[378]
A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou den mitwog, 14 7br 1718, umb 7 morgendts (N. 10).
Hertzallerliebe Louisse, ich fange heütte ahn, auff Ewer liebes
schreiben vom 30 Aug., no 67, zu andtwortten; den morgen werde
ich wenig zeit haben, weillen ich nach Paris werde. Ich schreibe
Eüch heütte mitt schwehren hertzen, bin gar nicht lustig undt habe
es auch leyder kein ursach, sondern vielmehr sehr in sorgen zu
sein; den mein sohn hatt daß 3tagige fieber. Die accessen seindt
zwar nicht starck undt es were nichts vor einen andern menschen;
allein vor ihm, der so abscheülich viel zu thun hatt undt gar keine
zeit hatt, kranck zu sein, ist es eine gar schlimme sach. Ich bin
auch in sorgen vor meiner dochter elsten printzen; der hatt seyder
vergangenen montag ein continu[ie]rlich fieber mitt erbrechen undt
halßwehe undt redoublementen. Solte, da gott vor sey, meine dochter
diß kindt verliehren, wirdt sie sterben undt von sinnen kommen;
den sie liebt dießen über alle andere, ob sie zwar alle ihre kinder
hertzlich lieb hatt. Sie hatt auch recht, den dießes kindt lieb[t] sie
[379]
über alles. Also bin ich in rechten sorgen. Aber ich muß nun
eine pausse machen, meine bibel leßen undt ahn die hertzogin von
Hannover andtwortten, den es ist heütte ihr posttag.
Donnerstag, den 15 7br, umb 3 viertel auff 7 morgendts.
Ich werde umb 10 nach Paris fahren. Gestern ist mein sohn
woll geweßen, aber es war sein gutter tag; heütte wirdt man erst
sehen, ob daß quinquina, so er genohmen, seinen effect thun wirdt,
den heütte ist sein bößer tag. Ich habe gestern, gott seye danck,
gutte zeittung auß Lotteringen [bekommen.] Mein enckel hatt,
gott lob, kein fieber mehr. Man hatt ihn mitt gar geringen mittlen
courirt, mitt ein untze mana undt ein eintzig clistir. Gott gebe,
daß ich meinen sohn auch ohne fieber finden mag! Biß sontag
werde ich Eüch verzehlen, wie meine reiß abgangen, nun aber nur
sagen, daß madame de Bery gestern hir zu mittag geßen. Sie
hatte nur ihr dame d’honneur, die erste dame d’attour undt eine
dame du palais, mademoiselle de Valois, ich meine dame d’honneur
undt dame d’attour, madame de Maré, so madame de Bery
hoffmeisterin geweßen, die marechalle de Clerembeault
[1] undt die fraw
von Rotzenhaussen. Nach dem eßen haben wir hocca gespilt, seindt
hernach spatziren gefahren biß umb 7, da ist madame de Berry
mitt ihrer schwester inß badt biß umb 9, daß sie wider a la Meutte.
Ich bin heütte vergnügter, alß gestern, nun ich meine krancken
beßer weiß. Meine enckel
[2] ist endtlich gar zur nonen geworden,
solle gar vergnügt sein. Gott gebe, daß es dawern mag! Viel
leütte haben eine jugendt schwer zu überstehen, aber wen sie unter
raisonable leütte kommen undt die erste jugendt vergangen, werden
sie raisonabel, wie wir ahn die duchesse de Berry sehen, welche
nun gottsfürchtig ohne heücheley ist. Mademoiselle d’Orleans (so
heist man jetzt die none) ist 20 jahr, ihre schwester, madame de
Berry, ist 3 jahr elter undt mademoiselle de Valois ist 3 jahr
jünger, alß die none. Waß ich fürcht, ist, daß es der damen
gereüen wirdt, none geworden zu sein. Sie frägt kein haar nach
sterben, forcht also, daß, wen die reüe kommen wirdt, das sie sich
entwetter selber umbs leben bringen wirdt, oder gar durchgehen
undt darvon lauffen; keines von beyden deücht nichts. Es ist nicht
[380]
außzusprechen, wie viel feinde die regence meinem sohn gemacht
hatt.
[3] Mein sohn schont sich in nichts, macht mich offt recht böß,
sagt, es könne ihm nichts gesch[eh]en, alß waß gott über ihn vorsehen
hatt, fürcht sich vor nichts in der welt. Die mansleütte seindt so
persuadirt, daß maistressen zu haben, ihnen mehr ehre, alß schandt,
macht, daß keiner sich in dießem stück corigirt. Die absetzung der
müntz ist nur ein pretext; so lang die regence wehrt, sucht der
duc du Maine undt seine gemahlin, daß parlement undt den popel
gegen meinen sohn auffzuwicklen. Daß kompt noch auß ahnstifftung
der alten hexsen
[4] (wie die großhertzogin alß sagt), so zu St Cire
[5]
ist; die ist nun kranck auß boßheit, daß ihr ahnschlag so übel
ahngangen. In meinem sin erzicht madame d’Orleans ihren sohn zu
delicat. Aber ich will nichts dagegen rahten; den solte er kranck
werden, würde man mir die schuldt geben. Es ist gewiß, daß diß
kindt nun sehr tugendthafft undt raisonabel ist. Aber er ist noch
in keine schlimme compagnie kommen; da wirdt erst die gefahr
ahngehen; den die junge leütte hir seindt so verdorben mitt ihren
sodomischen sünden, daß sie weder ahn gott, noch teüffel glauben
undt es vor eine gentillesse halten. Ich habe starcke interuptionen
in meinem schreiben heütte, den der safft purgirt mich, bin schon
5mahl gangen; ist schon halb 9, muß mich ahnziehen; den umb halb 10
muß ich in kirch, umb von dar … werde nur noch sagen, daß es
gutt ist, aller menschen freündtschafft zu haben. Daß findt sich
heütte oder morgen. Apropo, meine freündtschafft kan Eüch nicht
fehlen; wir sindt einander zu nahe dazu. Seydt versichert, daß [ich]
Eüch allezeit, liebe Louisse, von hertzen lieb behalte!