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Brief vom 31. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


937.


[333]
St Clou den 31 Julli 1718, umb halb 10 morgendts (N. 97).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe Eüch schon vergangenen donnerstag bericht[et], wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 16 dießes monts, no 54, zu recht erhalten habe. Es ist etwaß abscheüliches, wie mein armer sohn geplagt ist; man kans nicht erdencken, wen mans nicht sicht. Aber da kompt mein gantz raht ahngestochen, welcher in 4 personnen bestehet, davon 3 hir ahnkommen. So hatt der teüffel sein spiel; er schickt mir alß verhindernuß, umb mich doll undt ungedultig zu machen, wen ich schreiben will. [334]
Sontag, umb 3/4 auff 11.
Mein raht hatt 5 viertelstundt gedawert. Sie haben mir doch eine gutte zeittung gebracht, nehmblich daß mein sohn undt ich gestern einen proces gewunen haben gegen les secretaire du roy et officier de l’ordre, so schon 17 jahr dawart. Sie haben pretendirt, nichts in meins sohns apanage zu bezahlen undt frey von allen unßern gerechtigkeitten zu sein; aber unßere sache war so gerecht, daß wir nicht fehlen konten, den proces zu gewinen.[1] Aber ich komme wider auff Ewer liebes schreiben. Ich kan Eüch noch ein halb stündtgen entreteniren. Wir wißen all lengst den frieden mitt den Türcken; den der courir, so die zeittung ahn graff Königseck hatt bringen sollen, ist zu Luneville krank worden undt ein courier vom hertzog hatt die brieff hergebracht undt mein dochter hatt mirs durch dießen courier die sach geschrieben. Man spricht von nichts itzunder, alß wie die spanische flotte in Sicillien eingefallen undt Parlerme eingenohmen. Die königin in Sicillien schreibt mir, daß Alberonie[2] ihren könig abscheülich betrogen; aber viel leütte wollen glauben, das sie sich mitt einander verstehen. Die zeit wirdt lehren, waß es ist. Es ist mir dabey eingefahlen, wie die commedie von la mort de Pompée[3] ahnfängt: Le destin ce declare et nous venons d’entendre ce qu’il a decidés du beaupere et du gendre. Ich habe der printzes von Wallis die gedruckte zeydung geschickt, worinen die teütsche vers, geschickt, dancke Eüch vor alles, so Ihr mir geschickt habt. Alberoni, glaube ich, fragt wenig darnach, daß deß königs in Spanien ahnehmen, wen seine kisten undt kasten nur braff voll werden. Die zinßen verstehe ich gantz und gar nicht, scheindt woll, daß ich nie viel gelt gehabt habe. Wie alles mitt dem ittallienschen undt sicilliannischen krieg ablauffen will, wirdt die zeit lehren. Gott bewahre unß nur [335] hir vor krig! Mein sohn hatt ohne daß genung zu thun. Ihr seydt gar nicht naßeweiß, von dießen sachen zu reden, wovon jederman spricht. Mir ist es zu hoch, ich verstehe nichts in staadtssagen,[4] kan es nicht begreifen; drumb misch ich mich auch nicht drin. Mein sohn wirdt nie gritlich, alß wen man gegen seine plaisir spricht, undt daß muß doch etlichmahl sein. Auff freüden mache ich mich gar nicht mehr gefast in dießer [welt.] Gott bewahre mich nur, daß ich kein unglück ahn meinen sohn erlebe! so werde ich schon zufrieden sein. Aber wen ich so lettre d’advis bekomme, wie mir oft geschicht, daß man meinen sohn assasiniren will oder im Palais-Royal verbrenen undt dergleichen gentillessen, so habe ich mühe eine zeitlang, wider ruhig zu sein; er aber lacht nur drüber undt sagt: Ich will mein bests thun, im überigen wirdt mir nichts geschehen, alß waß unßer herrgott mir destinirt hatt.[5] Aber da schlegt es 3/4 auff 12, ich muß mich ahnziehen. Gott bewahr mich dießen nachmittag vor interuption! den ich pretendire, heütte Ewer liebes schreiben vollig zu beantworten.
Sontag, umb halb 3 nachmittags.
