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Brief vom 2. Februar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


990.


[021]
Paris den 2 Februari 1719, umb halb 9 morgendts (N. 51).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag, alß ich eben mein paquet geschloßen, brachte man mir Ewer liebes schreiben vom 17 Januari. Ihr werdet auß meinen letzten ersehen haben, wie ich den irtumb von den chiffre gleich gemerckt; aber daß meritirt nicht, drumb umb verzeyung zu bitten. Es ist beßer, daß Ihr Eüch verschrieben habt, alß wen eines von Ewern lieben schreiben were verlohren worden. Ich kan nicht begreiffen, wo daß meinige von Christag muß hin kommen [sein]; will doch hir auff der post nachsuchen laßen. Die ursach, warumb die brieffe nun spatter ahnkomen, liebe Louisse, ist erstlich, daß die wege abscheülich sein sollen, undt zum andern, daß der verschmolzene schnee in den … verschmeltzt, undt daß macht, daß alle flusse undt geweßer überlauffen; derowegen müßen die courier umschweiff nehmen, daß macht sie lenger außbleiben, wie man mir versichert hatt. Seyder ich weiß, daß Eüch, liebe Louisse, mein gekritzel so gar ahngenehm ist, fehle ich keine eintzige post. Mein husten fengt ahn, ein wenig zu vergehen; ich huste nachts nicht mehr, undt wen daß ist, rechne ich den husten vor nichts mehr. Ob es zwar heütte ein groß fest hir ist, so bin ich doch nicht in kirch; den unßer pfarkirch ist dunckel, kalt undt feücht, hette gewiß den husten undt schnupen wider herbeygelockt undt daß mögte auff die lenge kein gutt thun, werde also die cammer noch heütte halten undt meine alte haut schonnen. Biß sontag wirdt es 3 gantzer wochen sein, daß ich den verfluchten husten habe. Vor Ewer[e] gutte wünsche dancke ich Eüch sehr, liebe Louise, undt wünsche Eüch hergegen alles, waß [022] Ewer hertz begehrt. Ich habe Eüch schon in meinem vorigen schreiben gesagt, daß ich deß graff von Degenfelts gevatterschafft woll auffgenohmen undt ihm recht danck vor sein vertrawen weiß. Ich habe gestern noch ein schreiben von graff von Degenfelt entpfangen undt ein gar altes von Eüch. Ich konte nicht begreiffen, wie es möglich sein konte, daß ich ein schreiben von Eüch auß Englandt bekommen solte; den der herr von Gemingen kompt dort her. Ewer liebes schreiben ist vom 9 October 1718, also bey 4 monat alt. Mich deücht, daß ein so großer junger mensch, liebe Louise, sich beßer im krieg, [als] in den raht schicken solte; die mutter will ihn vielleicht nicht wagen. Daß ist alles, waß ich Eüch auff dießen alten brieff sagen kan. In dießem augenblick bringt man mir noch eins von Ewern schreiben, liebe Louise, vom 21 Jan., no 6. Aber dieße andtwordt werde ich vor sontag sparen; den weillen ich 3 große brieffe von unßerer lieben printzes von Wallis bekommen, so morgen gar großen brieff machen wirdt, also zu fürchten habe, daß ich morgen abermahl nicht ahn herrn von Degenfelt würde schreiben können, will ich es heütte thun; den morgen habe ich auch noch ahn mein arme dochter zu schreiben, die auff alle weiß trost von nöhten hatt. Es ist eine verfluchte sach mitt den verfluchten maistressen; sie bringen überal unglück undt seindt verteufelt. Meine arme dochter wirdts gewahr; die ihrige[1] ist ein böß weib, die ihren möglichsten fleiß ahnwendt, ihr ihren herrn gantz abzuziehen. Ich wolte nicht schwehr[e]n, daß sie daß hauß zu Luneville nicht hatt abbrenen machen; den ihr haß gegen meine dochter ist viel größer, alß die liebe, so sie vor den hertzog hatt. Man hatt gefunden, daß ein man kommen, der hatt einer frawen, so ruffen wolte, daß es brendt, den mundt verstopft hatt undt gesagt: