Seitenbanner

Brief vom 14. August 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


941.


[347]
St Clou den 14 Augusti 1718 (N. 1).
Hertzallerliebe Louisse, ich bin vor einer stundt in der capel hir zum h. abendtmahl gangen, nun werde ich Eüch entreteniren, biß wir zur taffel gehen. Gestern hatt mir monsieur Marion Eüer liebes schreiben vom 16 Julli überlieffert, bey welchem ich ahnfangen werde. Ich habe ihm offrirt, seinen pasport verlängern zu laßen, aber er sagt, es were nicht nohtig. Er scheindt lustig zu sein. Ich habe ihm gesagt, wie sehr Ihr seine junge fraw rümbt; daß hatt ihn recht erfrewet. Er seüfftzt noch über sein kindt, welches woll zu verzeyen ist. Ich habe ihm von Schlangenbadt gesprochen. Daß ist alles, waß ich Eüch von monsieur Marion sagen kan. Ich komme jetz[t] wider auff Ewer schreiben vom 30 Julli. Weill man erfahrenheit hatt, drumb kan man nichts außstehen; den man weiß durch die erfahrenheit, waß auß dem werden kan, daß man kommen sicht. Daß wißen die junge leütte nicht, sie machen keine reflectionen, alles divertirt undt ist ihnen neü, also bekümern sie sich wenig. Ob zwar alles in der welt seine abwexellung hatt, so werden doch etlichmahl die unglück so lang, daß man stirbt, eher die verenderung kompt. Schulden sein verdrießliche sachen, aber mitt der zeit geht es doch zum endt. Im großen faß[1] hatt man nie keinen Rheinwein gethan, nur lautter Neckerwein. Daß geschrey geht, daß der jetzige churfürst den wein nicht hast undt braff schepeln[2] kan. Es ist eine gutte zeittung vor mich, wen der Bacheracher woll gerett;[3] den man erlaubt mir keinen andern nach durst zu dancken.[4] Den Bourgogner kan ich nicht leyden; erstlich so finde ich den geschmack widerlich, undt zum andern so thun mir dießer wein wehe im magen, bleibt mir drin liegen wie ein stein. Der Bacheracher ist unvergleiche beßer. Ich weiß nicht, waß der bleichert[5] vor ein wein ist, hatte nie davon gehört. Alle wein, so herkommen, kan man nicht führen, man schweffele sie dan, gehen doch gar gesch[w]indt durch. Waß kan man ahn dem berg zu Heydelberg endern? Es ist ja auff beyden seytten gantz [348] verbauet, also kan man nichts dran machen, man mache den von dem Kettenthor ahn durch der fraw Botzheym gartten hinder deß Bettendorff hauß, da, glaube ich, könte man einen kürtzern weg nauff machen. Es ist mir leydt, daß man Schwetzingen so geendert hatt; den ich habe alß gern, daß die örter bleiben, wie ich sie gesehen habe. Ihr werdet mir einen rechten gefallen thun, liebe Louisse, wen Ihr mir berichten werdet, wie Schwetzingen undt Heydelberg, das schloß, nun sein. Ich habe gemeint, daß Caroline undt Ihr zu Franckenthal gebohren werdt, aber alle Ewere andere geschwister zu Heydelberg, außer Carlmoritz, den ich zu Manheim habe sehen auff die welt kommen.[6] Ich erinere mich, alß wens heütt were; den es ist eine historie hirauff. Ich habe Ewere fraw mutter damahlen einen gutten dinst gethan. Ewer bruder hatt daß aug so versetzt gehabt, weillen I. G. der churfürst, unßer herr vatter, ihr ein stoß im aug geben, wie sie schwanger von Carl Moritz wahr, umb ihr einen brieff vor mich geben wollen von meiner fraw mutter s.
Sontag, den 14 Aug., um halb 5 nachmittags.
