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Brief vom 1. Dezember 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


972.


[450]
Paris den 1 December 1718, umb 8 abendts (N. 33).
Hertzallerliebe Louise, ich habe schon einen brieff ahn die königin von Preüssen geschrieben durch den jungen Rottenburg, so wider hingeschickt wirdt. Nun will ich Eüch, lieb Louise, entreteniren, biß ich mich ahnthun werde, undt dießen abendt wider, wen ich wider von meiner vissitte von der großhertzogin werde kommen sein, hoffe also, daß mein brieff eine raisonable taille bekommen wirdt. Gestern, wie ich auß der neüen commedie kam, welche, par parantaise, gar schön ist,[1] da fundt ich auff meiner taffel 2 paquetten von Eüch, liebe Louise, 2 tomen von der durchleüchtigsten welt, wie auch den abriß von dem fest von S[ch]wetzingen. Ewer liebe schreiben seindt vom 19 undt 22 verwichenen mont; dancke sehr vor alles undt fange meine antwort bey dem frischten ahn. Ich habe vergeßen, zu sagen, daß die schiffer gar recht undt von no 91 undt 92 sein, sehe auß den Ewerigen, liebe Louisse, daß die [451] meinige auch gar richtig gehen. Monsieur Teray pretendirt, daß ich zu viel bludt mache, will mich also alle jahr 2 mahl laßen, im frühling undt im herbst, daß mir sonst die schlaffsucht wider ahnkommen wirdt. Es ist ihm auch nicht leydt, daß ich mehr bludt verlohren, sagt, daß, weillen daß geblüdt so mitt macht herauß gebrodelt hatt, wie eine quelle, so were es ein zeichen geweßen, daß ich noch zu viel bludt hatte undt daß sich die natur selber geholfen hatt. Es ist kein wunder, daß ich nicht habe glauben können, daß mein arm zwischen 4 undt 5 ahngehen könte; den ordinarie ist mein ader nach 4 stunden zu, alß wen ich nicht ader gelaßen hette. Daß hatt mich betrogen; in kirch gehen war auch nichts schweres; den die tribune helt daß eck zwischer meiner cammer undt cabinet, gehe also nicht auß meinem apartement. Der balbirer war auch nicht weit, sondern in meiner cammer. Aber, wie schon gesagt, so ist mein bludt mitt solcher macht herauß gequelt,[2] daß, wie ich geschelt undt man den balbirer geruffen, in einem augenblick mein ermel, mein kleyd, le prié-dieu,[3] so von ce[de]rnholtz, alles voller bludt gestanden. Es hatt kaum ein vatter-unßer lang gewehrt. Man sagt, es seye ein zeichen von gutter gesundtheit; auch war ich gar nicht kranck, wie man mir zur ader gelaßen. Ich bin aber persuadirt, daß alles daß bludt, so von mir gangen, zu viel serositét auff mein geblüdt gesetzt undt daß mir der abscheüliche husten undt schnupen, so ich zu St Clou gehabt, davon kommen ist. Daß ist nun auch, gott lob, gantz vorbey. Monsieur Teray sagt, umb alles übel gantz außzuführen, so noch von schleim, vom husten bey mir mag geblieben sein, so will er mir etliche tagen von dem kreßen-chicore[4] undt körbel-safft geben. Daß purgirt sehr sanfft, nur 4, 5, oder auffs höchst secksmahl ohne die geringste … Ich thue einen trunk umb 7 undt umb 10 ist alles zum endt. Es ist sehr unahngenehm zu schlucken, aber sonst hatt es nichts schlimes. Mein husten hatt mich nicht verstärckt, wie leicht zu glauben ist, habe mühe, in kutsch zu steygen. Dancke Eüch sehr, liebe Louise, vor alle gutte wünsche, so Ihr zu meiner gesundt[heit thut;] die, hoffe ich, werden mir auch glück zu meinem safft bringen, so ich morgen ahnfangen werde. Last Eüch nun keine sorgen ahnkommen! Bei einem alten weib, wie ich bin, können sich die kräfften nicht [452] so baldt wider ersetzen; aber nun ich gantz woll wider bin, woll eße, woll schlaffe, wirdt es mitt der zeit wider kommen. Ich zartle[5] mich nicht, undt hette ich Eüch nicht selben tag