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Brief vom 3. Dezember 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


973.


[455]
Paris den 3 Xbr 1718, umb 7 abendt (N. 34).
Hertzallerliebe Louise, ich habe den gantzen tag vissitten gethan; erstlich bin ich au Luxemburg zu madame la duchesse de Berry gefahren, von dar zu madame la princesse undt von dar zu madame la duchesse, von dar wieder her, wo gar viel leütte kommen sein, die mich lang auffgehalten haben, wie auch meine enckel. Die 2 gar kleine, die, so ich ahm liebsten habe, habe ich mitt einem schraubthaller amussirt undt hernach den thaller geschenckt; ich habe große freüde mitt gemacht. Die kleine Dangeau hatt auch einen bekommen undt noch ein ander gar artig kindt hatt den 3 bekommen. Bitte also, liebe Louise, schickt mir doch andere wieder! den ich habe keine mehr undt die reussiren gar woll hir. Ich habe noch ein par stundt, ehe ich mein klein nachteßen thun werdt, kan die zeit nicht beßer ahnwenden, alß Eüch zu [456] entreteniren, liebe Louisse! den morgen muß ich mehr, alß einen, brieff in Lotteringen schreiben undt deß morgendts bin ich ein wenig ambarassirt; den seyder heütte morgen habe ich meinen grünen safft wider ahngefangen, welches ein schlecht frühstück ist. Ich bin recht matt davon, es hatt mich 6 große mahl purgirt undt einmahl, da ich vorher bin gangen, daß macht 7. Ich war noch nicht recht bey kräfften wegen meines verlohrnen bludts undt den abscheüllichen husten, so ich gehabt habe, also leicht auffs neüe wieder matt bin. Aber da kompt mein sohn herein, muß also eine pausse machen. Mein sohn ist nur gekommen, mir gutte nacht zu sagen; ich bin aber sonst auch so interompirt worden, daß ich woll heütte nicht viel außrichten werde; den in einer viertelstundt werde ich etwaß eßen, so mir den magen sehr beschwehren [wird.] Ihr werdet meinen, es seye ein welscher han, oder eine pastet. Nein, es ist ein eintziges ortolan,[1] dabey werde ich einen drunck thun, ein par blatter rode rüben eßen, ein viertel von einem apffel undt dan nach bett undt morgen werde ich, ob gott will, umb 6 auffstehen undt Eüch ferner entreteniren.
Paris, sontag, den 4 December, umb 7 morgendts.
Nachdem ich mein morgendtsgebett verricht, komme ich jetzt wieder, Eüch zu entreteniren. Ich habe auff Ewer gesundtheit einen wüsten drunck gethan, meinen graßgrünen safft. Es ist gar bitter zu schlucken, ich schauder allemahl, wen ich es nehme; den es schmeckt bitter übel. Aber nehme ich es nicht, würde man mich zu sehr plagen, weillen man persuadirt [ist,] daß es mir woll bekompt. Es war 2 monat, [daß] ich keinen safft genohmen hatte, undt monsieur Teray, mein docktor, ist persuadirt, daß mein starcker husten mir davon kommen war, daß ich so lang geweßen, ohne den safft zu brauchen. Aber hiemitt genung von dießer wüsterey gesprochen! Ich komme auff Ewer liebes schreiben, wo ich gestern abendts geblieben war. Aber mein safft treibt mich schon fort, nur noch sagen, daß ich finde, daß, weillen Churpfaltz nicht heürahten will, noch kan, daß er woll thut, nicht nach Darmstatt zu reißen, den man die leütte nicht vergebliche hoffnung geben solle. Freylich weiß ich nun woll, wo der schonburgische platz ist. Jungfer [457] Eltz von Quaadt ist meines brudern undt meine erste hoffmeisterin geweßen; sie war schon gar alt, wolte mir einsmahl die ruhte geben, den in meiner kindtheit war ich ein wenig muhtwillig. Wie sie mich weg tragen wolte, zapelte ich so starck undt gab ihr so viel schläg in ihre alte b[e]in mitt meinen jungen füßen, daß sie mitt mir dort nauß fiel, undt hette sich schir zu todt gefallen, wolte derowegen nicht mehr bey mir sein; also gab man mir jungfer von Offen[2] zur hoffmeisterin, die man Ufflen hieß undt zu Hannover monsieur Harling geheüraht. Wie aber mein bruder zu den manßleütten kommen, hatt sich jungfer Quaadt in ihr hauß zu [i]hrer schwester, jungfer Marie, undt noch 2 alten jungfern, so ihre baßen wahren, in ihr hauß retirirt in der vorstadt gegenüber den herrngartten, wo man mein bruder s. undt mich offt hingeführt, dieße alte damen zu besuchen. Jungfer Marie war unßer lieben churfürstin hoffmeisterin geweßen. Hirauß segt Ihr woll, liebe Louisse, daß ich den schonburgischen hoff gar woll gekandt habe. Dieße alte jungfern wahren noch nicht