, daß erste heütte auch zu beantwortten. Vor alle gazetten dancke ich sehr. Es ist Eüch mitt Ewerem ersten brieff gangen, alß wie daß mergen von der schneck, die wardt zur hochzeitt gebetten, kam aber erst daß ander jahr hernach zur kindttauff, viel[1] über den zaun undt sagte: Eyllen thut doch nimer gutt.[2] Ahn den zeittungen schadt [diß nichts,] den sie seindt unß doch hir allezeit neü. Aber daß eintziges schlimmes, so dran ist, liebe Louisse, ist, daß es mich gar sehr vor Eüch in sorgen gesetzt hatt. Es wundert mich nicht, daß Ihr alß viel geschafften habt. Ihr müst sie lieben, den sonsten kontet Ihr Eüch auch woll von den Schönbergischen in ruhen setzen undt den graff Degenfelt die sach jetzt übergeben; den es ja nun seine affairen sein, mehr alß die Eürigen. Aber ich glaube, es amussirt Eüch, ob es Eüch zwar etlichmahl mühe gibt, liebe Louisse! Ich habe Eüch eben geschrieben, wie ich dennke; ich bin gar natürlich, kan nie anderst reden, alß ich gedencke. Nein, ich liebe Eüch nicht auß generositet, sondern erstlich, weillen es meine schuldigkeit ist, meines herrn vatter kinder zu lieben, undt zum andern, so habt Ihr es Eüch durch Ewer tugendt undt gutte conduitte würdig gemacht, undt zum 3ten, so habe ich Eüch ja von kindtsbeinen auff geliebt undt seydt schir mehr bey mir, alß Ewer fraw mutter, erzogen worden. Glaubt mir, liebe Louisse! wehren die pfaffen auff allen seytten, waß man de bone foy heist, würden die 3 christliche religionen baldt verglichen sein; aber der teüffel steckt zu sehr in allen pfaffen, einigkeit in der religion zu setzen konnen; ihr interesse undt ambition geht über alles. Aber da leütt man in die bettstundt.
Donnerstag, umb 8 abendts.
Gleich nach dem abendtsgebett bin ich spatziren gefahren. Es ist daß schönste wetter von der welt. Nach der promenade habe ich meine hoffmeisterin besucht, so gestern abendts frisch undt gesundt zu nacht geßen; heütte morgen umb 4 ist ist[3] ein rhumatisme [324] über den gantzen leib gefallen, daß sie daß bett halten muß undt sich nicht regen kan. Ich komme wider … Daß fest von fronlei[c]hnahmstag ist eine neüe einsatzung[4] undt gar nicht devot. Ich halte nicht[s] von den spatzirenden devotionen, habe mein leben kein wordt dabey betten können, habe nur die tapetten besehen undt acht gehabt, auff dem pflaster nicht zu fallen; den wie der gantze weg mitt richende kreütter bestreüet ist, g[l]itscht man gar leycht. Es ist nahe bey 20 jahren, daß ich nicht mehr in dieße procession gehe, noch in keine andere; meine knie verbietten mir dieße devotionen. Ich meinte, die fürstin von Nassau-Siegen were lutherisch; aber weillen weillen sie nach Maintz auff dieß fest ist, muß sie catholisch sein. Ich wolte, daß wir hir daß wetter hetten, so Ihr im Schlangenbaadt gehabt hatt; den es ist eine hitze undt überall ein staub, daß man sterben mögt. Ich weiß woll, wie daß wetter in dem gebirgen auff dem Rein knalt. Ich habe mahl eins zwischen Bingen undt Bacherrach gehört, so so erschrecklich, daß ein arm hündtgen, so ich hatte undt Dinda hieß, davon starb; es war magnifiq. In Elßaß hatt daß wetter auch großen schaden gethan, wie man ahn die fraw von Rotzenhaussen geschrieben. Ich hoffe, daß schönne wetter wirdt einen gutten Bacheracher wein machen; den man hatt mir den Rheinwein vor meine gesundtheit ahnbefohlen. Unßer hertzog von Lotterringen schickt mir alle jahr eine provission darvon. Wo kan man zu Schwetzingen gebaudt haben, es seye den im vorhoff? den man wirdt ja nicht im waßergraben bawen. Wo mir recht, so seindt Carlutz, Carline undt Ihr zu Schwetzingen gebohren.[5] Daß gutte Schwetzingen! wie offt bin ich zu fuß hingangen undt auch nach Heydelberg biß ahns ober-thor! Ich wolte lieber, daß Churpfaltz daß schloß zu Heydelberg wider zurecht bauete, den daß ist ja da[s] stamhauß. Meine gutte landtsleütte thun woll, sich nicht lumpen zu laßen.[6] Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben [325] vollig beantw[o]rt. Ich komme jetzt auff daß erste. Bin froh, liebe Louisse, daß Ihr meine schreiben so gar richtig entpfangt. Ich bin woll Ewer meinung, das es recht verdrießlich ist, interompirt zu werden, wen man zu schreiben hatt; daß macht mich recht gritlich. Ihr werdt monsieur Marions pasport nun haben. Monsieur Gueneault hatt begehrt, daß man seinen ihm selber schicken solle, welches ich gethan. Ich halte ihn vor gar keinen edelman; edelleütte werden leicht in Franckreich gemacht; kaufft ein reicher bauer oder bürger eine charge de secretaire du roy, dem in großer menge sein, so ist sein sohn ein gentilhomme; geht ein bürgerssohn ins königs leibquart undt dint 20 jahr, bekompt er lettre de noblesse undt nent sich gentilhomme; deßgleichen noch ander bedinten auch, alß cammerdiner, kamerknecht undt dergleichen.[7] Ich habe seyder 47 jahren, daß ich hir im landt bin, von keinem hauß gehort, so adtlich pretendirt zu sein, so Gueneaud heist, aber woll von docktors-leütten, wovon ich glaube daß dießer ist; also hatte seine gutte fraw recht. Ihr schreibt allezeit schön undt viel leßlicher, alß ich, also kan ich Ewere handt nie heßlich finden, liebe Louisse! Hiemitt ist Ewer erstes liebes schreiben auch vollig beantwortet, bleibt mir nur überig, zu sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 322–325
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0934.html
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