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Paris den 1 Jan. 1719, umb ein viertel auff 7 morgendts.
Hertzallerliebe Louisse, ich wünsche Eüch ein glückseeliges,
friede- undt freüdenreiches neües jahr, langes leben, gutte
gesundt[heit] undt alles, waß Ihr Eüch selbsten wünschen undt begehren
möget Nun ich Eüch, liebe Louisse, daß neüjahr gewünscht, komme
ich auff Ewer liebes schreiben vom 13 December, no 98, werde aber
in großer eyll schreiben müßen; den umb 8 uhr muß ich mich
ahnziehen, hernach in kirch, von dar werde ich in meiner nagelneüen
kutsch zum könig, von dar zu madame de Berry, hernach wider
herr, wo ich taußendt menschen sehen muß, alle abgesantten, die
statt Paris und alles, waß in der statt von leütte von qualitet ist.
Umb mich ihrer ein wenig loß zu machen, werde ich gleich nach
dem eßen au Carmelitten undt von dar abendts umb halb 6 ins
opera, werde wie insolvable mitt den andtwortten auf Ewere undt
meiner dochter schreiben; den nach dem opera werde ich ihr erst
schreiben undt abscheülich interompirt werden. Aber so gehts mitt
dem verdrießlichen neüen jahr. Ich hoffe doch, ob gott will, wo
er mir biß auff donnerstag leben undt gesundtheit verleyet, einen
lengern brieff zu schreiben können, alß heüttern, den alßden wirdt
daß gethuns vorbey sein. Seindt in keinen sorgen, liebe Louisse,
daß ich umb 6 auffstehe! Ich gehe gar früh schlaffen undt ahm
spätsten, daß ich zu bett gehe, ist umb halb 11, gar offt umb 10
bin ich in mein bett, also meistentheill 8 stundt im bett, so genung
ist. All mein leben eße ich abendts salat; mein magen ist gutt
undt gantz dran gewohndt, thut mir, gott lob, nie wehe; wen ich
nur nichts eße, wo fleischbrüh ahn ist, daß allein kan ich nicht
vertragen. Ich mag auch kranck, oder gesundt sein, nehme ich
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mein leben keine fleischbrühe, noch sup; den es macht mich
übergeben undt gibt mir indigestion. I. G. s. der churfürst, unßer herr
vatter, hatt mich schir einmahl sterben machen, meinte, es were
eine fantesie, ließ mir auß gehorsam alle morgendts ein monat lang
bouillon nehmen undt ich kotzte
[1] (met verlöff, met verlöff, wie die
alte Wolzogin alß pflegt zu sagen) alle morgen. Ich wurde schwach
undt dur davon, wie ein scheydt holtz. Der gutte ehrliche Polier
erwieße I. G., daß ich es nicht mehr außstehen konte; also gab
man mir, ahnstatt ein bouillon, eine gutte schüßel voll weinsup,
haber
[2] mehr sup mitt eßig; daß hatt mich wider zurecht gebracht,
sonsten were ich crepirt. Wie ich ahnfangs herkam, meinte
Monsieur s. undt alle leütte undt die dock[t]oren hir, man konte nicht
ohne boullion leben. Monsieur batt mich, es zu versuchen. Ich
verzehlte I. L., wie mirs zu Heydelberg mitt gangen were. Daß
halff nichts; ich müste es versuchen. Ich kotzte biß auffs bludt.
Da schwur Monsieur, er wolte es mir sein leben nicht mehr
zumuhten. Aber waß noch wunderlicher ist, liebe Louisse, ist, daß
mir, wen ich so gekotzt habe, [nichts] den magen wieder zurecht
bringt, alß roher schincken, oder mettwürst. Suppen äße ich nicht
ungern, aber sobaldt ichs geßen habe, geschwilt mir der magen,
macht mich schwitzen undt bekomme eine indigestion, muß es also
auch bleiben laßen. Ich bin gar zu gewohndt, bey dem licht zu
schreiben, umb daß es mir schaden könte. Ich muß auch woll
morgendts schreiben undt da schreib ich in ruhe ohne interuption
undt mehr in einer stundt, alß nachmittags in 3, muß also woll
morgendts schreiben, oder gar nicht. Ich habe die gutte frauh
[3] von
Welden, alß sie noch freüllen Charlotte war, gar offt von
StauffenEck reden hören, daß ich also woll weiß, waß es ist. Es wundert
mich nicht, daß Carline ihr kindt so bet[r]awert. Ich habe meinen
sohn
[4] 6 mont beweint, meinte, narisch drüber zu werden; den
schmertzen kan niemandts wißen, so kein kindt gehabt hatt. Es
thut, alß wen man einem daß hertz auß dem leib reist. Ich weiß
nicht, wie ich es habe außstehen können; schaudert mir noch, wen
ich dran gedencke. Aber da schlegt es achte; ich muß wieder
meinen willen vor dießmahl aufhören, zu schreiben, nur noch in
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eyll sagen, daß mein sohn kein wordt Teütsch kan
[5]. Aber ich
will Ewer memoire übersetzen laßen. Die min[i]ster können auch
kein Teütsch, konten also den raport nicht thun. Adieu, liebe
Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versich[r]e Eüch,
daß ich nicht allein im 1719 jahr Eüch von hertzen lieb haben
werde, sondern alle die, so ich noch zu leben habe.
P. S.
Sontag den 1 Januari, umb 9 uhr nachmittags.
Ich habe dießen nachmittag 2 schreiben auff einmahl von Eüch,
liebe Louisse, entpfangen vom 17, no 99, undt 20 December, no 100,
sambt den 6 schraubthaller. Ihr schreibt mir aber nicht, waß sie
kosten; bitte, Ihr wolt mirs doch mitt letzter
[6] post berichten.
Dancke Eüch doch, liebe Louisse, vor die mühe, so [Ihr] genohmen.
Ich admirire, wie die leütte lügen können. Es ist kein wordt war,
daß mir der Kurtz 3 hundt geschenckt hatt. Ich kene ihn nicht
anderst, alß daß er mitt seiner fraw kam undt bracht mir gruß
undt [einen brief] von der verwitibten königin in Spanien; ein hatt
[7]
lange, große fraw. Daß ist alles, waß ich von ihm weiß. Wendt
kendt ihn ebensowenig alß ich. Ihr werdt im ahnfang dießes brieffs
sehen, wer die uhrheber von der hießigen conspiration
[8] sein. Mehr
kan ich dießen abendt nicht sagen. Der kopff threhet mir [von]
den abscheülig viellen leütten, so ich heütte gesehen hab. Gutt
nacht, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt muß
ahn mein dochter schreiben.