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Paris den 11 Xbris 1718, umb 7 morgendts (N. 36).
Hertzallerliebe Louise, gestern habe ich Ewer liebes schreiben
vom 29 9br, no 94, zu recht entpfangen. Aber ehe ich drauff
andtworte undt noch daß von voriger post zu endt führe, will ich
Eüch erst verzehlen, von waß mein hertz gantz voll ist undt mich
recht ängstiget, nehmblich die abscheülich verätherey, so man
vergangen donnerstag gegen meinen sohn en[t]deckt hatt; will sagen,
wie es außkommen.
[1] Ein englischer banqueroutirer, oder der sich
davor außgeben, hatt nach Spanien gewolt; man hatt meinen sohn
gebetten, ihn zu arestiren. Mein sohn hatt nachgeschickt. Derselbe
kerl, so man bey Potié
[2] ertapt, hatte heimbliche paquetten vom
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hießigen spanischen ambassador. Ihr könnt woll dencken, daß man
die brieffe gleich auffgemacht undt drin gefunden, daß der abge-
sante ahn Alberoni schreibt, daß man sich woll hatten solle, sich
mitt meinem sohn zu vergleichen, daß, sobaldt der verglich würde
unterschrieben sein, würde mein sohn den jungen könig vergifften,
aber daß er meinen sohn so viel wolle zu schaffen [machen,] daß
er ahn keinen krieg würde gedencken können, daß er ihm revolten
im gantzen könig[reich] wolle schaffen, daß man edelleütte in allen
provintzen schicken könte, solche zu revoltiren, ihr parthie were
groß genung zu Paris, man solte nur braff gelt schicken undt nichts
sparen, er hette schon ahn der handt, wem es zu geben seye. Ich
fürchte sehr, meines sohns gemahlin hinckender bruder
[3] wirdt sich
abermahl in dießen handlen finden. Mein sohn hatt den
ambassadeur mitt 2 conseiller d’estat arestiren laßen. Wie man ihm umb
die sach gefragt, hatt er in lachen geantwort, es were war, er hette
dieß alles geschrieben, umb ein größer übel, nehmblich den krieg,
zu verhütten, undt hette meinen sohn bang wolle[n] machen; undt wie
man ihm vorgehalten, warumb er so viel übels vom regenten
gesprochen, hatt er geantwort, er müße gestehen, es were ein wenig
gifft in seinen brieffen, allein in allen contrepoison brauchte man
gifft, es were ein antidote, größer übel zu hindern. Aber waß noch
zu verwundern ist, ist, daß man madame Dangeau sohn frawen
vattter
[4] in dießer conspiration gefunden; seine
[5] fraw ist dochter
von mein[e]s sohns 2ten hoffmeister, den marechal de Navaille.
[6]
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Aber dießer haß kompt dem Pompadour von der alten hexsen, der
printzes des Ursin,
[7] von wem
[8] er freündt undt verwanter ist, welche
meinen armen sohn biß ahn ihr endt verfolgen wirdt auß keiner
andern ursach, alß weillen er sie zu alt gefunden, umb gallant zu
sein können.
[9] Man hatt den Pompadour in die Bastille geschickt;
es ist ein ellender tropff,
[10] meint, es seye eine ehr vor ihm, sich
in so großen sachen zu finden, undt er bedenckt die schande nicht,
ein verahter seines vatterlandts zu sein. Man hatt ihn gestern in
die Bastillen geführt; da wirdt er zeit haben, seine reflection zu
machen.
[11] Madame Dangeau jammert mich, den es betrübt sie von
hertzen, wie sie auch ursach hatt. Es ist abscheülich, wie viel
leütte in dießer conspiration gegen meinem sohn begriffen sein. Daß
setzt mich in unerhörten sorgen, wie Ihr, liebe Louise, woll
gedencken könt. Daß wirdt mich den rest von mein gantzes leben
unruhig machen; den ich sehe hirin viel sachen, so sich weder
sagen, noch schreiben laßen undt abscheülich sein. Last unß von
waß anderst sprechen! Dießes ist gar zu betrübt undt macht mich recht
melancolisch, zu sehen, daß mein armer sohn sich umb gutt undt
leben bringt dem vatterlandt zum besten undt daß, ahnstatt danck,
er lautter haß erwirbt undt in keiner sicherheit seines lebens ist.
Daß macht macht einem zittern. Mein sohn fragt nur zu wenig nach
dießem allem. Aber genung von dießen trawerigen geschichten!
Ich komme, wo ich v[e]rgangen donnerstag geblieben war, ahn Ewerm
lieben schreiben vom 26, no 93. Wir wahren ahm beichtsvatter
von Churpfaltz geblieben; Ihr sagt nicht, wie er heist. Weillen er
friedtliebendt ist, ist es mir leydt, daß er alt ist; er
[12] kompt selten
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waß beßers hernach undt ich mögte wünschen, daß unßere gutte
Heydelberger ein wenig ruhig leben mögten. Waß vor große
geschafften hatt den der herr von Degenfelt zu Franckfort, daß er
Eüch nicht besuchen [kann?] Ihr thut ja seinem bruder gutts
genung, umb daß er Eüch seine danckbarkeit davor erweißen solte
undt vor seine grösten affairen halten solte, bey Eüch zu sein,
liebe! Ich weiß aber nicht, wie die welt nun wirdt; die
tugendten nehmen ab undt die laster zu. Gott stehe unß alle
bey! es ist hoch nöhtig. Die printzes von Wallis schreibt mir
auch, daß der hertzog von Saxsen-Zeitzs gestorben ist. Es ist
kein großer schadt, es war wenig besonders ahn ihm, sehr
desbauchirt mitt mansleütte, meinte vielleicht, dadurch allamode zu sein.