todt, wie Ihr gebohren seydt, aber Ihr habt sie nie gesehen. Sie seindt alle 4 erschrecklich alt worden, sie hilten ihr hauß sehr proper undt sauber, ihr tischzeüg war wie in Hollandt, sie hatten auch viel porcelainen; so damahlen waß rares wahren. Auß dießem allem secht Ihr woll, daß ich die jungfern von Quadt gar woll gekendt haben. Ich finde den platz unerhört thewer; wens hauß noch stündt, were es eine sach; den es war all artlich undt hatte ein garttgen mitt springbrunen; aber den vorplatz vor ein dorff zu verkauff[en,] were ein gar ein thewerer kauff vor I. L. dem churfürsten, glaube nicht, daß er es thun wirdt. Hatt sich der elste graff von Schonburg nicht mißheüraht undt eine singerin geheüraht? Ich erinere mich noch, sie zu Heydelberg gesehen zu haben. Sie ware heßlich undt unerhört affectirt, ein abscheülich groß maul, sehr mager, hatte auch keine sonderliche gutte stim. Der alte mar[s]chalck, sein herr vatter, hatt sie sein leben weder sehen, noch vor seine[s] sohns gemahlin erkennen wollen; weiß nicht, ob sie nun davor passirt. I. G. s. der churfürst, unßer her her vatter, hatt sie auch, nicht vor gräffin Schomberg erkandt, sondern nur alß eine singerin kommen laßen. Ob dießer heüraht gebrochen worden undt der elste graff sich wider heüraht, oder nicht, [458] kan ich nicht wißen, noch von wem die dochter ist. Ich habe eine confusse idée von dem herrn Risman, glaube, daß ich ihn woll wider kenen würde, wen ich ihn sehen solte. Wen Ihr ihn wider sehen soltet, oder ahn ihm schreiben, so danckt ihn doch vor sein compliment undt grüst ihn wieder von meinetwegen! Den commissary Schmahl glaube ich nicht, daß ich gekendt habe. Deß Otto nahmen erinere ich mich noch woll, er hatt kein schön hauß; den den Bettendorfs hauß war nicht schön. Bey bößen leütten, wie der Louvois war, ist alles laster undt boßheit a la mode. Es ist gemein genung hir im landt. Der Louvois, die Montespan, die noch alte lebende zott,[3] so die großhertzogin alß die alten hexsen heist, kan die kunst auch meysterlich. Die 3 haben der Brinvillie[4] kunst fortgeführt. Gott gebe, daß es dabey bleiben mag! Ahm berlinischen hoff ist die moden doch auch geweßen; den der churfürst undt sein herr bruder vergifft geworden sein; der jüngste starb dran, undt alß er geöffnet wurde, fandt man demantenpulver in seinem eingeweydt. Wir haben hir im landt noch kein wintter gespürt; es ist warmer, alß im frühling. Gestern war es acht tag, daß ich wider in dießer trawerigen statt bin, leyder, undt dieß ist schon der tritte brieff, so ich Eüch von Paris schreibe. Seyder 3 tagen hatt sich erst der regen hir eingefunden. Hir kan ich keine gesundtheit drincken; den ich fast allezeit gantz allein. Daß ich Ewere gesundtheit gedrunken, kan Eüch, liebe Louise, nicht stolz machen, den da ist nichts besunders ahn. Hiemitt ist Ewer großer[5] schreiben vom 12, no 89, vollig beantwortet. Ich komme jetz[t] auff daß vom 19 9br, no 91. Heütte zweyffle ich nicht, noch eines von Eüch zu bekommen; daß werde ich vor donnerstag sparen, Eüch aber doch noch nachricht geben, wen ich es entpfangen werde haben. Es ist nichts weytters von den chiffern zu sagen, den alles ist nun wider ersetzt. Ihr habt vergeßen, mir in Ewern brieffen von Heyde[l]berg zu sagen, daß Ihr Ewer register zu Franckreich[6] gelaßen. Es stundt nichts darvon drin, oder er[7] müste eins verlohren gangen sein, welches ich doch nicht gespürt. Daß seindt keine fehler, wovor man umb verzeyung zu bitten hatt; ich hette [459] Eüch auch nicht davon gesprochen, wen ich nicht gemeint, daß es nöhtig wer, umb Eüch in die schiffer wider einzurichten. Man ist hir sehr vorwitzig auff meine brieffe undt man mögte woll gern etwaß drin finden, so mich mitt meinem sohn brouillirn könte. Aber da bin ich in gantz keinen sorgen woll undt mogen die naßweißer[8] curieussen woll hirmitt wißen, daß ich sie gar nicht förchte undt daß mein sohn undt ich, gott lob, so woll mitt einander stehen, daß wir sie nur außlachen undt ihre mühe umbsonst ist;[9] daß heist advis au lecteur. Die große mademoiselle d’Orleans that monsieur de Louvois einen artlichen possen. Er hatt ihr ein groß paquet auffgemacht, so von St Fargeau kame; da hatten ihr gens d’affaire sie gebetten, eine sach zu desidiren, so zimblich schwer war. Mad[e-]moisselle, nachdem