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Brief vom 14. September 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


950.


[378]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den mitwog, 14 7br 1718, umb 7 morgendts (N. 10).
Hertzallerliebe Louisse, ich fange heütte ahn, auff Ewer liebes schreiben vom 30 Aug., no 67, zu andtwortten; den morgen werde ich wenig zeit haben, weillen ich nach Paris werde. Ich schreibe Eüch heütte mitt schwehren hertzen, bin gar nicht lustig undt habe es auch leyder kein ursach, sondern vielmehr sehr in sorgen zu sein; den mein sohn hatt daß 3tagige fieber. Die accessen seindt zwar nicht starck undt es were nichts vor einen andern menschen; allein vor ihm, der so abscheülich viel zu thun hatt undt gar keine zeit hatt, kranck zu sein, ist es eine gar schlimme sach. Ich bin auch in sorgen vor meiner dochter elsten printzen; der hatt seyder vergangenen montag ein continu[ie]rlich fieber mitt erbrechen undt halßwehe undt redoublementen. Solte, da gott vor sey, meine dochter diß kindt verliehren, wirdt sie sterben undt von sinnen kommen; den sie liebt dießen über alle andere, ob sie zwar alle ihre kinder hertzlich lieb hatt. Sie hatt auch recht, den dießes kindt lieb[t] sie [379] über alles. Also bin ich in rechten sorgen. Aber ich muß nun eine pausse machen, meine bibel leßen undt ahn die hertzogin von Hannover andtwortten, den es ist heütte ihr posttag.
Donnerstag, den 15 7br, umb 3 viertel auff 7 morgendts.
Ich werde umb 10 nach Paris fahren. Gestern ist mein sohn woll geweßen, aber es war sein gutter tag; heütte wirdt man erst sehen, ob daß quinquina, so er genohmen, seinen effect thun wirdt, den heütte ist sein bößer tag. Ich habe gestern, gott seye danck, gutte zeittung auß Lotteringen [bekommen.] Mein enckel hatt, gott lob, kein fieber mehr. Man hatt ihn mitt gar geringen mittlen courirt, mitt ein untze mana undt ein eintzig clistir. Gott gebe, daß ich meinen sohn auch ohne fieber finden mag! Biß sontag werde ich Eüch verzehlen, wie meine reiß abgangen, nun aber nur sagen, daß madame de Bery gestern hir zu mittag geßen. Sie hatte nur ihr dame d’honneur, die erste dame d’attour undt eine dame du palais, mademoiselle de Valois, ich meine dame d’honneur undt dame d’attour, madame de Maré, so madame de Bery hoffmeisterin geweßen, die marechalle de Clerembeault[1] undt die fraw von Rotzenhaussen. Nach dem eßen haben wir hocca gespilt, seindt hernach spatziren gefahren biß umb 7, da ist madame de Berry mitt ihrer schwester inß badt biß umb 9, daß sie wider a la Meutte. Ich bin heütte vergnügter, alß gestern, nun ich meine krancken beßer weiß. Meine enckel[2] ist endtlich gar zur nonen geworden, solle gar vergnügt sein. Gott gebe, daß es dawern mag! Viel leütte haben eine jugendt schwer zu überstehen, aber wen sie unter raisonable leütte kommen undt die erste jugendt vergangen, werden sie raisonabel, wie wir ahn die duchesse de Berry sehen, welche nun gottsfürchtig ohne heücheley ist. Mademoiselle d’Orleans (so heist man jetzt die none) ist 20 jahr, ihre schwester, madame de Berry, ist 3 jahr elter undt mademoiselle de Valois ist 3 jahr jünger, alß die none. Waß ich fürcht, ist, daß es der damen gereüen wirdt, none geworden zu sein. Sie frägt kein haar nach sterben, forcht also, daß, wen die reüe kommen wirdt, das sie sich entwetter selber umbs leben bringen wirdt, oder gar durchgehen undt darvon lauffen; keines von beyden deücht nichts. Es ist nicht [380] außzusprechen, wie viel feinde die regence meinem sohn gemacht hatt.[3] Mein sohn schont sich in nichts, macht mich offt recht böß, sagt, es könne ihm nichts gesch[eh]en, alß waß gott über ihn vorsehen hatt, fürcht sich vor nichts in der welt. Die mansleütte seindt so persuadirt, daß maistressen zu haben, ihnen mehr ehre, alß schandt, macht, daß keiner sich in dießem stück corigirt. Die absetzung der müntz ist nur ein pretext; so lang die regence wehrt, sucht der duc du Maine undt seine gemahlin, daß parlement undt den popel gegen meinen sohn auffzuwicklen. Daß kompt noch auß ahnstifftung der alten hexsen[4] (wie die großhertzogin alß sagt), so zu St Cire[5] ist; die ist nun kranck auß boßheit, daß ihr ahnschlag so übel ahngangen. In meinem sin erzicht madame d’Orleans ihren sohn zu delicat. Aber ich will nichts dagegen rahten; den solte er kranck werden, würde man mir die schuldt geben. Es ist gewiß, daß diß kindt nun sehr tugendthafft undt raisonabel ist. Aber er ist noch in keine schlimme compagnie kommen; da wirdt erst die gefahr ahngehen; den die junge leütte hir seindt so verdorben mitt ihren sodomischen sünden, daß sie weder ahn gott, noch teüffel glauben undt es vor eine gentillesse halten. Ich habe starcke interuptionen in meinem schreiben heütte, den der safft purgirt mich, bin schon 5mahl gangen; ist schon halb 9, muß mich ahnziehen; den umb halb 10 muß ich in kirch, umb von dar … werde nur noch sagen, daß es gutt ist, aller menschen freündtschafft zu haben. Daß findt sich heütte oder morgen. Apropo, meine freündtschafft kan Eüch nicht fehlen; wir sindt einander zu nahe dazu. Seydt versichert, daß [ich] Eüch allezeit, liebe Louisse, von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. September 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 378–380
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0950.html
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