Ich komme jetzt eben auß der kirch; es hatt umb 3 ahngefangen undt ist erst jetzt zum endt. Ich habe heütte morgen kurtz abbrechen müßen; den ich hatte viel hungerige seelen umb mich undt man rieff mich zur taffel. Nun komme ich auff meine alte historie, die ich doch außverzehlen muß, komme ich wider, wo ich geblieben. Wie wie den I. G. s. meinen brieff in der nacht im bett wider geben wolten, stießen sie der raugräffin ungefehr so starck mit der faust auffs aug, daß ihr daß aug gleich geschwul[7] undt andern tags schwart z undt blau war. Ich erschrack, wie ich sie so verstelt sag;[8] ich sagte: Her Jeß, madame (so hieß ich sie auß befehl), waß ist daß vor ein aug! Zu ihrem glück verzehlte sie mir den handel. Also wie Carl Moritz auff die welt kam, hatte er daß aug eben so. Ihr wist aber, liebe Louise, wie abscheülich jalous undt eyffersichtig der churfürst war; der bilde sich ein, daß, weillen der oberste Webenheim, der einäugig war undt offt mitt unß gespilt hatte, daß Ewer fraw mutter ihn zu offt ahngesehen, daß Carl Moritz aug deßwegen so schwartz geworden were, wie deß obersten Weibenheims pflaster, ließ mich derowegen gleich ruffen, [349] wie daß kindt gebohren war, undt sagte zu mir: Lisselotte, segt diß aug! Ist es nicht wie daß pflaster von Ewerm gutten freündt, dem obersten Weibenheim? Ich fing ahn, zu lachen undt sagte: Ach nein, I. G., ich sehe woll, waß es ist. Der churfürst sagt gantz kritlich: Sacrement! waß ist es den? Ich sagte: Es ist etwaß, daß E. G. nicht gesehen haben. Erinern Sie sich noch woll, wie Sie nach Openheim reisten undt madame nachts meinen brieff von meiner fraw mutter geben wolten, umb es mir andern tags zu [geben,] undt ihr die faust ins aug stießen? Andern tags wardt ihr aug eben die[9] E. G. deß kindt sein. Mein gott, sagt der churfürst, Lisselotte, wie soulagirt Ihr mich, Eüch dießes zu erinnern! Umb gottes willen, sagts der madame nicht! Damitt war alles wider gutt; aber hette ich mich zu allem glück dieß nicht erinnert, were ein praffer lermen worden. Dieß ist aber eine alte, wiewoll gar wahre historie. Es ist war, daß Ihr alle Ewere geschwister gar weitt von einander begraben habt. Aber es ist kein wunder, daß Caroline in Englandt begraben, weillen sie dort gestorben ist. In dießem augenblick bringt man mir Ewer liebes schreiben vom 2 dießes monts, no 59. Aber ich werde es vor biß donn[e]rstag spar[e]n; den ich habe heütte noch auff 3 große schreiben von meiner dochter zu andtwortten undt wir müßen auch mitt madame d’Orlean spatziren fahren, werde also nur noch auff Ewer liebes schreiben vom 30 Julli, no 58, follendts andtworten. Daß ist der Juden opinion, daß es ein seegen gottes, wen man in seinem vatterlandt begraben wirdt. Ich bin wie Ameliese, habe alles zu Heydelberg, Manheim undt Schwetzingen lieb, daß zu meiner zeit war; also ist es mir leydt, daß der arme graben, wo ich so offt gefischt habe, gefült ist. Weißenbach ist ein gutter, ehrlich mensch, aber, unter unß gerett, ich fürcht, er wirdt zum nahren,[10] undt daß, glaube ich, ist die rechte ursach, warumb daß freüllen von Rotzenhaussen kein lust gehabt, ihren heüraht mitt ihm zu volziehen. Man lebt beßer allein, alß zwey mitt einander, die nicht reich sein. Der stillstandt ist mitt den Türcken geschloßen worden vor 25 jahr. Ich finde Ewer[e] brieff nie zu lang, liebe Louisse! Ihr segt ja woll, daß ich Eüch gar exact auff Ewere liebe schreiben andtworte. Wir haben madame d’Orlean seyder donnerstag hir, die spilt hir hocca, unterdeßen [350] daß ich Eüch schreibe. Ich muß noch ahn mein dochter schreiben. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte ich[11] immer lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. August 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 347–350
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0941.html
Änderungsstand:
Tintenfass