Si vous cries au feu, vous estes morte; undt ein anderer hatt gesagt: Ce n’est pas moy qui ay mis le feu au chasteau. Mein dochter meint, es komme von der alten zot[2] her, daß die sie hatt verbrenen wollen, umb sich ahn mir undt meinen sohn zu rechnen[3], waß ihrem du Maine undt seiner gemahlin geschehen. Ich wolte auch davor nicht schwehren; den sie boßhafft genung dazu ist. Aber ich muß meine pausse machen; den ich bin [023] interompirt worden, hab ein brieff ahn die königin von Sicilien schreiben müßen, einen brieff, so ich versprochen hatt ahn die königin durch einen menschen zu schreiben, dem ich einen versprochen hatte; daß hatt mir viel zeit benohmen, wie Ihr woll gedencken könt, liebe Louise! Nun werde ich auch nicht gar lang schreiben können, weillen ich, wie schon gesagt, ahn dem herrn graffen von Degenfelt heütte schreiben will. Wie ich sehe, so regirt le diable au contretemps ebensowoll in Teütschlandt alß hir. Die kinder, so in der jugendt gar schön sein, verderben sich offt. Die lignamenten müßen nicht delicat ahn den kindern sein, umb schön zu bleiben; sie müßen dicke, schir unförmliche gesichter haben, darauff arbeydt die natur undt macht waß schönner; wen aber die gesichter gar woll formirt sein, verdirbt alles im wacksen, die gesichter werden lang, die naßen dick, die meüller größer, alles endert. Aber man [hat] exempel, daß kinder, so hübsch gebohrn sein, lang hübsch geblieben sein, alß nehmblich Ewer schwester s., Friderica; die ist allezeit hübsch geweßen. Ich weiß nicht, ob sie geendert hatt. Ihr habt gar nicht umb verzeyung zu bitten, liebe Louisse, wegen der gevatterschafft; den ich versichere Eüch nochmahlen, liebe Louissen, daß es mich gantz nicht verdroßen, sondern mehr ahngenehm geweßen, daß herr Max sein sohn daß vertrawen zu mir hatt. Wen die conspiration allein von Spaniern geweßen were, liebe Louisse, so were es genung, daß sie endeckt ist; aber durch waß man nun alle tag endeckt, wie viel Frantzoßen in dießer conspiration begriffen undt die reichsten undt grösten herrn von Franckr[e]ich in dießer conjuration begriffen sein gegen meinen sohn, welchen er ahm meisten guts gethan, daß muß ich bekenen, daß mich daß in der seelen ängstiget; den mein sohn hatt nicht allein niemandts, auff wen er sich vertrawen kan, sondern auch sein leben ist nicht in sicherheit, den daran ist ihnen ahm meisten gelegen. Undt daß seindt lautter leütte, mitt welchen mein sohn täglich umbgehen muß. Daß setzt mich nacht undt tag in sorgen; den wen ich meinen armen sohn bey mir habe undt er wieder von mir, bin ich nicht sicher, ihn wieder zu sehen. Alß, wen er von mir geht, wirdt mir daß hertz immer schwer undt mögte lieber weinen, alß lachen. Gott wolle unß gnädig beystehen! wir habens hoch von nöhten. Madame la princesse denckt, wie Ihr sagt, aber madame d’Orleans [024] hatt andere gedancken. Ihr bruder, der hingendt[4], hatt ihr weiß gemacht, daß, wen mein sohn sterben solte, wolte er machen, daß ihr sohn regent solte werden undt sie regentin undt über daß gantze königreich regiren. Daß macht ihr großes hertzenleydt, daß die conspiration endeckt ist. Nun erfährt man alles undt kompt alles herauß. Solche boßheitten, alß ich seytter ich eine zeit her hören, müßen in der höllen geschmiedt sein worden. Es ist schimbfflich, daß Christen so gedencken können. Wen ich Eüch alles sagen könte, liebe Louise, würden Eüch, die Ihr from seydt undt gott fürchtet, würden die haar zu berg stehen undt es vor unglaublich halten; undt es ist doch nur zu wahr. Ich kan mein verwanten so sehr lieben, alß ein anderß; allein die, so ich unwürdig meiner freündtschafft