Der graff Wassenburg war den ein bruder von unßern graff
Carlsohn, so lange jahr zu Heydelberg geweßen undt mein gutter freündt
war. Daß war ein heßlich stück vom letz[t]verstorbenen könig in
Schweden,
[13] allen seinen unterthanen von qualitetten ihre gütter zu
nehmen. Unßere liebe churfürstin s. war allezeit charitable,
wundert mich also nicht, daß sie der armen graffen beygestanden. Es
ist noch löblicher ahn Eüch, da Ihr doch sonst nicht viel zum besten
habt; daß wirdt Eüch gewiß unßer herrgott belohnen. Ich habe
allezeit in acht genohmen, daß die armen lieberaller sein, alß die
reichen sein. Aber ich habe schellen wollen undt mein ermel vom
nachtsrock hatt 3 wortter außgelescht; ich hoffe doch, daß Ihr sie
noch wert leßen können. Wen ich waß überzwerg thue, muß man
mirs nun zu gutt halten; den ich haben den hirnkasten greülich
verwirdt; daß ist nicht zu bewundern in den ängstigen standt,
worinen ich nun lebe. Ich glaube, der fürst von Murbach ist der
elste bruder vom bischoff von Tournay. Hiebitt
[14] ist Ewer erstes
liebes schreiben gantz vollig [beantwortet.] Ich komme jetzt auff daß
frischte vom 29 9br, no 94. Der regen hatt alle wegen verdorben;
alle brieff kommen nun spätter ahn. Aber wolte gott, man hette
nur über die post zu klagen! Ihr werdt, liebe Louisse, schon auß
2 von meinen schreiben ersehen haben, daß ich, gott lob, meines
abscheülichen hustens quit bin. Daß ey, in waßer gantz heiß geschlagen,
mitt zucker candie undt ein wenig zimmet hatt mich abermahl
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courirt Daß mich mein husten undt schnupen nicht ahn schreiben
verhindert, ist, daß ich gar selten kopffwehe habe, undt bey dießem
husten habe ichs gar nicht gehabt. Es ist mir leydt, daß Ihr, liebe
Louise, so starck dran fest seydt. Die printzes von Wallis undt
ihre 3 printzessinen seindt auch gar starck mitt behafft. In allen
ortten undt landern hört man, daß man über husten undt schnupen
[klagt.] In Lotteringen hats der hertzog, mein dochter undt ihr
3ter printz ist gar kranck ahm husten. Wir haben madame
d’Orleans auch gar kranck hir; daß fieber hatt sie kein augenblick
seyder 9 tagen quittirt, ist seyder gestern in einem continuirlichen
schweiß. Die docktor hoffen, daß sie daß sehr woll bekomen wirdt.
Madame la duchesse, monsieur le ducs seine gemahlin, ist auch
gefahrlich kranck. Man hört undt sicht nichts, alß trawerige undt
betrübte sachen; so eine zeit, wie nun ist, habe ich noch nicht
erlebt. Ich wünsche von hertzen, baldt zu erfahren, daß Ihr wider
in volkommener gesundtheit seydt, liebe Louisse! Nichts thut beßer
zu allen flüßen, alß schwitzen; zuletzt deß husten seindt starcke
sachen gutt, aber im ahnfang nicht. Caffé undt thée wehren meine
sach gar nicht; ich kan dieße sachen nicht leyden. Nichts in der
welt benimpt den apetit [mehr,] alß husten undt schnupen. Ich
habe mich mitt kleinen remeden, wie Ihr segt, auch courirt; den
ich habe nichts in der welt gebraucht, alß daß eydotter, in heiß
waßer zu schaum geschlagen undt mitt zucker candy undt zimmet
abendt gantz warm gedruncken, wen man zu bett geht; man muß
aber den magen gantz lehr haben undt nichts anders nehmen in
der zeit. Es ist gar nicht unahngenehms, hatt gar keinen
widerlichen geschmack. Aber nun muß ich eine pausse machen, mich
ahnziehen, in die meß gehen, hernach zu madame d’Orleans,
hernach eßen, von dar zu madame de Berry, hernach ins
Carmelittencloster. Nachdem ich mein gebett werde vericht haben, werde ich
wider her zu madame d’Orleans, von dar ins opera.
Sontag, umb halb 10 abendts.
Es ist eine halbe stundt, daß ich vom opera kommen, habe aber
den printzen von Durlach hir gefunden undt sonst noch viel leütte.
Man spricht von nichts, alß von der conspiration, worunder sich
leütte finden, daß einem die haar zu berg stehen. Aber dießen
abendt kan ich nichts mehr sagen, den ich habe noch ahn mein
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dochter zu schreiben. Adieu, liebe Louisse! Verleydt mir gott leben
undt gesundtheit, werde ich biß donnerstag vollig auff Eüer liebes
schreiben andtworten, nun aber nur sagen, daß ich Eüch von
hertzen lieb behalte.