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Brief vom 15. Januar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


985.


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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Paris den 15 Januari 1719, umb 9 abendts (N. 46).
Hertzallerliebe Louise, wie ich wider auß den Carmelitten kommen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 31 December 1718, no 103, zu recht entpfangen, aber nicht gleich wider drauff andtwortten können, weillen ich die complaissance habe haben müß[en], mademoiselle de Vallois[1] ins opera zu führen; den ihr fraw mutter kan noch nicht nein undt will nicht, daß sie ohne mich nein soll; habe also dieße complaisance haben müßen. Ist woll eine rechte complaisance; den ich frag kein haar mehr nach den operaen, bin nicht lustig noch ruhig genung dazu, umb lust drin zu nehmen können. Nun aber hoffe ich, doch noch auff dießes letzte schreiben von Eüch zu andtwortten, will mich eyllen, so viel ich kan. Ich bin von hertzen froh, liebe Louise, daß Eüch daß porte-lettre[2] mitt meinen wappen gefahlen hatt; habe woll gedacht, daß Ihr dieße arbeydt noch schönner, alß die von den andern porte-lettre, finden würdet. Nach Ewerer rechnung ist dießer letzte brieff der 105 von den 1718 jahr. Wen gott der allmachtige mein sohn noch ferner gnädig bewahren will, wie bißher geschehen, wirdt mir daß leben nicht unahngenehm sein; allein solten die bößen leütte ihre boßheit ahn ihm volbringen, so sie vorhaben, so gestehe ich von hertzen, daß ich lieber gleich sterben mögte; es schaudert mir, nur dran zu gedencken. Vor alle gutte wünsche dancke ich Eüch von hertzen, liebe Louisse! Man hatt gar unrecht in den gazetten gesetzt, daß madame Dangeau sohn in der conspiration ist. Der drin ist undt in die Bastille geführt, ist deß Coursillons[3] frawen vatter, der marquis de Pompadour[4] (pfaffen deügen selten), wahr in seiner [011] jugendt abbé de Lorière[5] undt enfant d’honneur von monseigneur le dauphin. Er ist verwandt undt freündt von der alten hexsen, der printzes des Ursin; daß hatt ihm in dießes unglück gestürtzt. Madame Dangeau hatt eine größere betrübtnuß, alß die von ihres sohns schwiegervatter ist; [ihr] elster bruder, der fürst von Lewenstein, ist gestorben. Ich habe sie heütte im closter gesehen, ist hertzlich betrübt. Liebe Louisse, ich bin fro, daß meine schachtelgen, so ich Eüch geschickt, tromphirt hatt. Liebe Louisse, wie solte ich woll schlaffen undt ruhig sein können in dem labirint, wo wir unß nun finden? Wen mein sohn mir auß den augen kompt, kan ich nicht sicher sein, ihn wider zu sehen. Alle tag findt man mehr, so conspirirt haben gegen sein leben. Der krieg gefehlt mir auch nicht, ich bin bludtleünisch hir. Bin froh, daß unßere Pfaltzer hoffnung haben, ruhig zu sein können. Gott stehe ihnen bey undt unß auch hir! Undt ich behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 10–11
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0985.html
Änderungsstand:
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