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Brief vom 11. Dezember 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


975.


[464]
Paris den 11 Xbris 1718, umb 7 morgendts (N. 36).
Hertzallerliebe Louise, gestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 29 9br, no 94, zu recht entpfangen. Aber ehe ich drauff andtworte undt noch daß von voriger post zu endt führe, will ich Eüch erst verzehlen, von waß mein hertz gantz voll ist undt mich recht ängstiget, nehmblich die abscheülich verätherey, so man vergangen donnerstag gegen meinen sohn en[t]deckt hatt; will sagen, wie es außkommen.[1] Ein englischer banqueroutirer, oder der sich davor außgeben, hatt nach Spanien gewolt; man hatt meinen sohn gebetten, ihn zu arestiren. Mein sohn hatt nachgeschickt. Derselbe kerl, so man bey Potié[2] ertapt, hatte heimbliche paquetten vom [465] hießigen spanischen ambassador. Ihr könnt woll dencken, daß man die brieffe gleich auffgemacht undt drin gefunden, daß der abge- sante ahn Alberoni schreibt, daß man sich woll hatten solle, sich mitt meinem sohn zu vergleichen, daß, sobaldt der verglich würde unterschrieben sein, würde mein sohn den jungen könig vergifften, aber daß er meinen sohn so viel wolle zu schaffen [machen,] daß er ahn keinen krieg würde gedencken können, daß er ihm revolten im gantzen könig[reich] wolle schaffen, daß man edelleütte in allen provintzen schicken könte, solche zu revoltiren, ihr parthie were groß genung zu Paris, man solte nur braff gelt schicken undt nichts sparen, er hette schon ahn der handt, wem es zu geben seye. Ich fürchte sehr, meines sohns gemahlin hinckender bruder[3] wirdt sich abermahl in dießen handlen finden. Mein sohn hatt den ambassadeur mitt 2 conseiller d’estat arestiren laßen. Wie man ihm umb die sach gefragt, hatt er in lachen geantwort, es were war, er hette dieß alles geschrieben, umb ein größer übel, nehmblich den krieg, zu verhütten, undt hette meinen sohn bang wolle[n] machen; undt wie man ihm vorgehalten, warumb er so viel übels vom regenten gesprochen, hatt er geantwort, er müße gestehen, es were ein wenig gifft in seinen brieffen, allein in allen contrepoison brauchte man gifft, es were ein antidote, größer übel zu hindern. Aber waß noch zu verwundern ist, ist, daß man madame Dangeau sohn frawen vattter[4] in dießer conspiration gefunden; seine[5] fraw ist dochter von mein[e]s sohns 2ten hoffmeister, den marechal de Navaille.[6] [466] Aber dießer haß kompt dem Pompadour von der alten hexsen, der printzes des Ursin,[7] von wem[8] er freündt undt verwanter ist, welche meinen armen sohn biß ahn ihr endt verfolgen wirdt auß keiner andern ursach, alß weillen er sie zu alt gefunden, umb gallant zu sein können.[9] Man hatt den Pompadour in die Bastille geschickt; es ist ein ellender tropff,[10] meint, es seye eine ehr vor ihm, sich in so großen sachen zu finden, undt er bedenckt die schande nicht, ein verahter seines vatterlandts zu sein. Man hatt ihn gestern in die Bastillen geführt; da wirdt er zeit haben, seine reflection zu machen.[11] Madame Dangeau jammert mich, den es betrübt sie von hertzen, wie sie auch ursach hatt. Es ist abscheülich, wie viel leütte in dießer conspiration gegen meinem sohn begriffen sein. Daß setzt mich in unerhörten sorgen, wie Ihr, liebe Louise, woll gedencken könt. Daß wirdt mich den rest von mein gantzes leben unruhig machen; den ich sehe hirin viel sachen, so sich weder sagen, noch schreiben laßen undt abscheülich sein. Last unß von waß anderst sprechen! Dießes ist gar zu betrübt undt macht mich recht melancolisch, zu sehen, daß mein armer sohn sich umb gutt undt leben bringt dem vatterlandt zum besten undt daß, ahnstatt danck, er lautter haß erwirbt undt in keiner sicherheit seines lebens ist. Daß macht macht einem zittern. Mein sohn fragt nur zu wenig nach dießem allem. Aber genung von dießen trawerigen geschichten! Ich komme, wo ich v[e]rgangen donnerstag geblieben war, ahn Ewerm lieben schreiben vom 26, no 93. Wir wahren ahm beichtsvatter von Churpfaltz geblieben; Ihr sagt nicht, wie er heist. Weillen er friedtliebendt ist, ist es mir leydt, daß er alt ist; er[12] kompt selten [467] waß beßers hernach undt ich mögte wünschen, daß unßere gutte Heydelberger ein wenig ruhig leben mögten. Waß vor große geschafften hatt den der herr von Degenfelt zu Franckfort, daß er Eüch nicht besuchen [kann?] Ihr thut ja seinem bruder gutts genung, umb daß er Eüch seine danckbarkeit davor erweißen solte undt vor seine grösten affairen halten solte, bey Eüch zu sein, liebe! Ich weiß aber nicht, wie die welt