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Brief vom 27. November 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


971.


[447]
Paris den 27 9br 1718, umb 3 viertel auff 7 morgendts (N. 32).
Hertzallerliebe Louisse, seyder gestern nachmittag seindt wir wieder in dem verdrießlichen undt trawerigen Paris, alwo ich Ewer liebes schreiben vom vom 15, no 90, zu recht entpfangen habe. Will gleich drauff andtwordten, weillen es kleiner, alß daß ist, so ich zu St Clou entpfangen habe, undt ich donnerstag mehr zeit zu schreiben habe, alß sontags; den selbigen tag hab ich nur die teütsche post, aber deß sontags habe ich auch die post von Lotteringen undt hir zu Paris mogte ich gern den morgen außschreiben, den den nachmittags bin ich accablirt von leütten. Gestern hatt ich kaum der zeit, meine Sachen außzupacken laßen undt in ordre zu setzen. Umb ruhe zu haben, ging ich in die ittalliensche commedie, so nicht weitter von meiner garderobe hir ist, alß zu Heydelberg der gläßerne sahl von mein[e]r pressentz, es ist noch näher. Ich war so müde von viellen reden undt treplen, daß ich in der commedie entschlieff, schlieff aber doch nicht lang. Gleich nach der comedie zog ich mich auß, that mein abendtsgebett undt ging ohne eßen zu bett, wahr umb 3 viertel auff 10 in mein bett; ich konte also woll umb 6 wider auffstehen. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Die generalmajorin Delaroche, ist die nicht eine Delaroche fraw, so ich oberst zu Friderichsburg gesehen undt ein soldat de fortune war undt trompetter geweßen war, ein großer, dicker, starcker man, so mitt dicken backen, voll gesicht, schwartze haar? Von golt-machen halte ich eben so wenig alß Ihr, liebe Louise! Eine baß von monsieur Dangeau, so in dem closter von St Mandé pensionaire ist, hatt mir 2 oder 3 brieff geschrieben, will mir mitt aller gewalt la piere philosophale[1] lehrnen; ich habe ihr aber geantwortet, ich wehre zu alt, umb nach reichtumb zu trachten, undt zu ungeschikt, umb nun eine so große kunst zu lernen, worüber sie sehr erzürnt ist. Sie ist reformirt geweßen, sie war an Port-Royal; wie ich allezeit hinging, umb madame de Beuveron[2] zu sehen, da habe ich sie kennen lehrnen. [448] Mich deücht, es ist nicht recht mitt ihrem hirnkasten bestelt. Mitt dießer kunst werde ich nicht attrapirt werden; ich gebe keinen heller drumb. Es scheindt woll, liebe Louise, daß Ihr nie reich geweßen undt nicht wist, waß reichtum ist, daß Ihr meint, reich geworden zu sein mitt zwey schachtelger. Wen Eüch nur die pomade woll bekompt! Der groste reichtumb ist eine gutte gesundtheit. Es freüdt mich aber recht von hertzen, daß die bagatellen, so ich Eüch mitt der pomade divine geschickt, Eüch so ahngenehm ist geweßen; es ist eine lust, denen waß zu geben, so es erfreüen kan. Meine enckelen bir, man mag ihnen geben, waß man will, nichts erfreüet sie. Es ist gewiß, daß man nirgendts so woll in golt arbeydt, alß zu Paris. Ich war Eüch zwey schachteln schuldig; erstlich so hab ich Eüch ja eine vor alle alle jahr versprochen undt zum andern so hatte ich Eüch noch nicht die St Clouer kirbe geschickt, so Ihr schon im 7br hetten haben sollen. Wen ich keine andere generosität habe, liebe Louise, alß ein par schächtelger ahn die personen zu geben, so ich lieb habe, so wirdt gewiß meine generositét kein groß lob erwerben. Die groste danckbarkeit, liebe Louisse, so ich von Eüch begehre, ist, waß Ihr