geschrieben undt wie es hette geschehen können, daß Ihr es durch andere hettet erfahren können, waß mir begegnet, hettet[6] es Eüch gewiß in sorgen gesetzt, darumb habe ichs Eüch lieber selber sowoll, alß auch ahn mein dochter sagen wollen; den ich bin sehr persuadirt, daß Ihr mich beyde recht lieb habt, wie ich Eüch auch habe. Drumb habe es Eüch selber geschrieben, welches ich auch allezeit thun werde, so lang es mir möglich wirdt sein. Also seydt in keinen sorgen! So offt man mir zur ader lest, bin ich allezeit 3 wochen schwach undt matt; nun aber der husten hernach kommen, so mich ahn eßen undt schlaffen gehindert, daß hatt mich noch schwacher gemacht. Aber daß wirdt schon wider komen, nur gedult! Es ist eine zeit undt just in dem alter, wo Ihr nun seydt, da das gesicht abnimbt. Aber wen man gedult hatt undt keine brill nimbt, kompt daß gesicht wider; ich weiß es durch mein eygene experientz undt daß andere, so sich ahn brillen gewohnt, jetzt nicht ohne brillen [weder] leßen, noch schreiben könne[n.] Ich thue beydes, gott lob, ohne brill, will auch keine nehmen, so lang es mir möglich sein wirdt. Es ist beßer, eine kurtze zeit mitt mühe zu sehen, alß all sein leben mitt einer brill. Angstiget Eüch nicht! Ihr werdet, ob gott will, nun Ihr noch scharpff secht, nicht blindt werden. Hüttet Eüch, so viel möglich sein kan, vor weinen! den daß ist den augen abscheülich schädtlich. [Nichts] ist mir gemeiner, alß porte-lettren von allerhandt art. Ich habe hir gantz[e] Schubladen voll davon, den man gibt mir sie alle jahr dutzendtweiß. Ich schicke Eüch hirbey ein ander façon zur dancksagung vor die durchleüchtigste welt. Aber ich mögte doch gern wißen, waß sie kost: Ich habe noch der zeit nicht gehabt, es zu besehen; den, wie schon gesagt, ich habe es gestern erst auff meinem tisch gefunden nach der commedie undt Ihr könt woll gedencken, daß ich eher Ewer liebe schreiben geleßen, alß die durchleüchtigste welt. Aber waß ich doch im ahnfang drin gesehen, ist. daß es nur auff 1710 geht. Daß kallendergen ist sehr amussant, dint zur conversation, wen man über fürsten-alter disputtirt. Wie? lest der churfürst den weg von Heydelberg nach Schwetzingen nicht [453] zu recht machen? Ein par bauern von Epellen undt Schwetzingen undt Offtersheim dorfften ja nur schauffeln nehmen undt die auffgeworffene … in die weggeleißen werffen, so were der weg in 2 stunden wider gutt fahren. Waß Ihr ein schwimmerle heist, liebe Louisse, daß heist man hir une Berline; ich kan sie nicht leyden. Alle die grösten kutschen seindt ja nun sanfft undt gemachlich mitt den eyßern ressort, so man dran macht. Es ist Eüch mitt Ewerer kutsch undt chaisse gangen, wie mir mitt meinem peltz undt zobel; wie man es hatt besehen wollen, war es voller motten. Aber wie daß sprichwordt sagt: A quelque chose malheur est bon; den es hatt mich sehr divert[iert,] den ich habe die wurm in mycroscopen gethan. Man macht die mycroscopen hir all artlich, amussirt mi[c]h; ich habe deren auff allerhandt art. Ewere leütte, so in Ewerm hauß zu Franckfort geblieben, hetten Ewere kutsch undt chaissen woll alle woch ein par mahl außklopffen können, so wehren sie nicht mottenfreßig gewortten. Hettet Ihr meinen raht gefolgt, so hettet Ihr die englische [reise] nicht gethan; den graff Degenfelt war ja groß genung, sich selber zu verheürahten, wen er lust dazu hatte, insonderheit weillen er sich so woll bey seinem schwiger herr vatter hatt insinuiren können. Aber man hatt mich schon zweymahl interompirt undt nun muß ich mich ahnziehen. Adieu biß auff dießen abendt, liebe Louise!
Donnerstag, den 1 December, umb ein viertel auff 6 abendts.
