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Brief vom 4. Februar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


991.


[025]
Paris den 4 Februari 1719 (N. 52).
Hertzallerliebe Louise, ich will heütte ahnfangen, ahn Eüch zu schreiben; den morgen hab ich auff mehr, alß 3 brieff, ahn mein dochter zu antwortten, ich werde aber erst dießen brieff morgen [026] außschreiben. Ich habe auff die post [geschickt], umb nach meinem brieff vom Christag, no 40, mich zu erkundigen. Sie haben auff ihre bücher nachgesucht. Dießer brieff ist gar gewiß von Paris weg, also muß der fehler auff der teütschen post geschehen, welches Ihr dem postmeister von Franckfort versichern könt, liebe Louise! Also segt Ihr woll, daß ich nicht ahn meine Versprechung gefehlt habe. Weßwegen nun unßere brieff alß 2 undt zwey auff einmahl ahnkommen, muß auch eine negligence von der post sein. Freylich ist es ein frech stück vom Schlieben, verliebte lieder auff die königin in Spanien zu machen[1]; aber die arme königin hatt auch groß unrecht, sich mitt allerhandt leütte alzu gemein zu machen. Ich habe es ihr schon offt geschrieben, aber sie hatt mir nicht glauben wollen, will durch schaden weiß werden, wie es I. M. schon nun 2mahl wiederfahren ist, erstlich durch den schelmen undt wirdtssohn, so ihre juwellen gestollen undt sich vor ihren man außgiebt[2], undt jetzt nun mitt dem falschen teüffel, den Schlieben. Daß gesicht solle von der königin gar lang undt, wiewoll mitt einer schönnen haudt, gar heßlich sein, die taille aber undt minen über die maßen gutt undt schön sein. Schlieben ist wunderlich in allem, leügt wie der teüffel; aber er spricht woll undt hatt verstandt, aber die falschheit sticht ihm auß [den] augen. Alle menschen haben daß manifest woll geschrieben gefunden. Der abbé Dubois, meins sohns geweßener precepter, den Ihr vielleicht in Englandt gesehen, hatt es gemacht undt mein sohn corigirt. Der könig in Spanien weiß kein wordt, waß vorgeht; die königin, seine gemahlin, undt der cardinal Alberoni thun alles undt die haben so viel falsche rencken, daß allezeit alles zu förchten ist, mehr vor innerliche verrahterey undt auffruhr, alß der offendtliche krieg, undt da vertrawen sie sich auff in Spanien undt haben hirin recht. Aber ich muß auffhören; den es ist nun zeit, zum könig zu fahren, der mich in seine commedie geladen. Also kommen mir alzeit verhinderungen, wie ichs auch machen mag. Nach der commedie, wen ich wider werde kommen sein, wirdt mein sohn kommen, den ich gestern nicht hab zu sehen bekommen, noch seine gemahlin; den sie war auff landt zu ihrem Bag[n]olet gefahren. [027]
Sontag den 5 Februari umb 3 viertel auff 7 morgendts.