thut, nehmblich daß Ihr ein wenig freüde ahn die bagatellen habt undt daß es nach dem frantzöschen Sprichwort geht: Les petit pressent entretienent l’amitié undt Ihr sehen möget, daß ich fleißig ahn Eüch gedenke undt lieb habe, wie ichs schuldig bin undt auch von hertzen thue. Vor meinen beüttel habt keine sorg! ich werde keine schulden hinterlaßen, habe auch nicht von nöhten, zu samblen. Meine kinder seindt versorgt, also ist es ja billig, daß ich mitt meinem spielgelt mache, waß mir ahm liebsten ist; so sagen[3] gehen nicht auff mein hauß, sondern nur auff mein monatlich spielgelt. Ich spielle mein leben nicht, alß im hoca, wo ich auffs högst 5 oder 6 Louis d’or verspiellen kan; dazu geschicht es nicht offt. Also segt Ihr woll, liebe Louisse, daß ich, ohne meinen beüttel zu incommodiren, mehr, alß ein golten schachtelgen, deß jahrs kauffen kan. Also macht Eüch keine sorgen hirüber! Ich habe gar keinen interessirten geist, ich vor mich selber frag nach nichts; wen ich nur habe, waß mir absolute nöhtig ist, bin ich schon zufrieden. Die tapattiere ist nagelneü, ich habe sie nicht gehabt, finde es zu schwer, [449] im sack zu tragen, undt ich nehme mein leben kein tapack, haße ihn abscheülich.[4] Ich bin in nichts a la mode, ich nehme auch weder caffè, thé, noch chocolat.[5] Wen nur ein schachtelgen in Ewer cabinet zu setzen ist, wirdt es baldt rangirt undt auffgereümbt sein undt nicht viel mühe kosten, undt wen Ihr nichts schöners in Ewerm cabinet von weißem lack habt, alß waß von mir, rahte ich Eüch, liebe Louisse, nicht, solches frembten zu weißen. Alle menschen werden fauller, alß man vor dießem geweßen, undt es ist nicht desto beßer; den mich deücht, man hatt gesundter vor dießem gelebt, alß nun. Wir wißen nun hir, daß es eine falsche zeittung geweßen, daß der printz Eugenius ahn gifft gestorben seye,[6] undt, wie man zu Paris von einer extremitet zur andern geht, sagt man nun, daß er herkommen wolle, seiner niepce, so herkommen ist, umb eine none zu werden, einen man zu schaffen. Wo mir recht ist, hieß der bau, wo erst die capel, hernach I. G. s. unßers herrn vatter apartement, hernach daß meine im 3ten stockwerck ist, zu meiner zeit der Ruprechtsbau hieße, aber daß man den englischen bau auch etlichmahl den Friderichsbau geheißen … Wo logirt den die printzes von Sultzbach, wen man daß frawenzimmer auß meinem apartement gemacht hatt? Den nahmen von Wickenelhaussen hab ich mein leben nicht gehört. Der nahmen von Schoesberg ist mir auch nicht bekandt, aber woll der von Hatzfelt. Daß weiß ich woll, daß es ein gutt geschlegt ist. Mich verlangt recht nach dem abriß von Schwetzingen. Es muß nicht mehr in der Pfaltz sein, wie zu unßern zeitten; da hette man einen solchen abriß in 24 stunden gehabt undt bekommen können. Man folgt gewiß dort jetzt die ostereichsche langsamkeit in alles. Wen Ihr mir den 4ten tome von der durchleüchtigsten welt schicken werdet, so schreibt mir auch dabey, waß es kost! Dieß buch ist just daßjenige, so ich begehrt; dancke Eüch sehr vor die mühe, so Ihr davor genohmen habt. Hiemitt ist Ewer liebes letztes schreiben vollig beantwort. Ich werde jetzt ahn mein dochter schreiben, nachdem ich Eüch versichert, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. November 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 447–449
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0971.html
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