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Brief vom 13. November 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


967.


[435]
St Clou, sontag, den 13 9br 1718, umb 7 uhr morgendts (N. 28).
Hertzallerliebe Louise, es ist heütte ein verdrießlicher tag vor mich; den man wirdt mich umb 9 uhr zur ader laßen auß precaution, weillen es über 6 mont ist, daß ich nicht gelaßen habe, undt aderlaßen undt medeciniren haße ich abscheüllich; aber man thut es, weillen meine schenckel wider ahnfangen, zu gesehwellen. Aber dieß alles soll nicht verhindern, daß ich mein versprechen halte, keine post zu verseümen, werde noch woll zeit haben, auff Ewer liebes schreiben von 31 8br, no 84, zu antwortten. Ich weiß nicht, durch welche avanture ich 7 Louis vor 6 in daß porte-lettre gethan; zwey müßen sich zusamengeklebt haben. Jedoch in zahlen ist es weniger irthum, mehr, alß weniger, zu finden. Eine Louis d’or wider zu schicken, wer der mühe nicht werdt geweßen. Ich habe deß jahrs sehr viel porte-lettre, so mir von den clostern geben werden; wen Eüch die gefahlen, kan ich Eüch davon alle jahr ein par schicken. Mich deücht, es ist gemachlich, differenten papiren drin zu thun. Ich glaube, daß daß porte-lettre, so ich Eüch geschickt habe, gewürckt ist. Es ist eine erbarmbliche sache, blindt zu werden; wolte lieber todt sein, alß blindt. Meine augen seindt bey weittem nicht so gutt, alß sie geweßen sein; allein ich habe doch zum leßen, noch schreiben keinen brill von nohten undt sehe noch so woll von weittem, alß von nahe. Wie lang es wehren wirdt, mag gott wißen. Ein gutter occulist, so nun todt, aber der konigin von Sicillien boße augen courirt hatt, wie sie noch ein kindt, hatt mir gesagt, ich solle mich, wen ich ahnfangen würde, einigen unterschiedt ahn meine augen zu spüren, mich nie weder [436] brill, noch conserven[1] gebrauchen, sondern gedult haben, daß gesicht würde wiederkommen. Dießen raht folge ich undt befinde mich woll dabey, sehe nun beßer, alß vor 10 jahren. Die tage seindt nun kurtz, verlangt mich, zu vernehmen, daß Ihr wider woll undt glücklich mogt zu Franckfort ahnkommen sein. Fahren macht, wie mich deücht, nicht müde, man habe den kutschen ohne ressort,[2] wie ich hoffe, daß Ihr nicht habt. Der weg nach Schwetzingen ist ja eben, wie dieße kamer, nicht einmahl ein hügel zu finden. Daß wetter hir ist nebellicht, aber nicht kalt. Zu meiner zeit hatt man den Heydelberger berg auch nicht gescheüet. Alles endert in der weldt, wirdt aber leyder nicht beßer. Es ist mir leydt, liebe Louise, daß Ihr ohne gelt wider weg geschickt werdt. Ihr habt den ruff, liebe Louise, allezeit alles weg zu geben, waß Ihr habt, undt daß Ihr lieber selber leydt, alß nicht zu spendiren. Daß ist doch ein großer trost, überall woll ahngesehen undt lieb zu sein. Den St Huberts-tag muß man jagen. Dießer tag hatt mich vor dießem hertzlich erfreyet, nun feyere ich ihn nicht mehr mitt jagen, habe der jagt; auch in caleschen, gantz abgesagt, frage nichts mehr darnach, alß wen ich mein leben nicht gejagt,[3] habe doch dieß handtwerck 40 jahr lang geführt 2 mahl die woch, auch offt mehr. Aber so gehts; nichts ist bestandig in der welt. Nichts ist verdrießlicher, alß die interuptionen, wen man zu schreiben hatt; mich machts recht ungeduldig. Ich bitte, schickt mir die allerneüeste durchleüchtigste welt undt auch ein callendergen wie vorm jahr, wo alle gebuhrten in stehen! Daß nehm ich zum geschenck ahn; aber die durchleüchtigste welt müst Ihr mir schreiben, waß sie kost, die will ich bezahlen. Dem dumherren Veningen habe durch seine tante Lenor den brieff geschickt. Ich thue gern gefallen, liebe Louisse, wo ich kan. Alle der fraw von Rotzenhaussen brieff schickt man mir; ihr würdt es viel kosten undt mir kost es gar nichts, den [ich] bezahle kein postgelt, habe die post frey wegen meines rangs. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, will mein paquet erst dießen abendt machen undt Eüch nur mitt zwey wortten sagen, wie ich mich von mein[e]r aderläß befinde. Bißher haben wir gantz undt gar nichts neües, werde also nur mitt dem [437] alten schließen, nehmblich daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte, so lang ich lebe.
Sontag, umb halb 7 abendts.
Mein aderläß ist woll abgangen, aber mein bludt hatt ein wenig mühe gehabt, sich zu stillen. Wie ich umb 4 in der kirch war, ist mir mein bludt ahngangen. Man hatt den balbirer nicht gleich gefunden, habe woll noch 2 gutte balletten verlohren; daß macht mich erschrecklich matt, werde mich beßer vorsehen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. November 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 435–437
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0967.html
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Tintenfass