Es ist eine gutte halbe stundt, daß wir von taffel sein, also kan ich Eüch, liebe Louise, wider entreteniren. Wir wahren heütte morgen ahn meinem sohn geblieben, der so gedultig undt nie gritlich ist undt sich alles getröst, waß ihm auch widerfahren mag. Ich bin nicht so delicat, waß zu brauchen, bin 25 mahl vom pferdt gefahlen, ohne mein leben waß zu drincken; es hatt mir nichts geschadt, den der schrecken thut nur schaden undt ich erschrecke nicht leicht, wen ich falle, muß nur lachen. Es ist war, daß ein t[e]ppich auff den boden; waß mir nur ein schwartz mahl ahn dem rechten hinderbacken gemacht, war, daß ich auff meine uhr gefahlen undt daß glaß gebrochen hatte. Aber daß ist alles nun gar woll heill; ich habe nur ein par mahl pomade divine drauff geschmirt. Apropo, habt Ihr noch pomade divine? Nun ist die zeit, daß dieße pomade gemacht wirdt werden; also wen Ihr keine mehr habt, werde ich Eüch wider schicken, liebe! den daß bücksgen, so ich Eüch geschickt hatte, war eben nicht gar groß. Meine leütte, chevallier d’honneur, premier escuyer, wahren alle bey mir, ich war aber eher auff den boden wider auff, alß sie es gewahr geworden. So sachen gehen gar geschwindt her, undt wen ich fall, ruff ich mein leben [336] nicht; viel leütte ruffen lautt, wen sie fahlen, aber ich mein leben nicht; es seye daß auff einer stiegen, sonsten laß ich mich mein leben nicht führen. Ich bin ohne façon. Ich erinere mich noch woll ma tante fall; den I. L. s. schrieben mirs gleich. Alle junge leütte thun [in] jetzigen zeitten alles, waß sie wollen, aber daß reussirt nicht allezeit. Er[6] ist eine schlime gewohnheit, ohne leibstück zu gehen, daß macht faull undt zu nichts nutz. Ich könt es nicht leyden, wen es meine dochter wehre; wie mein dochter noch bey mir war, habe ich ihr nichts so gelitten, welches mir lob bey dem könig erworben. Der Bernstorf hatt dem abbé Dubois mitt solchem eyffer gebotten, sich nicht ins printzen[7] sach zu mischen, daß nicht zu zweyfflen, daß er bang war, daß die sach wider gutt werden mögte. Daß muß ein undanckbarer kerl sein, nachdem er so viel guts von hertzog Jorg Wilhelm entpfangen, seinen enckel so zu verfolgen, der ihm sein leben nichts zu leydt gethan hatt. Der vortheil, so er hatt, ist leicht zu finden; den wen der printz übel mitt dem könig stehen wirdt, können die minister schalten undt walten undt haben niemandts, so ihnen auff den handen sicht, wie woll wehre, wen der printz in gnaden; den er ist kein kindt mehr undt kan auff alles nun sehen. Daß ist schimpfflich, daß alles allezeit auff gelt außkompt. Daß seindt die rechte kautzen, so die devotion zum deckel ihrer boßheit nehmen. Aber da kompt mein calesch; ich fahr ein wenig spatzir[e]n.
Sontag, umb 7 abendts.
Da komme ich eben von der promenade; es ist daß schönste wetter von der welt. Damitt ich aber wieder auff Ewer liebes schreiben komme, so war ich geblieben, wo wir von dem Bernstorf gesprochen undt von seiner devotion. Hette er einen warhafften glauben undt were ein gutter Christ, so würde er sein bestes thun, vatter undt sohn zu vergleichen; den ich halte es vor eine abscheüliche sünde, vatter undt sohn, wer es auch sein mögte, gegen einander auffzureitzen, will den geschweyge[n] einen könig undt konigliche printzen, die seine herrn sein. Daß halte ich vor eine todtsündt; undt solte er auch alle tag in kirch gehen undt fleißiger betten, alß niemandt, so glaube ich doch nicht, daß er könte seelig werden, so lang er in dem boßen vornehmen verharrt. Ewer [337] schwager ist schon alt, kan nicht mehr lange jahren leben; also werdet Ihr Ewere kinder baldt bey Eüch haben. Mir wers recht leydt, wen Ihr im herbst nach Englandt [gienget;] es ist eine widerliche undt untrewe sache mitt der see. Hir pretendirt man, daß der fürst von Siegen weder heller, noch pfennig, aber viel schulden hatt. Es were woll ein großer mutwill von ihm, wen er gelt hette, seine dochter hungers zu sterben laßen. In der welt oder bey hoff were es schwer, mitt