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Brief vom 28. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


936.


[329]
St Clou den 28 Julli 1718, umb halb 10 morgendts (N. 96).
Hertzallerliebe Louise, seyder vergangen sontag habe ich nichts von Eüch entpfangen, aber ich habe noch einen halben brieff von Eüch, den ich letz[t]e post nicht habe beantworten können; daß werde ich nun nun undt meinen brieff offen laßen biß dießen abendt, umb zu sehen, ob mir dießen abendt nichts von Eüch zukommen wirdt. Bekomme ich was, werde ich es noch hir zusetzen. Ich werde aber heütte eine große interuption haben, nehmblich eine audientz vom envoyes von Parme, welcher mir 2 von seines herrn schwestern todt ahnkunden wirdt. Die eine war unßer s. königin geschwey[1] undt witib von ihrem eintzigen bruder undt beyde schwisterkindt mitt ihnen. Aber daß gibt unß hir keine trawer, den sie [sind] unß nicht verwandt. Gestern kam madame de Berry mitt mir eßen undt blieb den gantzen tag hir biß abendts umb 8 uhr. Wir spilten den gantzen nachmittag hoccas.[2] Ich gewan gegen meine gewohnheit über hundert francken. Hernach fuhren wir spatziren biß umb 8 abendts. Da setzt sich madame de Berry wider in ihre offene calesch undt fuhr nach hauß undt [ich] ging in mein cammer, laß ein hauffen brieff, so ich entpfangen hatte, von meiner dochter undt der graffin von Furstenberg, von der printz[essin] von Wallis, von der graffin von Buckeburg undt mademoiselle de Malausse,[3] auch einen von mademoiselle d’Orlean, so zu Chelle[4] ist. Daß hilt mich biß zum nachteßen; aber daß geht bey mir, wie die fraw von Rotzenhaussen alß sagt, daß der wolff spri[c]ht, wen er schnacken frist: Es geht klein; den ich eße nichts, alß 2 schenckeln von einen jungen wachteigen undt den 4ten theil von einem kopffsalatgen undt 5 gantz kleine pfirsching mitt Bacherracher wein undt zucker. Gleich drauff, wie ich meine uhren auffgezogen hatte, ging ich nach bett, wo ich mich in legte, ehe es ein viertel auff 11 geschlagen hatte; bin heütte morgen umb 6 uhr auffgestanden, habe gebett undt hernach geschrieben undt monsieur Harling gedanckt vor zwey exellente metwurst, so er mir geschickt, welche madame de Berry so gutt gefunden, daß sie den rest mittgenohmen hatt. Es ist jetzt auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer [330] liebes schreiben vom 12 komme, wo ich vergangenen sontag geblieben ware. Vissitten entpfangen undt wider geben ahn leütte, wo man nichts nach fragt, ist gar eine mittelmäßige freüdt, dern man gar woll entberen könte. Von der graffschafft von Wurmbrandt habe ich mein tag deß lebens nichts gehört, muß etwaß neü gebacknes sein oder österreichisches, den von reich ist es gewiß nicht. Die herrn von Limburg seindt den nun auch graffen geworden; zu meiner zeit wahren sie nur herrn von Limburg, aber gar ein gutt, alt geschlegt. Der churfürst von Trier, wie ich sehe, ist kein wilder geistlicher. Hir haben wir einen so gar eyfferigen geistlichen bischoff,[5] der blatte, gar geschleckte haar getragen, kein weibsmensch ahnsehen dörffen, sich nie gebudert, alß fette undt kleine trawermanschetten getragen; es ist noch ein junger mensch von etlich undt dreysig jahr, ich glaube, er ist 32 alt. Ich weiß nicht, wie es zugangen ist, aber der teüffel, der herumbgeht wie ein brüllender lew undt suchet, welchen er verschlinge,[6] dem muß dieße devotion gechoquirt haben, hatt derowegen ein spielwerck von seiner invention drin setzen wollen undt hatt dem armen jungen bischoff eingegeben, ein jung mensch, so in seiner statt ein schlim leben führt, zu bekehren. Er ließ sie hollen, umb sie zu beichten. Daß mensch ist jung undt schon wie ein engel undt ist eine durchtriebene; die hatt dem gutten bischoff so zugesprochen, daß sie ihn verführt, ehe er sie bekehrt hatt. Er hatt nicht mehr ohne daß mensch leben können, hatt seine alte bedinten abgeschafft, nur ihre verwandten zu sich genohmen, hatt ahn[ge]fangen, die haar, so so bladt wahren, zu frißiren, undt fuhr alle tag mitt der dame spatziren. Daß hatt den popel so geargert, daß sie steine nach seiner kutsch geworfen haben. Die geistlichen, so ihm zusprechen haben wollen, hatt er brügelsupen[7] ahngebotten. Die haben diß alles seinen verwandten bericht; wie die zu ihm kommen wollen undt ihn wahrnen, hatt er seine verwanten wider zurückgeschickt, ohne sie zu sehen, hatt nur seine fraw mutter gesehen undt zu ihr gesagt, er wüste nicht, warumb man so groß geraß macht, daß er mitt mademoiselle de Rickard (so heist die dame) umbgehe, er hette sie nur bey sich, umb ihm die mußiq zu lehrnen, daß sie gar perfect woll könte. Alß alle die verwanten gesehen, daß nichts mehr hilfft, haben sie [331] meinen sohn gebetten, die dame in ein zuchthauß einzusperen laßen, so Ste Pelagie heist, welches ges[ch]ehen. Der bischoff hatt ges[ch]wohren, daß er sein tag deß lebens nie keine von seinen verwanten mehr sehen wolle. Daß ist daß endt vom liedt.