halte, verachte ich mehr, alß frembten; alß zum exempel, seyder ich weyß, daß hertzog Max sich über sein[e]r fraw mutter, unßer s. lieben churfürstin[5], todt erfreuet undt sie bey dem keyßer auß puren interesse verklagt hatt, kan ich ihn nicht mehr leyden, noch von ihm hören. Undt hette ich einen bruder, der solche stückelger gethan hette, wie der duc du Maine, so wolte ich gewiß seinen nahmen mein leben nicht mehr nenen, viel weniger ihn vor bruder erkenen, das glaubt vestiglich, liebe Louisse! Waß so abscheülich ist, da würde ich die meinichen gar woll verlaßen undt mich nie in nichts mischen, so ihnen ahngeht. Unter unß gerett, pfaffen, auff welchen schlag sie auch sein mögen, seindt warhafftig schlime gesellen. Ohne ruhm zu melden, so habe ich gestern mein bestes vor Euere glaubensgenohßen gethan[6]. Mehr kan ich nicht sagen, den es keine postmaterie ist. Aber waß ich ohne scheü sagen kan, ist, daß die mönchen undt meisten pfaffen den teüffel nicht deügen. Wen es war solte sein, waß man vom könig in Preüssen sagt, so ist er in keinem standt, waß rechts zu unterfangen; den man sagt hir, daß er von großen haubtschmertzen gantz zum narn geworden ist. Daß jammert [mich] insonderheit seiner königin wegen, die so eine tugendtsame fürstin sein soll. Ich habe heütte ein schreiben von I. M. bekommen. Ich zweyffle, das Steingens lang hir bleiben wirdt; den er ist in deß Schlieben verrähterey undt brieffen genent. Alle der königin in Spanien leütte verrahten sie alle tag. [025] Die königin hatt nicht willen, auß Bajone zu gehen; es wirdt doch sein müßen, wofern der krieg fortgeht. Der Steingens kan nichts von dießer königin sagen; sie hatt ihn weder sehn, noch sprechen wollen. Die Spanier haben lang auffgehört, ihre[7] ihre gelder zu schicken. Von Kurtz von Kan kan ich nichts sagen, habe ihn nur zweymahl gesehen. Aber da ist ein monsieur Falckenhan, der sagt, er ken ihn gar woll; ist ein rechter betrieger, hatt alles in schulden hir gelaßen undt hatt einen saxsi[s]chen edelman hir, einer von Seydtlitz, 2 demanten gestollen. Es ist kein wort war, daß man ihm commission geben, Reinwein zu kauffen; den den meinen kauffen unßers hertzogs von Lotteringen leütten undt der hertzog schenckt mirs, ob ich zwar sehr gebetten, daß er erlauben möge, daß ichs bezahle. Also ist der herr Kurtz von Kan nicht allein ein dieb, sondern auch ein lügner. Wen Ihr in wieder segt, so sagt ihm hübsch, daß ich sehr übel finde, daß er mir seine metres alß seine fraw pressentirt hatt! Sie ist noch hir, sie hatt [er] pour les gage gelaßen[8]. In meinem sin hatt man sich zu Berlin zu viel geeylt, die leydt in verhafft zu nehmen. Solte die biblioteck zu Berlin verbrandt [sein,] wirdt der verlust höher, alß auff 50/m. thaller, kommen. Ich sage nichts mehr von dem brandt von Luneville, weillen Ihr ihn nun wist, liebe Louisse! Zu Ewerm wunsch sage ich von hertzen amen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vom 17, no 5, follig beantwortet. Ich würde Eüch, liebe Louissen, noch lenger entreteniren, allein ich muß ahn Ewern neveu schreiben, kan derowegen vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich unmöglich dießen brieff überleßen kan, bitte also, die fehler zu entschuldigen, so in großer menge sein müß[en]; den man spilt da ahn meinen lincken seytten ein nagelneü spil mitt einem solchen geraß, daß mir die ohren davon gellen. Adieu! Ich ambrassire, ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Februar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 21–25
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0990.html
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