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Brief vom 24. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


935.


[325]
St Clou den 24 Julli 1718, umb halb 5 abendts (N. 95).
Hertzallerliebe Louisse, in dießem augenblick komme ich auß der kirch undt mein ordinarie courir bringt mir Ewer liebes schreiben vom 12, no 53, welches ich gleich beantwortten werde, ob ich es zwar noch nicht [ganz] geleßen. Wer ist monsieur von Bussée? Dießen nahmen habe ich mein leben nicht nenen hören. Daß Ihr gern mein brieffe lest, ist ja kein schelmstück, liebe Louise, konte also leicht gestanden werden. Biß donnerstag werde ich der fürstin [326] von Ussingen schwester, die marquise de Dangeau, wilß gott, hir zum mittageßen haben. Sie wirdt mitt der gutten duchesse du Lude herkommen. Dieße 2 damen hab ich recht lieb undt ich flattire mich, daß sie auch waß von mir halten; also werde ich recht fro sein, sie hir zu haben. Coquette weiber seindt allezeit ahngenehmer, alß die ehrbaren. Erstlich so dencken sie ahn nichts, alß sich ahngenehm zu machen; daß ist all ihre kunst. Aber die ehrlichen weiber gehen ihren weg nur geraht durch, daß ist nicht so divertissant. Madame Dangeau muß ihrer fraw schwester nicht gleichen, den sie ist sehr mager. Ich bin gestern noch im Carmelitten-closter geweßen, aber die printzes von Nassaw ist noch nicht auff den randevous kommen, so ich ihr in daß closter geben hatte. Man hatt mir gesagt, sie hette pretendirt, ich würde sie zu mir nehmen, aber mitt solchen wahren belade ich mich nicht. Gott bewahr mich davor! Ich habe mich nicht mitt meinen eygenen encklen beladen wollen, wie solte ich dan ein bludtsfrembts mensch nehmen, die mir gar nichts ahngeht? Ich habe mich gantz erklährt, daß hirin nichts zu thun seye. Seyderdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ihr aufferzucht,[1] fürchte ich, wirdt schlegt; den in den clöstern seindt lautter desbauchen undt in [der] weldt geht es nicht beßer; mogte woll arger werden, alß die mutter … Der fürst, ihr her vatter, geht mitt niemandts recht umb, man sicht ihn nirgendts, passirt vor ein haaß[2] undt ich glaube, man hatt kein unrecht hirin; man helt ihn vor böße geselschafft, kein mensch will mitt ihm umbgehn, er spilt nicht, geht in kein spectacle, es weiß niemandts, waß er den gantzen tag thut; viel schulden hatt er zu Paris, daß ist gewiß; er helt taffel von 14–15 couvert, woran er allein mitt seinen leütten ist; den niemandt will zu ihm auß forcht, außgelacht zu werden. Seine printzes prettendirt den tabouret undt daß ist ihnen nicht accordirt worden. Aber da schlegt es 6 undt mein calesch ist kommen; nach der promenade werde ich Eüch ferner entreteniren. [327]
Sontag, den 24 Julli, umb 8 abendts.
