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Brief vom 4. September 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


947.


[368]
St Clou, den 4 7br 1718, umb 7 morgendts (N. 7).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich heütte etwaß von Eüch bekommen werde; will doch ahnfangen, Eüch zu entre[te]niren. Bekomme ich dießen nachmittags von Ewern lieben schreiben, werde ich es dießen abendt beantwortten. Nun aber komme ich auff eines, so mir noch überig ist, vom 16, no 63; den daß frischte vom no 64 vom 20 Aug. hab ich schon vergangenen donnerstag beantwortet. Ich hoffe, heütte zu erfahren, daß Ihr mein schreiben vom 11, no 100, werdet entpfangen haben. Man kan nicht artiger, noch ahngenehmer sein, alß die junge printzes de Conti ist. Sie weiß woll, daß ich sie lieb habe, nimbt alß gar nichts übel von mir; den sie ist woll versichert, daß ich sie nicht offendiren will, sondern nur vexire. Der arme fürst Ragotzi[1] wust auch woll, daß sie ahngenehm war; aber mitt allen seinen [369] gutten minen hatt er ihr doch nicht gefallen. Er ist ein großer, woll geschaffener herr, der gar gutte minen hatt; sein gesicht ist nicht hübsch, auch nicht gar heßlich, auch nicht gar alt, jetzt hatt er 44 jahr. Er ist zu bedawern. Ich glaube, wir werden ihn wider hir sehen. Er ist sehr devot, predigt aber nie, hatt dabey einen lustigen humor, lacht undt schwetzt gern. Er wont hir auff dem landt, 5 oder 6 meill von Paris ahn einem ort[2] bey mönchen, so man Camaldüllen[3] heist undt schir so einen strengen ordre haben, alß die Carteusser;[4] er lebt, wen er bey dießen mönchen ist, eben wie [sie,] stehet nach mitternacht mitt ihnen auff undt gehet mitt ihnen betten, fast[5] auch offt. Ich weiß nicht, wie er mitt dem leben undt allen seinem ungluck so lustig sein kan. Es muß i[h]n doch innerlich plagen; den er ist abscheülich geentert, wie er hir war, dur undt mager worden; wie er in Franckreich kam, war war er dick, starck undt frisch. Aber hiemitt genung von unßern gutten fürst Ragotzi! Ich komme wider ahn unßere artliche printzes de Conti. Sie hatt sich schwanger gemeindt, sie ist es aber, gott lob, nicht. Daß wetter ist seyder 10 tagen sehr abgekühlt. Ich fuhr aber gestern nach Paris, da ist es noch abscheülich warm ; ich konte nicht in meiner cammer bleiben, muste ins große apartement. Umb Ewern wunsch in kurtzerm begriff zu faßen undt ohne den 10 gebotten eintracht zu thun, so wünschte ich, liebe Louise, daß Ihr hir bey mir in meinem kühlen cabinet sein köntet. Wie Ihr mir daß schönburgische hauß zu Franckforth beschreibt, finde ich es weder schon, noch … den dunckle heüßer in engen gaßen da halt ich gar nichts von. Ich halte die verdumpffte heüßer auch nicht vor gesundt undt finde, daß alle stätte im sommer ungesundt sein. Der Eberfritz Veningen soll ein schon hauß zu Heydelberg undt auch eins zu Rorbach gebauet haben. Ich habe Eüch schon bericht, wie herr Zachman mir gesagt, daß Churpfaltz zu Heydelberg geweßen undt alles vissitirt hatt, auch ordre geben, es wider zu recht zu machen, undt in der lieben Pfaltz bleiben will. Ob man I. L. zwar sehr pressirt, nach Dusseldorf zu gehen, so solle ihm doch die lieb Pfaltz beßer gefahlen, ist selbigen abendt wider nach Schwetzingen. Mich verlangt, wen Ihr wider zu Heydelberg sein [370] werdt; den ich hoffe, daß Ihr mir alles verzehlen werdet, wie es nun dort ist. In der hitze wirdt der churfürst ohn zweyffel nachts gereist haben; den in der große hitze wehre es ohnmöglich geweßen, menschen undt pferdt hetten es nicht außstehen können undt wehr[e]n zu grundt gangen. Daß seindt schlimme, aber alte teütsche bräuche, viel zu sauffen. Der margraff von Anspach kompt mir so delicat [vor,] daß ich nicht gedacht, daß er starck drincken könne. Den fürsten von Ottingen kene ich nicht. Ich weiß so woll, daß die erbprintzes von Württenberg[6] einen printzen[7] bekommen, daß ich zur gevatterin gebetten bin.[8] Die erbprintzes von Württenberg hatt sich beßer gehalten, alß die von Darmstatt. Den[9] verständigen printzen von Darmestat, so wir hir haben, hatt den Parisser tribut bezahlt. Er ist braff kranck geweßen, doch nun wider woll. Mich deücht, es stehet nicht woll keine specktacle bei fürstlichen hoffen, wen gar keine spectacle sein. Es were beßer, maistressen abzuschaffen, alß commedien undt jagten; den daß seindt thewere undt auff alle weiß schädtlichere wahren. Die jäger lieben ordinarie mehr die hundte von ihrer eygene race undt die sie haben erziehen laßen, alß frembte; solte mich also nicht wunder nehmen, wen der konig in Englandt seine hunde von Hannover [kommen ließe.] Daß were auch ein zeichen, daß er nicht gedächte, so baldt wieder nach Hannover zu reißen. Es ist nun die mode zu Paris, gestern sahe ich eine dame zu Paris, so madame de Verneuil heist, welche madame de Verneuil heist, die hatte die threnen in den augen, daß man ihr gar eine schonne hündin gestollen hatt. Die Parisser weiber seindt abscheülich effrontirt.