Nachdem ich mein gebett vericht, kome ich nun wider, Eüch zu entreteniren, liebe Louise! Wie ichs gestern abendts bedacht, so ist es mir gangen. Ich bin nicht so baldt wider in meiner cammer geweßen, so ist madame d’Orleans mitt ihren kindtern kommen, hernach mein sohn mitt seiner dochter, die duchesse de Berry. Dieße seindt nicht lang geblieben, sondern mitt einander zu nacht eßen gangen, undt ich hab mich umb halb 10 retirirt undt bin umb 10 ins bett, habe also gar woll früh auffstehen [können]. Ich komme wider ahn Ewer liebes schreiben, wo ich gestern abendts geblieben war. Ich bin [in staatssachen] ebenso ungelehrt, alß Ihr, liebe Louise, immer sein mögt; ich mögte es auch weder wißen, noch practiciren; es gehört zu viel falschheit dazu undt daß kan ich vor meinen todt nicht leyden. Konte er[3] vergeben, daß man einem im gehzorn[4] umbbrächt, alß fal[s]chheit zu üben, wie die politiquen undt staadtsmaner thun. Die zeittung von brandt zu Lun[é]ville ist nur gar zu war. Es were meiner armen dochter schir noch ein größer unglück begegnet, ihr herr ist gar kranck geworden. Die nacht bey dem brandt in den schnee zugebracht [zu] haben, hatt ihm einen fluß auff die brust zuwegen gebracht, daß er viel bludt gespien. Man hatt ihm 3mahl müßen zur ader laßen, hatt dabey ein starck continuirlich fieber gar starck, welches, wie Ihr leicht erdencken könt, meine dochter in todtsängsten gesetzt hatt; den sie liebt ihren herrn nicht wie die frantzösche weiber, sondern von grundt ihrer seelen, ob er zwar anderwerts sehr verliebt ist. Ich glaube, die Craung[5] hatt ihm wie die Neydtschen zu Dreßen[6][7] eine muscketnuß zu freßen geben; den wen er sie nicht sicht, ist er in einer solchen qual, daß er drüber schwitzt. Es ist gewiß etwaß übernatturliches, undt sie hatt die boßheit gehabt, nicht ins schloß zu kommen wollen; er [hat] sie weit in der statt mitt seinem starcken husten suchen müßen. Die hexß hatt ihn nur auß interesse lieb, kan sagen: Gelt, ich hab dich lieb, frägt sonst gar nichts nach ihm. Ihr könt gedencken, waß meine arme dochter bey dießem allem außstehen [muß]; den die Craong geht hart mitt ihr umb, in hoffnung, sie ungedultig zu machen undt ursach zu klagen zu haben, umb den herrn [böse] über meine dochter zu machen, daß er sie haßen undt unglücklich machen mögte; den [028] der man undt die fraw seindt es so interessirt undt boßhafft, alß dencken[8], den hertzog zu ruiniren. Aber mein dochter gouvernirt sich mitt solcher behudtsamkeit, daß ihr herr nichts finden kan, sich gegen sie zu erzürnen. Daß feüer ist gar gewiß mitt fleiß ahngezündt, [da sie] den kerl expresse gehindert haben undt den leütten die meüller gestopfft haben, so ruffen wollen, daß fewer vorhanden; den Luneville ist meiner dochter wittumb. Ich glaube nicht, daß die welt nie bößer geweßen, alß nun. Aber Ihr segt woll, daß, wo ich mich auch hinwenden undt threhen mag, findt sich nichts, alß verdrießlichkeitten, undt nirgendts keine freüde. In Lotteringen hatt man keine vorsorg vor nichts; den wie alles durch den Craong regirt [wird] undt er ahn nichts gedenckt, alß nur seine cr[e]aturen zu placiren undt von alles gelt zu ziehen, so geht alles auch drunter undt drüber undt meine arme enckel werden in den grundt ruinirt, welches mir, wie ihr leicht dencken könt, auch nicht woll gefahlen kan. Daß schloß zu Lineville ist woll von stein gebauet, allein wie der brandt bey dem dach ahngefangen, wo viel holtz war, ist es gleich gar grimich geworden; den es war alles voller meuble. Gottes segen hette man warlich ahn allen endt undt ecken hoch von nöhten; aber man solte auch darnach leben, solches zu merittiren, undt daß sehe ich nirgendts, also mitt recht noch viel straff gottes zu förchten ist, liebe Louisse! Gestern ist die zeittung auß Schweden hir auch gekommen, daß die printzes