taußendt teütsche gülden leben; aber in einem closter kan sie gar woll davor nach ihrem standt leben. Ich habe dieße printzes noch nicht gesehen; die sie aber gesehen, sagen, sie were artig, aber keine schönheit; sehe ich sie, werde ich Eüch berichten, wie ich sie gefunden, liebe Louise! Es ist mir lieb, daß die rheinfeldische sache wider woll geht; den es war mir bang vor meinen vettern, dem landtgräffen, den ich furchte, daß die sach übel vor I. L. außschlagen würde. Guenault muß sein pasport nun haben; den ich habe Eüch, wo mir recht ist, geschrieben, wie ichs ihm geschickt. Mich wundert aber sehr; daß Ihr den von monsieur Marion noch nicht entpfangt habt. Aber da habe ich noch ein schreiben von Eüch, so man mir von Paris bracht, daß will ich leßen; da wirdt es vielleicht in stehen, daß Ihr es endtpfangen habt. Da leße ich undt sehe durch Ewer liebes schreiben vom 19, no 55, daß Ihr den pa[sse]port vor monsieur Marion entpfangen. Es wirdt mir nie beschwerlich fallen, liebe Louisse, wen ich etwaß thun kan, so Eüch gefelt. Ich beschwehre mein hirnkasten mitt keinen affairen d’estat Behütt mich gott davor! Da habe ich weder verstandt, noch wißenschafft. Ich mische mich in nichts in der welt. Mein sohn hatt, gott lob, verstandt undt wißenschafft; ich laß ihm die sorge, bitte gott, seinen verstandt zu erleüchten undt alles zum besten zu wenden. Daß ist alles, waß ich bey der sach thue. Ich habe dießen abendt ein schreiben von unßer lieben printzes von Wallis bekommen; die sagt, daß die königin in Preüssen so übel ist, daß sie ihr nicht ein wordt hatt schreiben können, sondern durch madame Sastot hatt schreiben laßen, daß sie einen abscheülichen durchlauff hatt. Ob ich zwar die ehre nicht habe, I. M. personlich zu kenen, so schreibt sie mir doch allezeit so viel amities, daß sie mir daß hertz gerührt, undt interessire mich recht vor dieße königin undt wünsche ihr eine gutte gesundtheit wider. [338] Mylord Stanop[8] ist lang genung zu Paris geweßen, daß, wen er ein compliment vor mich von den könig, seinen herrn, gehabt hette, umb mir es sagen zu laßen, ehe er in Spanien ist gereist. Der könig in Preüssen solle seine gemahlin sehr lieb [haben.] Der frieden mitt den Turcken ist gar gewiß geschloßen; der graff von Königseck hatt ja die zeittung vom friedenschluß durch einen expressen erfahren, wie ich Eüch schon verzehlt habe. Es ist mir leydt, daß der vom landtgraff von Cassel noch nicht sicher ist; den ich wünsche dießem vettern undt allen seinen alles guts. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vom 19 vollig beantwortet. Ich komme jetzt wider auff daß erste. Daß madame Marion ihren man vor schon helt, ist schon genung; er mag darnach sein, wie er will. Die blindtheit der weiber vor ihre maner wehret hir nicht lang, sie seindt baldt desabussirt. Es ist mir von hertzen lieb, daß … Außer daß abricossen leicht den dribsdril geben, sonsten halte ich sie nicht vor ungesundt; ich eße lieber pfirsing. Ich weiß nicht, waß cavuri [?] sein, undt habe mein leben nicht davon gehört. Ich bitte, schreibt mir doch, von waß art daß opst ist! Nach 50 jahren fengt man ahn, zu spüren, daß man nicht mehr ist, wie man geweßen, undt daß nimbt hernach alle jahr zu. Es ist ein abscheülich sach umb daß alter; c’est bien desobligent, wie die arme madame de Bregie[9] alß pflegt zu sagen. Ich finde Ewere liebe schreiben gantz undt gar nicht langweillig. Die printzes von Wallis ist, gott lob, in perfecter gesundtheit. Daß sawerwaßer, wie auch der safft, den ich gebraucht, wovon ich ihr daß recept geschickt, ist I. L. über die [339] maßen woll bekommen. Gott erhalte sie ferner! undt zu Ewerm wusch vor sie sage ich von hertzen amen. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben auch gar exact [beantwortet,} bleibt mir nur noch überig, Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 333–339
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0937.html
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Tintenfass