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Brief vom 20. Oktober 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


960.


[411]
St Clou den 20 8br 1718, umb 9 uhr morgendts (N. 20).
Hertzallerliebe Louise, ich habe mich heütte ein wenig verschlaffen, drumb schreibe ich Eüch so spät, werde doch auff zwey [412] von Eweren lieben schreiben antworten. Eines habe ich zu Paris entpfangen vergangen sontag, wie ich eben nach dem opera in kutsch steygen wolte, umb wieder her zu fahren; daß zweyte, so von Heydelberg datirt ist, habe ich gestern abendts entpfangen; aber, wofern Ihr recht geschrieben, so fehlt mir eines von Ewern schreiben, den daß von Franckfort ist von 4ten dießes monts, no 77, undt daß von Heydelberg ist vom no 79, vom 11ten, also müste mir eins vom no 78 fehlen. Ihr mögt Eüch aber auch woll verschrieben haben. Ich fange meine andtwordt ahn daß von Heydelberg ahn. Es ist mir durch[s] hertz gangen, wie ich geleßen, daß Ihr nun dort seydt; die threnen seindt mir drüber in den augen kommen. Ihr habt so viel liebes zu Heydelberg verlohren undt so viel verenderungen dort erlebt, daß es woll nicht zu verwundern ist, daß Eüch die ahnkunfft dort trawerig gemacht hatt. Ist die brück wieder gebawet? Ihr logirt ohne zweyff[el] ins Eberfritzen[1] hauß bey seiner wittib. Ahn welchem ort aber ist diß hauß gebawet? Oder logirt Ihr vielleicht in alten Landaß hauß auff den kleinen marck?[2] Wen es da were, hettet Ihr mitt dem monenschein[3] daß arme schloß woll sehen können. Nach meiner rechnung seydt Ihr, liebe Louisse, 13 stundt unterwegen unterwegen geweßen. Ich dachte nicht, daß Franckfort so gar nahe bey Heydelberg, weillen ichs in so viel tagreißen gethan. Habt habt Ihr zu Darmstatt oder zu Hepenheim zu mittag geßen? Eine witwe muß allezeit starcker werden; den daß frantzösche sprichwort sagt: Quand harang soret[4] devint veuff, l’année d’apres il fust carpe laictée.[5] Schrecken geben glitter-zittern[6] undt hertzpochen; raht ihr, eine jacinthe[7] zu tragen, daß sie auff die haut rührt, es seye ahm finger oder ahm halß. Ich habe 2 oder 3 von meinen leütten mitt courirt, 2 cammerweiber undt einen cammerdinner. Mich deücht, ich sehe Ewern weg von hir, werde[t] die gantze vorstatt durch fahren durchs Speyer-thor, last Kirchem undt Wiblingen auff die recht handt undt fahrt bey Offersheim undt Äpelle vorbey durchs kleine weltgen, hernach in Schwetzingen. Germersheim ist doch zimblich weit von Schwetzingen. Ich habe zweymahl dort geschlaffen, es seindt unerhört viel schnacken dor[t,] umb dort zu jagen. Die 2 churfürsten werden woll dort schlaffen, den [413] es were, deücht mir, zu weitt in dießer jahrszeit wider nach Schwetzingen zu kommen. Ich weiß nicht, ob meine brieffe nach Franckfort werden kommen sein, ich weiß aber woll, daß ich keine eintzige post verseümbt habe, noch verseümen werde, ahn Eüch zu schreiben, liebe Louise! Hiemitt ist Ewer letztes liebes brie[f]gen vollig beantworttet. Ich komme jetzt auff daß von Franckfort von 4ten, no 77. Mich deüeht, mein schreiben, daß Ihr von mir vor Ewer abreiß entpfangen, war frischer, alß ordinarie; den es ja nur 8 tag unterwegen geweßen, aber daß ich von Eüch von Heydelberg entpfangen, [habe] ich eher überkommen, ich will sagen geschwinder, alß daß von Franckfort, indem solches vom 4 biß 16 gereist Die fürstin von Ussingen muß ihre schwester, madame Dangeau, nicht gar lieb haben, so wenig empressement vor sie zu weißen, da sie doch woll ihr leben einander nicht widersehen werden. Solche indollentz gegen seine so gantz nahe verwanten kan ich nicht begreifen. Es ist kein wunder, daß mitt dießer indollentz alle ihre amitie gezwungen scheinen. Muß doch die warheit gestehen, alle gallante weiber seindt divertissanter, alß die tugendthafften; aber es ist ihnen auch weniger zu trawen, alß den ehrlichen. Die fürstin von Siegen muß pretendiren, daß, weillen sie kein mistere macht, mitt dem jungen Dörnberg umbzugehen, daß nichts übels zwischen ihnen beyden ist. Sie hatt auch gemeint, daß, wen sie eine 3te person, so nicht von ihren domestiquen were, zu sich nehme, würde man gedencken, daß gar nichts bößes geschehen könte, daß [heißt] man finesse coussi de fil blanc.