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Brief vom 21. Januar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


987.


[012]
Paris den 21 Januari 1719 (N. 48).
Hertzallerliebe Louise, ich will heütte ahnfangen, Eüch zu schreiben, umb le diable au contretemps zu betriegen, damitt er mir keine verhinderniße zuschicken mag undt ich Eüch ein wenig lenger möge entreteniren können, liebe! Mein husten fengt ahn, ein wenig leydtlicher zu werden, undt hatt mich, gott lob, dieße [013] nacht gar woll schlaffen [laßen]. So lang ich wider zu Paris bin, habe ich nicht so woll geschlaffen, alß dieße nacht; hoffe also, daß er in kurtzer zeit mich wider quittiren wirdt. Ich komme auff Ewer liebes schreiben von no 1, wo ich vergangenen donnerstag geblieben, nehmblich ahn der conspiration von Berlin. Dieße hatt sich gantz falsch gefunden; der Clement, so sie alle ahngeben, hatt in der folter gestanden, daß er alle fälschlich ahngeklagt hatt. Madame Blaspiel ist wider auff freyen fuß gestelt; aber waß wirdt man ihr vor ihre maulschellen geben, womitt der könig in Preüssen sie solle regallirt haben, wie er sie hatt gefangen nehmen laßen?[1] Daß findt ich zwar schlim, aber noch nicht so arg, alß daß dießer könig sie hatt zu gast gebetten, lustig undt freündtlich mitt ihr gesprochen undt sie hernach so übergetracktirt; daß ist zu falsch undt gar auff keine weiße königlich.
Sambstag umb 3/4 auff 9 abendts.
Ich habe le diable au contretemps ertappen wollen, aber ich sehe woll, daß er schlauer ist, alß ich. Er hatt mich erdapt; den so baldt ich von taffel kommen war undt ein halbstündtgen [für] meine digestion außgeruhet hatte, nahm ich die feder undt wolte schreiben; allein der envoyes von Lotheringen bracht mir ein groß paquet, so in dem augenblick muste beantwort werden, weillen der courier morgen wider fort soll. Daß hatt mich biß auff die stundt auffgehalten, daß man in die commedie gangen. Nach der commedie habe ich mitt mein sohn wegen meiner lotteringischen kinder reden müßen undt ihm ihre undt meine … gewißen; daß hatt mich biß jetzt geführt. Nun werde ich nur noch ein viertelstündtgen schreiben können, hernach nach bett; den ich muß mein ey nehmen, welches mir gar woll bekompt undt mich, wie ich hoffe, wider couriren wirdt, wie es vor 2 mont gethan hatt. Ich war heütte morgen ahm berlinischen hoff geblieben. Es geht heütte ein abscheülig geschrey von dißem könig, welches mir doch von hertzen leydt sein solte. Ich wilß aber noch nicht glauben. Man sagt, dießer könig hatt solche hauptschmertzen, daß er gantz wie veruckt davon sein solle. Ich beklage von hertzen die arme königin. Unßer commers ist nicht gar exact, aber wen ich ihr gleich geschrieben hette, würde ich nichts gemehlt[2] haben von waß Ihr mir geschrieben habt, [014] liebe Louisse! Ich cittire mein leben niemandts. Da schlegt es halb 10, ich will mich außziehen undt nach bett gehen. Morgen hoffe ich dießen brieff außzuschreiben, nur noch sagen, daß der hertzog von Lotheringen mir schreibt, daß er zeittung bekommen, daß der erpprintz von Denemarck die printzes Anne von Englandt bekommen wirdt.
Sontag den 22 Januari, umb ein virtel auff 9 morgendts.