[10] Meine hundte kamen all zusamen von der promenade. Tilliette ging zu alle, so sie caressiren wolten; die fraw flattirte, sie ließ sich fangen vor der thur von der gallerie. Ein bub vom dorff hatt es gesehen, aber erst andern tag gesagt, undt meine valet de pied seindt die sotteste leütte von der [welt;] wen man sie in einem bren-colben alle 10 thete, könte man kein ontzen vernunfft, noch sens commun drauß ziehen. Ich sage offt, daß, wen daß sprichwort wahr were, tel maistre, tel valet, muß ich abscheülich sot sein.[11] [371] Man hatt hir vor dem vorgemach eine sale des gardes, aber sie halten keine schildtwachten vor den thüren, wie bey unß. Suson sagt: Ick bitt Ihr köniklicke hoheit, der matam raugraff doch zu sack, daß ick beym teyffel zu gantz froch bin, daß sie ahn Suson gedenckt hatt. Die Rotzenheusserin kan ihr sprach beßer, alß ich; ich kan es ohnmöglich behalten, macht mich doch offt mitt lachen; sie spricht gar zu wunderlich teütsch undt nicht beßer frantzösch. Ihr schreibt nie heßlich, sondern eine rechte manshandt. Ich glaube, waß Ihr … heist, ist hir melon d’eau, seindt rar hir, aber in Spanien undt Ittallien gar gemein. Die kuhlende samen kene ich woll, da man mandelmilch von macht; aber daß zeüg liebe ich nicht. Die melon d’eau seindt frisch, aber mich deücht, daß gutte melonen viel einen beßern geschmack haben. Unßere s. churfürstin hatt mir viel von deß herrn von Münchhaussen schonnes obst gesprochen, von seinen gutten pomerantzen undt annanas. Ich habe hir auch [ge]sehen, allein ich eße nicht gern, waß ich nicht kene. Die ananas seindt indianisch obst. Die teüschliche[12] vers seindt künstlich, indem sie allezeit die jahrszahl ahndeütten. Mich deücht, daß war nicht obligent vor dem keyßer, daß niemandts zu Franckfort mitt gastereyen seine freüde bezeüget hatt. Wie ich sehe, so haben sich Ewere leütte ahm lustigsten gemacht. Waß Ihr von Eüch selbsten sagt, darauff kan ich nichts andtworten, alß: Vos mespris vous servent de louanges. Von marqui de Rochegude erinere ich mich nicht jemahlen waß gehört zu haben; aber er wirdt nun schon finden, waß er den armen geben. Jedoch so glaube ich, daß daß almoßen, wie alle andere gutte sachen, mitt jugement regirt muß werden. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, nur noch sagen, daß ich mich gestern bey ein[e]r schlacht gefunden. Wie ich bey den Thuillerien abendts kam, war eine große presse von kutschen; eine traversirte den weg, meine pagen sagten zum kutscher, er solte platz machen; der, ahnstatt platz zu machen, schlegt meinem pagen die umbgekehrt peitsch ahm komen,[13] die 3 andern kommen dießen zu hülsch,[14] schlagen den kutscher mitt ihren fackeln; der herr, dem der kutscher wahre,[15] zicht den degen undt stöst auß[16] meine pagen zu, die garden ziehen auch von leder undt schlagen zu. Wie daß der kerl in der kutschen sahe, sprang er auß der [372] kutschen undt salvirte sich in den Thuillerien, wo die thur offen wahr. So hatt dieße schönne schlagt geendet. Ich will aber nun auch eine pausse machen undt [warten,] ob ich dießen abendt noch waß von Eüch bekommen werde, wo nicht, so müst Ihr Euch, liebe Louisse, mitt dießen 9 seytten begnügen, die Eüch hirmitt versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Ich habe dießen abendts Ewer liebes schreiben vom 28 Aug., no 65, zu recht entpfangen, habe woll gedacht, daß Ihr meine schreiben 2 auff einmahl bekommen würdet; den ich wuste woll, daß ich keine post verfehlt hatte. Es kan gar woll sein, daß es auff der frantzösche post ist liegen blieben; den sie sehr negligeant hir sein, sowoll alß curieux. Ich habe Eüch schon vergangen donnerstag gesagt, wie daß ich gar nicht mehr in sorgen, wen meine brieff fehlen. Es ist spät, man hatt mir Ewer liebes schreiben erst geben, umb in ein closter zu fahr[e]n, so nur eine frantzösch halbe meill von hir ist undt Longchamps heist. Ich weiß nicht, ob Ihr Ewer leben den roman von Lissandre undt Caliste geleßen habt; nur ein kleiner tome; es ist eben daßselbe, wo die letzte sceene vorgebt. Ich muß nun ahn mein dochter schreiben; den es ist ihr posttag heütte undt ich habe 3 brieff von ihr bekommen. Wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich biß donn[e]rstag dießen brieff beantworten. Aber nun wünsche ich Eüch nuhr eine ruige, kühle undt woll schlaffendte nacht[17] undt ahngenehme treüeme; den wen man schwer treümbt, ist es ärger, alß wachen. Ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. September 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 368–372
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0947.html
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