[8] Alle coquetten meinen, daß ihre amants sie admiriren, undt ordinarie geht es auff ein außlachen auß; aber es ist eine schlimme gewohnheit mitt der coquetterie, die sich einmahl dran gewohnt haben, haben mühe, davon zu laßen. Die leütte, so doll durch einander reden, seindt ordinarie possirlich; aber, unter unß gerett, alle die Rheinfelsische haben all ein schuß. Heist der churfürst von Drier[9] Burghart? den in allen teütschen callendern finde ich dießen nahmen den 11 8br. Ich bin nicht [richtig,] glaube ich, ich such im 11 undt solte den 4ten sehen, da steht Frantz, daß wirdt es sein. Ich will in der durchleuchtigsten weldt[10] suchen; da hab [ich] gesucht, er heist just Frantz Ludwig. [414] Wen Ihr wider zu Franckfort sein werdet, so bitt ich Eüch, schickt mir eine neüe durchleüchtigste welt, liebe Louisse! den alle die, so ich habe, seindt schon gar alt. Ich habe woll gedacht, daß es unßern gutten, ehrlichen Pfältzern eine große freüde seindt[11] wirdt, ihren churfürsten in der Pfaltz zu haben. Der mahn,[12] der die artige meßer von allerhandt richendt holtz undt perlenmutter zu Manheim machte, war ein Anapaptist. Ich bin schir alle woch zu ihm gangen undt hab ihn arbeitten sehen. Sie wahren 4 brüder, ein schmitt, ein[e]r der meßer machte, einer der pott[13] machte; ich weiß nicht mehr, waß der 4te war; den die ich ahm meisten gesehen, wahren, der die pött machte undt der die wollrichende meßer machte, die andern zwey habe ich selten gesehen, aber wen es noch der ist, muß er erschreklich alt sein; den es war schon ein gestandener man, wie ich noch gantz ein kindt war, undt ich bin doch ja nun schon 66 undt ein halbes [jahr] alt. Seinen nahmen hatt ich nie gewust. Die Wiederteüffer seindt gutte, fromme leütte, aber nicht allezeit so geweßen, wie man auß ihren historien sicht; den sie haben doll vor dießem zu Münster gehaust. Von natur bin ich mehr lustig, alß trawerig; aber wen mich waß betrübt, geht es mir erschrecklich zu hertzen. Mein gott, berümbt Eüch nicht, lang ohne betrübtnuß zu sein, liebe Louisse! es bringt unglück. Gott davor zu dancken, ist gutt, aber man muß sonsten nichts davon sagen. Ich habe meine resolution gefast, ich will mich nicht vor der zeit ängstigen undt gott dem allmächtigen alleß, alles übergeben, er wirdts woll machen; insonderheit habe ich hoffnung, weillen meines sohns sach die gerechte ist. Daß der duc du Maine heimbliche pratiquen in Spanien hatt, daß ist nur zu wahr; aber daß er gelt hingeschickt hatt, glaube ich nicht. Er mögte den könig in Spanien gern hir haben, umb in fall, da gott vor seye, der junge konig mogt zu sterben kommen, meinen sohn [zu] verhindern, könig zu werden; den mein sohn, da werden sie nichts bey gewinnen. Aber aber hetten sie den könig in Spanien, der lest sich threben, wie man will; unter dem würden sie alle regiren, drumb seindt [sie] so verpicht undt verteüffelt auff dieße sach. Gott bewahre unß vor krieg! Daß wehre einen[14] von den grosten unglücken von der welt. Gott bewahre unß davor! Le Clair war nicht zu Paris, wie ich Ewer [415] paquet entpfangen, habe also Ewer brieff ahn monsieur Diberville[15] geben, undt wie ich her kommen, habe ich Le Clair gesagt, ahn monsieur Gueneaut zu schreiben, Ewern brieff bey monsieur Diberville abzuhollen, zweyffle also nicht, daß er ihn nun hatt. Seine niepce mitt sich zu führen, kan gar nicht ahngehen. Ich schicke Eüch hirmitt daß gelt vor die talckstücker, liebe Louisse, undt undt [danke] Eüch nochmahlen von hertzen davor. Ich schicke Eüch auch ein port-lettre,[16] liebe Louisse, damitt Ihr der nonen zu Bourge ihre arbeydt segt. Es ist eine abtißen, die ich gemacht habe, schickt mir also schonne arbeydt; nach dießen wirdt erst die foire de St Laurent[17] folgen. Daß porte-lettre kont Ihr vor meine brieffe brauchen. Ich kan nicht erdencken, wer die marquise de Breme sein mag. Man hatt keine alte Louis d’or mehr, alßo schicke ich Eüch 6 neüe. Solche unkosten kan ich gar woll außstehehen. Die pomade divine wirdt die andere woche kommen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleydt. Es ist mir lieb, daß Ewer rucken beßer ist. Ich bin dießen abendt recht leünisch, den ich den todt von einen gar ehrlichen man vernohmen undt ein anderer ligt auff den todt. Der gestorben, ist der marechal d’Harcour;[18] der aber so gar kranck ist, daß ist der marechalle de Clerembeau[19] ihr bruder, der marquis de Chavignie.[20] Er ist 80 jahr alt, also wenig hoffnung, daß er davon kan kommen. Gestern hatt madame la duchesse de Berry hir mitt mir zu mittag geßen. Ich schicke Eüch auff einem blättgen, wie wir ahn taffel geseßen sein. Adieu, liebe Louisse! Dieße espistel ist auch lang genung. Aber da kompt die [416] Reine l’incognue, springt auff mein papir, wie Ihr segt[21] undt löscht mir ein par worter auß. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
Disné de St Clou ce 19 de octobre 1718, tour de la table:[22]
Madame la duchesse de Berry.
Madame la grand duchesse.
Madame de Mouchy.
Madame de Chasteautier.[23]
Marquise d’Aluye.[24]
Madame de Ratzamshaussen.
Mademoiselle de Liniere.[25]
Madame de Brassac.
Madame de Pont,[26]
Madame la marechalle de Clerembeault.
Mademoiselle de Vallois.
Moy.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Oktober 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 411–416
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0960.html
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