[8] Dieße historie hatt mich erfreuet; den ich kan die bratten nicht leyden, die niemandts ahnsehen wollen; sie seindt ordinarie fourben, undt daß die fourberie endeckt wirdt, erfrewet es mich recht. Ich komme aber auch wider auff Ewer liebes schreiben. Warumb ist daß freüllen Schoulenburg von ihrer schwester, der duchesse de Münster? Hatt die vielleicht gefürcht, es mögte ihr gehen, wie die historie von Thessee[9] undt Ariane undt Phedre undt daß ihr die schwester die schu außtretten würde? Caroline haben alle menschen auch gefunden, daß sie einem Marienbildt gleiche. Mein gott, wie wunderlich wirdt doch der könig in Englandt, liebe Louisse! Ich kan mich gar nicht mehr in ihm richten; ich fürcht, er wirdt endtlich wie Ewer schwager werden. Ich bin gantz in ungnaden bey ihm. Wie ich ihm aber mein tag nichts zu leydt gethan undt nicht von ihm zu dependiren habe, so will ich mich dießes unglücks getrösten undt gott bitten, daß er dießem könig seine verblendung benehmen möge. Die printzes von … ist all übel geweßen ahn einem zahn, so ihr [332] durchgebrochen, undt ein geschwer im mundt mitt fieber. Aber nun ist sie, gott lob, wider gantz woll, nimbt den sawerbrunnen; sie setzt ihr vertrawen so sehr auff gott, daß es ihr wider woll gehen muß, es mag spät oder früh kommen. Die printzes von Wal[l]is findt, daß sich ihre kinder nicht gebeßert haben, sondern sehr verwendt undt wilt worden, seyder freüllen Gemingen nicht mehr bey ihnen ist; die gräffin von Portlandt[10] solle gar eine schlegte hoffmeisterin sein. Der könig solle seine enckellen nur in 3 monat einmahl sehen; daß ist nicht gar tendre. Die printzes meint, daß pr. Amelie viel von unßer s. churfürstin,[11] ihr uhralt groß fraw mutter, haben wirdt. Daß ist keine schlime gleichnuß, daß kan ihr keine schandt ahnthun, wie ihr andere groß fraw mutter, die Frantzößin.[12] Ich finde Ewere schreiben nicht zu lang, liebe Louisse! Ich habe Ewern brieff jetzt vollig beantwortet, sage derowegen nichts mehr, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte. Nach der promenade werde ich erst daß paquet machen.
Donnerstag, den 28 Julli, umb 7 abendts.
Der regen hatt unß auß dem gartten gejagt. Kurtz, ehe ich in calesch gestiegen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 16, no 54, entpfangen, worauff ich hiemitt andtwortten werde, nur noch sagen, daß die gutte duchesse du Lude undt madame Dangeau mitt unß geßen. Madame Dangeau, deren ich gesagt, daß ich heütte ahn Eüch geschrieben hette undt noch schreiben würde, so hatt sie in mein cabinet ahn ihr fraw schwester geschrieben, welches Ihr hir in dießem paquet finden werdet. Sie sagt, ihre schwester schreib ihr alß viel guts von Eüch undt sage, daß Ihr so voller tugendten seydt, daß mans vor eine rechte ehre helt, von Ewer geselschafft zu sein, worauff ich geantwort, daß sie nicht mehr guts von Eüch sagen konte, alß ihr von ihr stehts sagt. Nun komme ich auff [Euer] liebes schreiben. Mich deücht, unßere brieff gehen nun gar richtig. Ich weiß nicht, wie mein armer sohn seine taglich qual außstehen kan. Er jammert mich recht, daß mir davon die thren[en] offt in den augen komen. Seine qual ist erschrecklich; ich wolte lieber die erde ackern undt holtz hauen, alß seine arbeydt haben. Aber da sehe ich madame d’Orleans in den hoff fahren. Im wehrenden hoca [333] werde ich Eüch noch entreteniren, liebe Louisse! Da spilt man undt ich habe schon 3 Louis d’or verspilt, undt wen gleich mein schiffer kame, kan ich doch nicht gewinen, mein schiffer käme den noch einmahl geschwindt. Aber ich kan mich dießes unglück gar leicht getrosten. Da kompt eben mein 28 ahn, alßo verliehre ich nichts mehr. Aber es ist auch zeit, daß ich wider auff Ewer liebes schreiben [komme.] Man ist nun hir gar gutt keyßerlich. Die vers seindt poßirlich. Der graff von Königsseck,[13] so eben bey mir war, wie ich sie geleßen, hatt woll hertzlich drüber gelacht. Aber da kompt man, mich zum eßen [zu rufen,] muß also auffhören. Biß sontag werde ich Ewern brieff gantz beantworten.
Mitwog, den 27 Julli 1718, wie wir ahn taffel geseßen:
Madame la duchesse de Berry.
Ich.
Marechalle de Clerembeau.
Marechalle de Rochefort.
Madame de Chasteautier.
Madame de Rotzenhaussen.
Marquise Dalluye.
Madame de Laval.
Madame de Mouchi zwey dame d’atour.
Madame de Brassac.
Madame de la Rochefoucaut.
Madame d’Harpajon.[14]
Madame de Pont[15] erste dame d’atour.
Die duchesse de Brancas, meine hoffmeisterin.[16]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 329–333
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0936.html
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