nun wirdt; die tugendten nehmen ab undt die laster zu. Gott stehe unß alle bey! es ist hoch nöhtig. Die printzes von Wallis schreibt mir auch, daß der hertzog von Saxsen-Zeitzs gestorben ist. Es ist kein großer schadt, es war wenig besonders ahn ihm, sehr desbauchirt mitt mansleütte, meinte vielleicht, dadurch allamode zu sein. Der graff Wassenburg war den ein bruder von unßern graff Carlsohn, so lange jahr zu Heydelberg geweßen undt mein gutter freündt war. Daß war ein heßlich stück vom letz[t]verstorbenen könig in Schweden,[13] allen seinen unterthanen von qualitetten ihre gütter zu nehmen. Unßere liebe churfürstin s. war allezeit charitable, wundert mich also nicht, daß sie der armen graffen beygestanden. Es ist noch löblicher ahn Eüch, da Ihr doch sonst nicht viel zum besten habt; daß wirdt Eüch gewiß unßer herrgott belohnen. Ich habe allezeit in acht genohmen, daß die armen lieberaller sein, alß die reichen sein. Aber ich habe schellen wollen undt mein ermel vom nachtsrock hatt 3 wortter außgelescht; ich hoffe doch, daß Ihr sie noch wert leßen können. Wen ich waß überzwerg thue, muß man mirs nun zu gutt halten; den ich haben den hirnkasten greülich verwirdt; daß ist nicht zu bewundern in den ängstigen standt, worinen ich nun lebe. Ich glaube, der fürst von Murbach ist der elste bruder vom bischoff von Tournay. Hiebitt[14] ist Ewer erstes liebes schreiben gantz vollig [beantwortet.] Ich komme jetzt auff daß frischte vom 29 9br, no 94. Der regen hatt alle wegen verdorben; alle brieff kommen nun spätter ahn. Aber wolte gott, man hette nur über die post zu klagen! Ihr werdt, liebe Louisse, schon auß 2 von meinen schreiben ersehen haben, daß ich, gott lob, meines abscheülichen hustens quit bin. Daß ey, in waßer gantz heiß geschlagen, mitt zucker candie undt ein wenig zimmet hatt mich abermahl [468] courirt Daß mich mein husten undt schnupen nicht ahn schreiben verhindert, ist, daß ich gar selten kopffwehe habe, undt bey dießem husten habe ichs gar nicht gehabt. Es ist mir leydt, daß Ihr, liebe Louise, so starck dran fest seydt. Die printzes von Wallis undt ihre 3 printzessinen seindt auch gar starck mitt behafft. In allen ortten undt landern hört man, daß man über husten undt schnupen [klagt.] In Lotteringen hats der hertzog, mein dochter undt ihr 3ter printz ist gar kranck ahm husten. Wir haben madame d’Orleans auch gar kranck hir; daß fieber hatt sie kein augenblick seyder 9 tagen quittirt, ist seyder gestern in einem continuirlichen schweiß. Die docktor hoffen, daß sie daß sehr woll bekomen wirdt. Madame la duchesse, monsieur le ducs seine gemahlin, ist auch gefahrlich kranck. Man hört undt sicht nichts, alß trawerige undt betrübte sachen; so eine zeit, wie nun ist, habe ich noch nicht erlebt. Ich wünsche von hertzen, baldt zu erfahren, daß Ihr wider in volkommener gesundtheit seydt, liebe Louisse! Nichts thut beßer zu allen flüßen, alß schwitzen; zuletzt deß husten seindt starcke sachen gutt, aber im ahnfang nicht. Caffé undt thée wehren meine sach gar nicht; ich kan dieße sachen nicht leyden. Nichts in der welt benimpt den apetit [mehr,] alß husten undt schnupen. Ich habe mich mitt kleinen remeden, wie Ihr segt, auch courirt; den ich habe nichts in der welt gebraucht, alß daß eydotter, in heiß waßer zu schaum geschlagen undt mitt zucker candy undt zimmet abendt gantz warm gedruncken, wen man zu bett geht; man muß aber den magen gantz lehr haben undt nichts anders nehmen in der zeit. Es ist gar nicht unahngenehms, hatt gar keinen widerlichen geschmack. Aber nun muß ich eine pausse machen, mich ahnziehen, in die meß gehen, hernach zu madame d’Orleans, hernach eßen, von dar zu madame de Berry, hernach ins Carmelittencloster. Nachdem ich mein gebett werde vericht haben, werde ich wider her zu madame d’Orleans, von dar ins opera.
Sontag, umb halb 10 abendts.
Es ist eine halbe stundt, daß ich vom opera kommen, habe aber den printzen von Durlach hir gefunden undt sonst noch viel leütte. Man spricht von nichts, alß von der conspiration, worunder sich leütte finden, daß einem die haar zu berg stehen. Aber dießen abendt kan ich nichts mehr sagen, den ich habe noch ahn mein [469] dochter zu schreiben. Adieu, liebe Louisse! Verleydt mir gott leben undt gesundtheit, werde ich biß donnerstag vollig auff Eüer liebes schreiben andtworten, nun aber nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Dezember 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 464–469
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0975.html
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