Dieße vergangene nacht ist nicht so ruhig geweßen, alß die gesterige. Ich habe abscheülich gehust, bin so fro, auß dem bett zu sein, ist mir, alß wen mir gantz geholfen were. Ich komme wieder ahn Ewer schreiben, liebe Louise, wo ich gestern abendts geblieben, nehmblich ahn den heüraht vom erbprintz von Denemarck mitt printzes Anne. Ich glaube, man macht dießen heüraht, ohne dem printz, noch der printzes von Wallis[3] davon zu sagen; den man thut ihnen allen verdruß undt leydt ahn, so immer moglich sein kan. Ich weiß nicht, wie es der könig in Englandt[4] verstehet; aber die zergereyen[5] seindt weder noble, noch königlich. Es ist mir leydt vor ihm, weillen er unßerer lieben churfürstin[6] sohn ist undt weillen die printzes drumb leyden muß; sonsten früg ich ebensowenig nach dießem könig, alß er nach mir. Verwandten seindt einem nichts, sobaldt sie nicht nach einem fragen. Ich [beklage die] königin von Preüssen, welche mich auch woll von hertzen jammert. Mein gott, wie ist die welt so wunderlich geworden! Man hört undt sicht in allen enden nichts, alß ellendt, unglück undt betrübtnuß. Ich weiß nicht, waß endtlich auß dießem allem werden wirdt; die zeit wirdts lehren. Ich bin fro, daß Ihr Ewern neüjahrstag lustig ahngefangen habt; den man sagt gemeinlich: Wie der neüjahrstag ist, so wirdt daß jahr drauff erfolgen; wünsche sehr, daß ahn Eüch war mag werden, liebe Louise! Ich glaube aber, daß dießer wunsch ein wenig interessirt ist; den solte ich in dießem jahr sterben oder gar kranck werden, würde Ewer jahr, wie ich sehr persuadirt bin, nicht lustig sein. Ich habe mich letzte post so [015] eyllen müßen, daß ich Eüch nicht habe auff den herrn von Degenfelt recht andtwortten können. Ob ich zwar nicht gar gern gevatter bin, so ist es doch ein andere sach mitt dem herrn graffen von Degenfelt. Erstlich so ist er herr Max sohn, so all sein leben mein gutter freündt geweßen, kan also gar woll von sich selbsten pretendiren, diß vertrawen zu mir zu haben; zum andern so ist ja seine fraw meine niepce, welches noch eine rechte ursach ist. Es ist also hiran gar nichts zu tadlen undt nehme es mitt danck ahn, werde ihn auch erster tagen drauff andtwortten. Bitte, macht ihnen doch meine entschuldigung unterdeßen! Taußendt sachen, eine verdrießlicher, alß die ander, [sind mir] zugestoßen, so mich ahn schreiben verhindert haben, undt nun bin ich kranck. Es ist schon heütte 8 gantzer tag, daß mir der abscheüliche husten dawert; mein kopff ist mir von wenigem schlaffen undt continuirlichen husten, alß wen er außgeholt were. Aber waß will man thun? Man muß woll gedult haben, liebe Louise, in dieß undt viel andern sachen. Ich weiß nicht, woher mich der general Francheville kenen will; den ich kene ihn gantz undt gar nicht. Ich glaube, er sagts nur, umb einen freyen zutritt bey Eüch zu haben. Den obersten Kurtz von Kan kene ich nicht anderst, alß daß er mir einen brieff von der königin in Spanien, so zu Bajonne ist, gebracht undt zweymahl mitt seinen gar großen frawen zu mir nach St Clou kommen ist[7]. Wendt weiß auch anderst nicht, daß er sein vetter ist, alß weill ers ihm gesagt. Daß ihn die verwittibte königin hatt zum majordome machen wollen, konte leicht sein; den sie ist so, machts mitt allerhandt leütte gemein, so sie nicht kendt. Daß kost ihr alle ihre juwellen, die sie einem jungen gemeinen kerl vertrawet, undt, waß noch ahm ärgsten ist, wie sie sie hatt widerhaben wollen, hatt der bernheütter gesagt, die königin hette ihn heimblich geheüraht undt derowegen alle ihre juwellen geschenckt. Daß kompt davon, daß sich die arme königin nicht nach standts gemeß helt, sondern mitt allerhant leütten zu gemeine macht. Der Schlieben, der in der Bastillen sitzt, bey dem hatt man lieder gefunden, so er auff dieße königin gemacht, so ich abcopirt habe undt Eüch hirbey schicke[8], liebe Louise! Ich finde sie nicht übel gestelt; daß zweytte gesetz [016] finde ich ahm artlichsten. Hirmitt ist Ewer letztes schreiben vom 3, no 1, vollig beantwort. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 20 December, no 100. Daß die conspiration en[t]deckt, ist noch nicht alles; den man sicht nur, wie mächtige undt vielle feinde er[9] hatt, welche alle in solcher rasserey gegen ihm sein, daß sie ihn alle todt sehen mögten, undt ich sehe ihn nicht außfahren, daß ich nicht zittere, daß man mir ihn todt widerbringt. Es seindt böße leütte hir im landt, daß weiß gott, undt es ist ein sonderlich miracle, daß mein armer sohn noch im leben ist. Ihr könt woll gedencken, liebe Louisse, in welchen standt mich dießes setzen kan; ist kein wunder, daß ich nicht woll auff bin; es wer kein wunder, daß ich in jenner welt wehre in allen ängsten, so ich continuirlich außstehe. Ich kan heütte ohnmöglich mehr sagen, den ich muß ahn mein dochter schreiben; hernach werde ich ins opera, umb mich zu hintern, zu reden; den so baldt ich rede, muß ich ich abscheülich husten. Adieu den, hertzallerliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 12–16
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0987.html
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