Da komme ich wieder von meiner vissitte. Es ist eine gutte halbe stundt von hir a la Place-Royale, wo die großhertzogin nun wohnt; also eine halbe stundt hin, eine halbe stundt her undt eine stundt bey der großhertzogin, daß macht just meine zwey stundt, daß ich außgeweßen bin. Komme jetzt wieder auff Ewer liebes schreiben. Mein gott, liebe Louisse, es ist etwaß gar rares, leütte mehr, alß ein jahr, geheüraht zu sehen undt vergnügt. Es ist ein abscheüllicher kauff; hir ist daß sprichwort, daß, wan ein man undt fraw ein jahr geheüraht sein undt beyde schwehr[e]n können, daß weder eines, noch daß ander kein augenblick reüe gehabt, im gantzen jahr weder eins, noch daß ander, so können sie deß ertzbischoffs wingert[7] fordern. Aber bißher hatt man noch niemandts gefunden, [454] so es mitt gutten gewißen hatt fordern können. Ich fürchte, Ewere niepcen undt ihre mäner werden es auch nicht fordern dörffen. Mich deüeht, gern zu geben, ist gar naturlich; ich gebe lieber, alß daß ich pressenten entpfange; den es ist ahngenehmer, daß man einem danckt, alß daß man dancken muß. Wen man thut, waß man kan, mehr ist man nicht schultig undt kan man nicht mehr von einem fordern. Leütte gern zu helffen undt nicht können, macht unerhört gritlich; es geht mir offt so. Daß memoire, so ich Eüch vor deß baron Görtz vetter gefordert, liebe Louise, war, umb mein sohn nicht zu vergeßen machen, waß er versprochen; den Ihr kont woll gedencken, liebe Louise, daß er viel sachen im kopff undt eher die bebelt, so er kendt, alß die er nicht kendt; aber wen man die memoiren verneüert., so lest er sichs vortragen undt so werden die sachen außgemacht, undt wen keine memoiren vorhanden, werden sie offt vergeßen. Derohalben schickt mir noch eins! Ich sehen meinen sohn offter, aber weniger alß zu [St Cloud;] daß ist undt laut, alß wens ein contrediction wehre, undt ist doch gar war undt Ihr werdt es gleich begreiffen. Wen mein sohn nach St Clou kompt, bleibt er ein par stundt dort undt offt anderthalb stundt in mein cabinet; da kan ich von alles mitt ihm reden; aber hir kompt er mitt hundert leütten in mein cammer, bleibt kein viertelstundt. Da segt Ihr, daß ich recht habe, zu sagen, daß ich mein sohn offter undt weniger hir sehe, alß zu St Clou. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben von 22 vollig beantwortten; daß vom 19 werde ich vor die sontagspost sparen, komme jetzt aber auff daß vom 12, no 89, so ich noch bißher … Es muß unßer destin sein, allezeit zu schreiben haben; den es geht kein tag in der gantzen woch vorbey, daß ich nicht zu schreiben habe undt offt zwey ordinarie in einem tag, wie ich Eüch schon einmahl verzehlt habe. Ich höre gern, wen Ihr Eüch ein wenig verenderung gebt, den daß ist gesundt. Nimbt man die fette gänß bey den Juden zu Franckfort? Die können sie ahm fettsten machen. Eine gutte, fette ganße-leber ist kein schlim eßen; aber waß ich noch lieber eße, ist braunen köhl mitt speck undt dör fleisch. Alleweill spilt man dar nicht cinquille,[8] sondern quadrille, welches von derselben gattung ist. Mein gott, liebe Louise, Ihr müst eine große gedult [haben,] mein [455] alberes gekritzel mehr, alß einmahl, zu überleßen können. Die winde seindt sehr contrarie gewest. Die printzes von Wallis ist auch zwey posten geweßen, ohne von meinen schreiben zu entpfangen. Wen man die ursachen sicht, warumb die posten nicht ahnkommen, kan man woll in ruhen sein. Weillen Ewer jüngste niepce, die gräffin von Degenfelt, auff eine andere ahrt schwanger ist, alß daß erste mahl, ist zu hoffen, daß es ein sohn geben wirdt. Tendre, wie Ihr vor die Ewerigen seydt, liebe Louise, so bin ich fro, daß Ihr nicht bey Ewerer niepce kindtbett sein könt; es würde Eüch zu viel betrüben, sie leyden zu sehen. Ich fange auch ahn, nichts ahngenehmers zu finden, alß ein ruhig leben. Ich finde daß fest von Schwetzingen all artlich. Es ist allezeit etwaß verdrießliches, wo so viel leütte beysamen sein. Ihr habt mir einen rechten gefahlen gethan, daß fest zu beschreiben; da habe ich die lust darvon gehabt undt nicht die mühe, noch den schrecken. Ich hatte gehofft, Ewer liebes schreiben vom 12 gantz zu beantworten. Aber da kompt monsieur Terest undt treibt mich, ein wenig waß zu eßen undt hernach schlaffen zu gehen; muß alßo wider willen enden, doch noch sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Dezember 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 450–455
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0972.html
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Tintenfass