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Brief vom 1. September 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


946.


[365]
St Clou den 1 7br 1718 (N. 6).
Hertzallerliebe Louisse, ich bin in dießem augenblick, wie daß frantzosche sprichwordt sagt, comme un asne entre 2 prés, qui ne [366] sait au quel aller;[1] den ich habe da vor mir zwey von Ewern lieben schreiben, eines vom 16 Aug., no 63, so man mir zu Paris vergangen sontag abendts geben, wie ich wegfahren wolte, undt vor 2 stunden habe ich daß vom 20 Aug., no 64, bekommen sambt der artlichen cartte von der Nürnberger tracht, wovor ich Eüch von hertzen dancke, wie auch vor die pronosticon, wie auch vor daß kupfferstück vom türckischen [kaiser] undt mitt einem wordt vor alles, waß Ihr mir geschrieben habt undt geschickt. Ich will doch bey dem frischten ahnfangen. Ich kan nicht begreiffen, wie es kompt, daß Ihr mein schreiben von 11 Aug., no 100, nicht entpfangen habt; den ich habe gar gewiß geschrieben undt halte meine parolle gar redtlich, habe keine eintzige post verfehlt undt werde sie nicht verfehlen; den solte ich kranck werden oder wehe ahn der handt bekommen, so würde ich Eüch durch die fraw von Rotzenhaussen schreiben laßen. Also seydt nie in keinen sorgen! Wen Ihr keine brieff von mir bekompt, wirdt es allein der post schuldt [sein.] Ich glaube, daß durch Ewern ersten brieff Ihr mir schreiben werdet, daß Ihr zwey auff einmahl werdet bekommen haben. Seyder vergangen mitwog 8 tag ist die grimige hitze hir zum endt, wie ich Eüch schon vor 8 tagen gesagt habe; allein vorher haben wir so erschreckliche hitze außgestanden, daß ich von 6 hembter deß tags habe endern müßen. In gantz Europa ist es so geweßen; den von allen ortten hatt man diß jahr über die abscheüliche hitze geklagt. Die gantze hitze über hab ich mich gar woll befunden, aber seyder 7 tagen, da ich so über madame d’Orleans betrübtnuß erschrocken, ist es mir nicht so woll, alß es mir vorher war. Daß miltz rührt sich undt der schrecken ist mir in den schenckeln gefahlen, bin 3 tag geweßen, ohne recht zu mittag zu eßen können; gestern aber, da ich a la Meutte bey madame de Berry zu mittag geßen … Wir wahren 15 ahn taffel, alles war so trefflich woll zugericht, daß sich mein apetit wider gefunden, habe braff geßen, hernach haben wir hoca gespilt undt abendts seindt wir in offenen caleschen im bois de Boulogne biß 7 uhr spatziren gefahren; hernach bin ich wider her, habe einen hauffen brieff gel[e]ßen undt quadrille[2] spillen sehen biß zum nachteßen. Da bin ich mitt mademoiselle de Valois undt meinen damen ahn taffel, aber ohne eßen, [367] nur ein pfirsching in wein mitt zucker, ein stück brodt undt ein par mahl gedruncken, habe recht woll geschlaffen; ist mir doch noch matt undt nicht so woll, alß vorher. Daß muß woll wider vorbeygehen, wie es kommen ist. Ich hoffe, daß die hitze so samfftlich wirdt bey Eüch wirdt vergangen sein undt ohne wetter wie [wir] hir gehabt haben. Wie ist ein Spanheim nach Spanien kommen? Ich bin ein nar, ich leße überzwerg, ich leße Spaniern vor Spanheimerin. Ich habe 4 Spanheim gekandt, den, so in Englandt gestorben undt meines brudern s. directer geweßen. Der professer undt noch 2 bruder, so studenten in Sapientz wahr[e]n undt wunderliche heylligen, weiß nicht, ob die sich geheüraht haben oder nicht, oder ob dieße, so Eüch die artige cartten geben, deß professers dochter ist. Alle die Spanheimer haben viel verstandt. So possen, alß prophezeyungen, divertiren mich recht. Die poßen machen nicht frommer, divertiren nur ein augenblick, wen man sie list. Die Spanier mogte die sach woll gereüen. Ihre flotte ist teüffelsding[3] gebutzt worden. Sie habens woll verdint, den könig in Sicillien so falschlich hintergangen zu sein.[4] Alberonie ist ein boßer teüffel. Ich sage von hertzen amen auff den wunsch, den Ihr, liebe Louisse, zum frieden thut. Herr Zachman sagt, Churpfaltz seye seyder gestern 14 tag zu Heydelberg undt Schwetzingen undt sehr resolvirt, in der lieben Pfaltz zu bleiben. Daß frewet mich. Wie ich nach Hannover ging, wendt[5] ich 3 tag, umb nach Franckfort zu kommen; erstlich schlieff ich zu Weinheim, die andere nach[t] zu Bensheim undt die 3 nacht, deücht mich, schlieffen wir ahn ein ort nahe bey Franckfort, aber nicht zu Franckfort selber, undt hernach nach ein ort in Heßen undt darnach nach Cassel, von Cassel nach Minden undt von Minden nach Hannover. Ich erinere es mich, alß wens heütte wehre. Es ist noch ein ort, es war noch ein ort, wo wir zu mittag geßen, wo man gar woll ist; ich weiß nicht mehr, wie der ort heist, deücht mir doch, es seye Fritberg,[6] haben ex[c]ellente krebs dort. Daß ist man hir nicht, sie deügen nichts, seindt zähe undt morastig. Monsieur Genau habe ich noch nicht gesehen, aber woll monsieur Marion, wie ich es Eüch schon geschrieben. Alle frantzöschen leütte [368] seindt so, sie meinen, außer Paris könne man nicht leben; ich kan gar woll auß Paris leben. Den,[7] so Ihr monsieur Harlay heist, ist daß nicht der, so man hir mylord Boullenbrog[8] heist? Ist ein falscher gesele in allen stücken. Es wundert mich, daß ma tante ihn nicht eher gekandt. Die arme königin in Englandt hatt er abscheülich betrogen, seüfft starck. So waß zu verzehlen, kompt mir gar nicht langweillig vor. Aber da kompt monsieur Teray[9] undt keifft, daß ich noch schreibe, da es doch schon 10 ist, muß also wider willen auffhoren undt vor dießmahl nichts mehr sagen, hertzliebe Louisse, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte. Biß sontag, wo mir gott daß leben verleydt,[10] will ich Eüch ein schon compliment von Suson machen undt, wo mirs möglich wirdt sein, in ihrer sprach,[11] Ich kan doch dieße schönne sprach nicht so woll, alß die fraw von Rotzenhaussen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. September 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 365–368
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0946.html
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