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Brief vom 7. August 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


939.


[342]
St Clou den 7 Augusti, umb 5 abendts, 1718 (N. 99).
Hertzallerliebe Louisse, es ist anderthalb stundt, daß ich Ewer paquet undt lieben brieff vom 26 Julli entpfangen habe, muste eben in die kirch. Umb 4 kamme ich wieder herauß undt fing den datum hirin ahn zu setzen; da kam die printzes de Conti herein undt pressentirte mir madame d’Albret, welche heütte morgen ihren tabouret bey dem könig genohmen. Sie seindt 5 viertelstundt hir geblieben; endtlich habe ich frey herauß ahn unßere junge printzes de Conti gesagt: Alles vous en! j’ay a escrire; den ich lebe ohne façon mitt I. L. Sie hatt daß gutt, sie offendirt sich über nichts in der welt, ist recht artig, ich habe sie recht lieb. Worumb ists Eüch leydt, liebe Louisse, daß ich vor Eüch in sorgen bin, [343] wen ich zu fürchten hab, daß Ihr kranck seydt? Daß ist ja gantz natürlich, wen man jemandts lieb hatt. Daß Ihr sagt, daß Ihr meiner vorsorg nicht wehrt seydt, darauff muß ich Eüch sagen, wie man hir in gleichen fallen sagt: Vos mespris vous servent de louange. Wie Ihr mir den schonburgischen hoff beschreibt, worinen Ihr wohndt, finde ich es eben nicht gar schön. Erstlich so liebe ich die stätte nicht, zum andern so liebe ich die engen gaßen gar nicht; den daß macht die gemächer dunkel undt ich sehe gern die son undt daß helle. Wir haben etliche kühle tage gehabt, aber seyder gestern ist die hitze wider kommen undt heütte so abscheülich, daß ich meine calesch erst umb 6 uhr bestehlt habe. Nach der promonade werde ich Eüch weytter entreteniren, kan doch noch ein viertelstündtgen blauttern, den da schlegt es 3/4 auff 6. In den[1] großen hitze spürt mans gleich, wen ein wetter irgendts geweßen ist. Zu Paris habe ich keine frische cammern, aber mein cabinet hir ist über die maßen kühl wie ein kellergen, undt so baldt es draußen ahnfengt kühl werden, wirdt es warm hirin. Es seindt keine fenster da, der tag kompt nur von oben her, doch nicht dunckel; den es seindt gantz oben 4 fenster, so den tag geben undt hell genung, umb woll zu leßen undt zu schreiben. Ich habe lachen müßen, daß Ewere dunkele kammer Eüch so lange bu[ch-]staben hatt schreiben machen. Von der kalte schal hette ich braff mitt geßen, aber warm drincken, insonderheit daß abscheülich caffé undt thee, daß were meine sache nicht; ich kan weder chocolat, caffé, noch thé leyden. Aber mein calesch ist kommen, ich will ein wenig [in die] frische lufft.
Umb 8te abendts.
Da komme ich von der promenade. Es ist noch warm, daß einer schmeltzen mögte. Der windt ist warm; ich glaube, daß ein wetter irgendts ist; den die knie thun mir heütte bitter wehe. Aber ich komme wieder auff Ewer liebes schreiben. Die kleine rossinen hette ich auß der kalte schal gethan, den daß schmeckt zu medecinisch; aber daß überige hette ich von hertzen gern geßen. Hir kan mans nicht machen; die frantzösche wein deügen nichts dazu undt man hatt kein gutt rockenbrodt hir undt daß [344] weiß brodt wirdt gleich zum brey. Mitt gutten freünden waß gutts eßen, ist gar ein unschuldige lust undt erfreuet doch. Es ist gar woll gethan, liebe Louise, sich so wenig zu bekümern, alß es immer sein kan. Alleweill undt seyder ich von der promenade bin kommen, erfahre ich etwaß, so mich recht verdriest. Man hatt mir meine schönste hundin gestollen; zu allem glück aber ist es die nicht, so ich ahm liebsten habe; aber wegen ihre große schönheit undt daß ich sie zur race halte, ist es mir doch leydt, daß man mir sie gestohlen hatt. Es ist woll zu verzeyen, daß man ungedult hatt, wen man in sein vatterlandt kommen kan; also habe ichs monsieur Gueneault sehr zu gutt. In[2] Frantzoßen seindt noch verpichter auff ihr vatterlandt, alß kein andere nation in der welt. Ein jedes hatt seine fehler, aber wen nur daß gemühte gutt ist, kan man daß überige woll verzeyen; aber ein gutt gemüht ist eine rare [sache] in den zeitten, worinen wir nun leben. Monsieur Gueneault wirdt sein vatterlandt unerhört geendert finden. Ich meinte, liebe Louisse, daß, weillen Ihr meiner amen dochter kendt, die mir alle morgen einen gutten tag von Ewertwegen gibt, daß Ihr auch wißen werdtet, daß ich sie als Suson heiße. Sie ist ahn ihrem zweyten man; der erste war in meines herrn leibquart, ein armer edelman auß Normandie, so Dufresne hieße. Der jetzige man ist mein hussie undt ihr geschwisterkindt, heist Leclair. Durch dießen Leclair hab ich andtwortten undt den pasport schicken laßen. Wen Ihr, liebe Louisse, waß von mir begehrt, muß es unmöglich sein, wofern ichs nicht thue; daß könt Ihr woll versichert sein. Ey, liebe Louisse, der printz von Ahnhalt, bey welchem Hattenbach ist, tregt eine pechschwartz peruque undt einen flecken auff einem aug. Der elste Hattebach hatt unvergleichen mehr verstandt, alß er, hatt sich gleich in alles hir zu schicken gewust, alß wen er hir ahm hoff gebohren undt erzogen wer. Dießer ist neü undt begreift daß hießige leben gar nicht; from mag er woll sein, aber gantz undt gar nicht schlaw. Daß man sich selbst ermordt, ist gar rar hir im landt; aber alles ist moden hir; kompt es einmahl auff, sich selber umbzubringen, wirdt es mehr gefolgt werden. Wollen sich die keyßerlichen undt hessischen trupen schlagen wie die Indianer, so nur einander mitt feüsten schlagen undt stoßen? Werden[3] den platz [345] gewinen kan, hatt die victorie. Daß findt ich artlich undt viel polyer,[4] alß wen man sich umbbringt. Umbbringen ist, waß man grossier [nennt.] Es were mir leydt, wen mein vetter, der landtgraff, krieg in seinen landt haben solte; daß thut nie kein gutt. Aber mich deücht, der keyßer t[r]actirt die reichsfürsten nicht zum besten. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet undt ich will ein wenig eßen, auff Ewere gesundtheit in pecto drincken, hernach nach bett gehen. Adieu! Ich ambrassarire[5] Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. August 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 342–345
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0939.html
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