sie geantwortet, setzt sie dazu: Monsieur de Louvois ayant ouvert mon paquet sera peustestre encore curieux dans savoir la responce, mais comme elle est asses difficile a faire et qu’il est fort habile en toutte chose, je le prie de mettre la responce sur cette affaire en marge. Daß hab ich so possirlich gefunden, daß ich es Eüch habe verzehlen wollen. Auff zumachen muß man sich nicht vertrawen; den es ist nichts leichter, alß brieff woll auff- undt zumachen. Sie haben eine invention von quecksilber undt bley gemacht, daß ist weich wie waxs, daß formirt man wie ein pitschir undt dem brieff, so man auffthun will, da truckt man dieße gama auff; daß wirdt eben wie ein pitschir, ja wie daß pitschir selber, womitt man pitschirt hatt; darnach bricht man daß waxs ab, lest[10] den brieff, macht ihn wider zu, thut sigelwaxs drauff undt pitschirt mitt der [gama,] die hart, wie ein stein geworden; daß pitschirt gantz sauber undt woll, hernach schabt man die gamma, so wirdt sie wieder gantz weich undt man klebt sie zusamen vor ein ander mahl. Mein sohn hatt mir die schönne kunst gewießen, hatt mir auch eine gama geben; aber ich brauche es nicht, wie Ihr, liebe Louise, woll dencken könt.[11] Vor die vers undt abriß habe ich schon, wie auch vor die 2 tomen von der durchl. welt gedanckt. Der herr von Weise reist all artlich. Es ist mir leydt, daß Ihr ihn nicht umb den abriß von Schwetzingen gebetten habt, hettet es eher bekommen, alß von dem trentlichsten[12] Wißer; [460] dießen graffen kan man einen conte pour rire heißen. Churpfaltz heüraht geht woll hin, wen er ihn nur nie declarirt. Mein sohn solte mehr degoustirt von der regirung sein, alß nie. Alle tag kommen ärgere verdrießlichkeitten, die mich gritlich machen, will den geschweygen mein sohn. Es ist war, daß mein sohn nur ein par tassen chocolat nimbt, aber zu nacht frist er nur zu viel. Zu mittag eßen undt nicht zu nacht ist gesunder; aber mein sohn kan nicht arbeytten, wen er geßen hatt, es gibt ihm kopffwehe. Die große trawer stehet der fraw Zachman über die maßen woll, sie ist recht schon so. Ihr könt mitt wahrheit versichern, daß kein envoyes-fraw nie vor mich sitzt, noch sitzen wirdt.[13] Ich kene kene alle graffen de la Marq;[14] der bey Churpfaltz ist der jüngste, ein heßlicher kerl undt nicht viel nutz, aber der zu Berlin geweßen undt noch bey dem könig in Schweden ist, ist ein hübscher, ehrlicher man. Aber ich muß mich ahnziehen, umb nach hoff zu gehen.
Sontag, den 4 Xbr, umb 5 uhr undt ein 1/4 abendts.
Ich habe schon viel sachen heütte gethan; seyder ich auffgehört, zu schreiben, liebe Louisse, habe ich mich ahngethan, hernach bin ich zum könig gefahren, vom könig zu madame la duchesse, so die rotte rour hatt; die scheüdt man nicht hir, wie bey unß, man besucht die leütte, so sie haben, undt würde die leütte außlachen, wen sie bang davor wehren. Hernach bin ich zu madame d’Orleans, so einen fluß im kopff undt ein wenig flußfieber dabey hatt; hernach bin ich in kirch, nach der kirch zum eßen undt nach dem eßen au petitte Carmelitten, wo ich alleweill herkomme, undt werde unahngesehen deß opera Ewern lieben brieff vom 19 vollig beantwortten. Es ist kein wunder, daß mein sohn einen menschen recommandirt, von deßen bruder er woll zufrieden, gegen den graff Hatzfelt, den er gar nicht kendt. Ich glaub aber leicht, daß er es mehr meritirt, alß der jüngste graff de la Marq, es seye dan, daß er sich gebeßert hatt, seyder ich ihn gesehen. Ey, hertzliebe Louise, waß ich Eüch zur kirbe geschickt, meritirt nicht so viel dancksagungen; daß es Eüch gefelt, ist die gröste [461] dancksagung, so Ihr thun köndt, lieb Louise, undt die mir ahm liebsten ist. Ich hoffe undt wünsche, daß Eüch die pommade divine woll bekommen mag. Adieu, hertzallerliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben recht lieb.
P. S.
Heütte hatte ich gehofft Ewer paquet zu entpfangen; aber es ist nichts kommen. Ich glaube, daß die böße wegen die post auffhalten; den sie sollen nun abscheülich sein. Ich werde jetzt ahn mein dochter schreiben.
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Brief vom 3. Dezember 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 455–461
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0973.html
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