Seitenbanner

Brief vom 8. Januar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


983.


[005]
Paris den 8 Januari 1719 (N. 44).
Hertzallerliebe Louisse, wir haben abermahl ein neü unglück. [006] Daß gantze schloß zu Luneville ist rein abgebrendt mitt allen meublen den 3ten dießes monts umb 5 uhr morgendts. Eine paraque[1] ging in brandt; die leütte im hauß woltens verhehlen, gruben unten nunder undt meinten, den brandt zu leschen. Allein es war nahe ahn einem holtzhoff; der windt führt die flam ins holtz, daß brandt gleich ahn, fuhr ins balhauß, vom balhauß ins dach undt in einer stundt zeit ist alles abgebrendt. Das gantze garde de meuble ist ahn ersten verbrendt. Man hatt die archiven undt papiren salviren wollen, aber hundert personnen seindt drüber verbrendt. Die schloßcapel auch, so gantz neü gebawet war undt gar schön soll gewest sein, ist in aschen. Man rechnet den verlust von 15 biß zwantzig millionen. Die kinder hatt man in decken nackendt in bloßen hembt salvirt undt weggetragen. Meine dochter hatt sich in chaissen mitt bloßen beinen wollen wegtragen laßen; allein ihre porteur zitterten so erschrecklich, daß sie nicht tragen konten; also muste mein arme dochter den gantzen gartten durch inn schnee mitt bloßen füßen gehen, undt der schnee lag 2 schuh hoch. Ihr kont gedencken, welch ein abscheüllich angst sie außgestanden, biß sie ihre liebe kinder wieder gefunden hatt. Ich werde insolvable mitt Ewern lieben schreiben; den ich kan heütte noch keines vollig beantworten, werde doch etwaß auff daß vom 27 December, no 102, 1718 sagen, so ich heütte entpfangen, worauß ich gesehen, daß Ihr daß meine von no 38 entpfangen habt. Hirbey schicke ich Eüch, liebe Louisse, daß manifest, worumb der krieg gegen Spanien ahngefangen, undt darneben ein boßhafft stück, ein copie von einem andtwortschreiben vom abgesanten von Spanien ahn den hießigen nuntius. Es ist keine linie, wo nicht eine boßheit in steckt. Den Sandrasqui habe ich beßer tractirt, alß Schlieben; den vor dem hab ich mich interessirt undt vor ihm gesprochen. Aber Schlieben hatt viel verstandt, verzehlt possirlich, aber mein leben habe ich nicht vor ihm gesprochen. Er hatt mich woll drumb ersucht, ich habe es aber nie thun wollen. Er sagt[e] einmahl zu mir: E. k. H. sagen offt: Schlieben redt gutt Teu[t]sch, Schlieben hatt verstandt; Sie sagen aber nie: Schlieben ist gar ein ehrlicher mensch, hatt ein gutt gemühte. Ich sagte: Daß Ihr gutt Teütsch redt, höre [ich], daß Ihr verstandt habt, mercke ich; aber [007] daß Ihr die ander zwey qualitetten habt, müst Ihr mir weißen, den es steht nicht ahn der stirn geschrieben. Ich habe mein leben von keinem general gehört, so Francheville heist, kene den menschen gantz undt gar nicht, undt wie man vor dießem alß pflegt zu sagen: Wen ihn gott nicht beßer kendt, alß ich, ist er sehr zu beklagen; mogte woll ein avanturier sein. Alle der Frantzoßen naredey ist, zu regieren, undt weillen der könig in Spanien sich gar leicht gouverniren lest, wollen sie ihn haben, meinen alle, zu regieren. Mein sohn steht noch große gefahr mitt den verfluchten boßhafftigen leütten auß. Wir haben hoch von nohten, daß unß gott beystehe; mir ist recht angst dabey. Man heist mich Madame undt nicht Madame d’Orleans, daß ist meins sohns gemahlin. [Sie] ist todtkranck geweßen, aber nun wider gesundt, aber noch sehr betrübt, wie leicht zu glauben. Ich kan sagen über alle freündtschafft, so man mir erweist, wie Atis: Indigne que je suis de l’honneur qu’on m’adresse[2]; aber es ist mir doch ein trost, ob ich es zwar nicht wehrt bin. Aber es wirdt spät, monsieur Terey[3] zörnt, ich muß enden undt vor dießmahl nur sagen, alle die, so sich vor mich interessirt haben, zu dancken, undt Ihr seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 5–7
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0983.html
Änderungsstand:
Tintenfass