von Schweden zur königin erkläret worden. Aber daß ist noch nicht genung; ich mögte gern meinen vettern, dem landtgraffen, die cron wünschen undt könig sehen. Ich fürcht, [daß] die unterthanen zu Zweybrücken nicht lang mitt ihrem hertzog zufrieden sein werden; den, unter unß gerett, er ist gar ein wunderlicher kopff, wolte vor ein par jahr seine gemahlin abschaffen zu dem pretext, weillen er catholisch undt sie lutterisch, undt madame de Vandosme heürahten. Wie er sahe, daß das nicht ahngehen konte undt man ihn mitt außlachte, ging er wider nach Strasburg. Er ist noch über daß langweillig undt verdrießlich. Aber ich glaube, Ihr kendt ihn woll. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vom 21, no 16, vollig beantwortet; ich komme jetzt auff daß vom 14, no 5. Die posten gehen gar unrichtig, daß ist gewiß. Es fehlt mir keines von Ewern lieben [029] schreiben doch. Ich bin nun von meinen husten courirt undt zimblich woll, außer den schlaff, mitt dem es sehr übel geht. Daß ist aber kein wunder, den ich hab den kopff zu voll verdrießliche sachen. Auff freüde wardt ich nicht; wen nur nicht schlimers kompt, werde ich woll zufrieden sein, dancke Eüch doch sehr vor Ewer gutte wünsche. Ich mogte gern noch mehr von denen schraubthaller, aber mitt dem beding, daß ich sie bezahlen solle undt Ihr mir schreiben mögt, waß sie kosten; werde mich informiren, waß 13 thaller, 71/2 batzen in frantzosch gelt machen. Keine conspiration ist leyder war geblieben, alß die unßere hir, so nur gar zu wahr. Mademoiselle du Maine ist ein kindt von 8 oder 9 jahren, konte also nicht in die conspiration sein, ist auch nicht bey ihrer groß fraw mutter, sondern in ein closter. Der comte de Thoulousse hatt seine neveu auch nicht bey sich behalten; man hatt sie auff ihre eygene gütter geschickt nach Eu. König Philip ist nicht todt, aber gar kranck[9]. Dießer könig ist ein gutter mensch, aber sehr opiniatre; wen man ihm einmahl waß in kopff gesetzt, kan [es] ihm kein teüffel herauß[bringen]. Die printzes de[s] Ursin hatt ihm im kopff gebracht, mein sohn stünde ihm nach dem leben; daß kan ihm kein mensch wider heraußbringen, drumb hast er meinen sohn abscheülich. Der krieg ist hir gegen Spanien declarirt sowoll alß in Englandt. Ich frühstück mein leben nicht, colationire auch nicht, thue nun nur eine eintzige mahlzeit, nehmblich zum mittageßen. Ich mag kranck oder gesundt sein, nehme ich mein leben keine fleischbrühe; habe schir nie hunger. Mein enckel ist keine Carmelittin geworden, sondern eine Benedictinerin zu Chelle, 4 me[i]hl von hir. Hette monsieur Gueneault[10] nicht von religion gepredigt, hette man ihn nicht verklagt; den die es nicht [030] thun, von denen sagt man nichts. Er schreibt poßirlich. Ich erinere mich Schwetzingen, alß wen ichs vor meinen augen sehe. Hiemitt seindt Ewere zwey schreiben vollig beantwortet, daß 3te von 20 December, no 100, ist zu alt, umb weitter davon zu sprechen, sage also nur, daß ich Eüch ambrassire undt von hertzen lieb behalte.
Hertzallerliebe Louisse, ich komme in dießem augenblick auß dem opera undt mache Ewer paquet auff undt gebe mein sohn eben der fürstin von Nassau placet ahm könig. Sie hatt gemeint, sie hette mir auch eins vor meinem sohn geschickt; daß habe ich aber nicht entpfangen. Ewer liebes schreiben ist vom 24 Jan., no 7, ich kan aber ohnmöglich heütte drauff andtwortten; den mein dochter brieff ist nicht außgeschrieben. Gutte nacht den, hertzliebe Louisse! Ich schicke Eüch hirbey die entrée von mylord[11]. Ich habe sie nicht gesehen, den ich bin nicht curieux von mein naturel[12].
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Februar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 25–30
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0991.html
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