Da komme ich eben von der promenaden. Es ist daß schönste wetter von der weldt, fengt nun ahn kühl werden. Aber last daß wetter undt kommen [wir] auff Ewer liebes [schreiben!] Es ist ein jung medgen, das printzesgen von Nassau-Siegen, aber kein klein kindt, wie ich davon hore reden. Man för[ch]t, die hoffmeisterin wirdt sie verkauffen undt geldt von ihr ziehen. Unßere Carmelitten, wo madame de Berry undt ich so offt hingehen, haben gar nichts pfaffisch ahn sich, seindt recht raisonabel; wen man ihre kleydung nicht ahnsicht, solte man meinen, es seyen weldtleütte, den sie reden undt raisoniren sans façon von alles. Man hatt mir nicht possitivement von deß fursten von Siegen wegen propossirt, die printzes zu unterhalten; aber man hatt mir gesagt, daß es schadt were, daß eine junge printzes, wie die von Nassaw, in so boßen händen were, daß sie sich verliehren könte undt daß es eine große charitet were, daß jemandts sie zu sich nehme, worauff ich den braden gleich gerochen undt, umb alle hoffnung zu benehmen, habe ich gleich gesagt, daß ich weder in standt, noch in willen bin, ein jung medgen zu mir zu nehmen, daß ich alt bin undt so viel ruhe mir schaffen [müße,] alß mir immer möglich sein könte, undt daß überige, so ich Eüch schon gesagt. Die printzes palatine ist schuldig, daß es so knap mitt mir hergeht. Sie hatt mein heürahtscontract schlechter machen laßen, alß ein bürgerfraw;[3] drumb habe ich alles in der welt cediren [müßen,] umb zu leben zu haben, meublen, juwellen, alleß, waß von den meinigen kommen ist.[4] Waß geht mich daß ahn, daß mein sohn regent ist? Deß konigs gelt ist nicht daß seine undt ich wolte kein Louis d’or davon haben, weillen es mir nicht mitt recht zukäme. Mein sohn ist nicht capabel, so etwaß zu thun, aber solte er es sein undt daß er mir geben wolte, würde ich es nicht ahnnehmen. Da behütte mich mein gott vor, ungerecht gutt zu begehren! Nein, da, nein, da werde ich mein gewißen nie mitt beschweren. Es geht mir, wie daß baüerische sprichwordt lautt, so der arme duc de Crequi,[5] me[i]n gutter freündt, alß pflegt zu sagen: Je sommes[6] peauvre, mais j’avons[7] de l’honneur. Waß hilfft gutt gelt, wen mans gewißen nicht ruhig hatt? Mein sohn hatts noch beßer gemacht. Es kompt ihm alß regendt große sumen zu, die hatt er nie [328] nicht nehmen [wollen,] weillen es dem könig sawer ahnkommen solte, dieße sumen zu geben.[8] Die enderung von der müntz hatt bißher noch keine unordenung gemacht; wie es weytter gehen wirdt, soll die zeit lehren. Mein sohn würde schon deß volcks gunst haben, wen er nicht heimbliche feinde hette, so alle tag neue pasquillen unter daß volck gegen ihm streüen. Auff viel satisfaction kan ich mich nicht gefast machen; wen mir nur keine neüe unglück zustoßen, werde ich schon zufrieden sein. Die hundtstagen fangen gewaltig [an;] gestern war ich zu Paris, muste von 6 hembter endern, war wie in einem baadt vor schweiß. Man gab unß gestern eine gar schlegte ittalliensche commedie. Wie meine enckel nur bloß prince undt princesse du sang sein, kompt ihnen kein ander tittel zu, alß altesse serenisime. Daß geschlegt von den damen von so groß meritten ist durchauß abgestorben; man findt so wenig, daß es ein ellendt undt schande ist. Madame la princesse ist viel tugendtsamer. Ihre fraw dochter, deß printz de Conti fraw dochter, da hatt man auch nie übel von gesprochen; aber die hatt etlichmahl schlimme vapeurs. Ich habe mein leben keine bedinte gehabt, so Charlotte geheißen, undt erinere mich deß Rheinhartz gantz undt gar nicht; Olivier hab ich auch nicht gekandt. Dieß alles seindt inventirte historien, woran kein wordt war. Lernt man zu Berlin so braff liegen? Suson hatt mir ihr leben von keiner Charlotten gesprochen, da denckt die arme fraw nicht ahn. Es ist der important, so seine protextion verspricht, aber ich findt er[9] esfronté,[10] daß man Eüch eine sache sagt, von welches[11] ich Eüch gar baldt desabussiren kan. Will der churfürst daß arme Manheim nicht wider bauen laßen, umb dort zu wohnen? Den es ist ja so ein ahngenehmer ort, ich hab es hertzlich geliebt. Ich kan leicht begreiffen, wie man Eüch in der Pfaltz plagt. Schwetzingen war mir auch lieb, aber nicht so lieb, alß Manheim undt Heydelberg; waß ich aber nicht leyden konte, war closter Neüburg, da ging ich ungern hin. Nun muß ich eine pausse machen. So mir gott daß leben biß donnerstag verleyet, werde ich auff die zwey überige bogen von Ewerem lieben brieff follendts andtworten, nun aber, da ich noch ahn mein dochter zu schreiben habe, kan ich nichts mehr sagen, alß wie, daß Ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 325–328
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0935.html
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Tintenfass