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Brief vom 27. August 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


945.


[362]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou, sambstag, den 27 Aug. 1718, umb 9 uhr morgendts (N. 5).
Hertzallerliebe Louise, ich schreibe Eüch heütte, umb die post nicht zu verfehlen; den morgen werde ich nach Paris, alwo ein schrecklich lermen ist. Mein sohn hatt dem konig lit de justice[1] halten machen, daß gantze parlement hollen laßen, ihnen deß königs wegen ernstlich befohlen, sich in nichts in der regirung zu mischen, nur in waß ihnen zukompt, nehmblich die processen außzuführen undt recht zu sprechen. Man hatt den garde de seaux[2] in seiner charge installirt, undt weillen man gewiß weiß, daß der duc du Maine undt seine gemahlin daß parlement gegen den könig undt meinem sohn aufgesetzt, so hatt man ihm deß königs auffsicht benohmen[3] undt monsieur le duc geben, ihn auch von dem rang, so er gehabt, alß prince du sang tractirt zu werden, ihn undt seine kinder desgratirt;[4] hergegen aber seinen jüngsten bruder befestiget man in alles vor sein leben; den der hatt sich woll undt treülich gehalten. Die leütte im parlement undt die duchesse du Maine seindt so boßhafft undt verzweyffelt, daß mir jetzt todt[angst] ist, daß sie meinen sohn assasiniren werden; den ehe diß vorgangen, hatt madame du Maine schon ahn offendtlicher taffel gar einen dollen discours geführt undt gesagt: On dit que je revolte le parlement contre le duc d’Orleans, mais je le mesprisse trop pour prendre une si noble vengence de luy; je sauray bien m’en venger auttrement, auttrement. Hirauß secht Ihr, liebe Louise, waß vor eine dolle humel sie ist undt ob ich nicht recht habe, in ängsten vor mein sohn zu sein. Die leütte seindt gar zu verteüffelt hir; es ist keine lust, so zu leben. Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Der callendermacher hatt vielleicht meines enckels, deß duc de Chartres, gebuhrt gewust. Mein [363] sohn undt meine dochter habe ich nie ahngebunden, es ist der brauch nicht hir; denen hette ich waß schönnes geben mogen wolten undt daß könte ich nicht, habe also nur die mode bey meinen encklen in bagatellen wider ahngefangen. Mein gott, ich fürchte alß, daß wir den duc de Chartre nicht behalten werden, ist gar zu delicat;[5] woll schadt, den es ist ein gutt, from kindt, so kein laster ahn sich hatt; er hatt verstandt undt ist woll erzogen. Wolte gott, seine schwestern wehren, wie er! Mehr will ich hirvon nichts sagen: Wen ein mansmensch in seinem 16ten jahr (den er ist schon seyder den 4 15 jahr vollig alt), wen, sage ich, gar keine starcke in dem jahr vorhanden, ist wenig zu hoffen; er ist klein undt zart vor sein alter. Alle döchter, so erwacksen, seindt wie rießen, so groß undt starck. Danke Eüch doch sehr vor Ewere gutte wünsche vor daß gutte kindt. Ich weiß die tragique avanture vom czaarwitz[6] gar [364] gewiß; den leütte von hir, so dort sein, habens meinem sohn bericht. Man hatt viel in den zeittungen, so nicht war ist. Der czaar ist nicht mehr so barbarisch, alß er geweßen, ehe er gereist hatte undt andere höffe gesehen. Der czaarwitz hatte schriefftlich auffgesetzt, wie er seinen herrn vatter hatt wollen ermorden laßen, undt auff seiner eygenen handtschrifft ist er zum todt verurtheilt worden. Der czaarwitz hatte alles braff geleugnet; hette ihn seine metres nicht verrahten mitt der handtschrifft, hette man ihn nicht überzeugen können. Die convulsionen, so daß gifft dem czaar geben, sollen etlichmahl abscheülich sein; ich habe nur die kleinen gesehen. Waß ihm daß leben noch mehr verkürtzen wirdt, ist sein starckes sauffen; den der wein attaquirt die nerven noch mehr. Mich deücht, man macht den krieg nun wunderlich undt gantz auff eine neüe manir; finde es artlicher so. Daß ostereichsche hauß hatt daß, [365] sie seindt nicht danckbar.[7] Unßer hertzog von Lotteringen undt sein herr vatter haben ja dem keyßer woll gedint. Zur dancksagung nimbt der keyßer, so baldt der duc de Mantou[8] todt ist, le Monferat[9] undt gibts dem hertzog von Savoyen, da es doch mitt recht dem hertzog von Lotteringen gehört. Es ist gar war, daß der cardinal Alberoni den könig in Sicillien betrogen hatt. Es ist ein bößer leichtfertiger gesel;[10] die zeit wirdt lehren, waß auß dießem allem wehren wirdt. Gott gebe unß hir beständigen frieden! Alles andere kan ich mich leicht getrösten. Ich finde den dialogue von den zwey bauern, so vom jüngsten tag sprechen, recht artig. Seyder vergangen mittwog hatt hir die hitze abgenohmen durch zwey gar kleine donnerschläge, aber einen gutten regen. Ich habe die cartten artig [gefunden] undt schon davor gedanckt. Ich hoffe, Ihr werdt mir noch ein par spiel von derer art auff der meß schicken; daß, hoffe ich, kan Eüch nicht ruiniren. Daß ist ein wunderlicher nahm, die die generalmajorin Schnebelin, hatt mich lachen machen, habe den nahmen nicht vorher gehört. Ich bin persuadirt, daß der duc de Schonburg eben so wenig, alß Ihr, herkommen wirdt. Adieu, liebe Louise! Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, bleibt mir nichts mehr überig, alß zu sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. August 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 362–365
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0945.html
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