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Brief vom 9. Februar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


992.


[030]
Paris den 9 Februari 1719 (N. 53).
Hertzallerliebe Louise, ich hatte gedacht, Eüch heütte einen großen brieff zu schreiben undt gar exact auff Ewer liebes schreiben, so ich vergangen sontag abendts spät entpfangen, zu andtwortten undt Eüch wieder einen großen brieff zu schicken; allein wie man hir im sprichwort sagt, le diable au contretemps qui ne dort jamais, hatt mir einen brieff von der armen königin in Preüssen abermahl geschickt, den ich habe beantworten müßen. Daß hatt mir meine gantze morgendtszeit abgenohmen. Es hatt schon 10 [031] geschlagen, habe Eüch, liebe Louise, also nur noch anderthalb stundt zu entreteniren; den dießen nachmittag fahr ich zur großhertzogin undt abendts hatt man allezeit viel verhinderung; zudem so muß ich leyder frühe nach bett undt eße gar nicht mehr zu nacht, welches mir verdrißlich genung ist, aber es muß sein. Die boße wege müßen verhindern, daß Ihr meine schreiben nicht entpfangt; sie müßen abscheülich sein, wie man mir sie beschreibt. Die gutte fraw Zachman, so vergangenen montag von hir weg ist, wirdts finden. Ich habe ihr keinen brieff vor Eüch, liebe Louisse, mittgeben; sie wirdt zu lang unterwegen sein. Sie ist so abscheülich mager hir geworden, daß ich sehr fürchte, daß sie die schwindtsucht ahm halß hatt. So baldt mir mein sohn eine possitive andtwortt auff der fürstin von Ussingen begehren wirdt gegeben haben, werde ich ihr andtwortten. Roussillon, dießer fürstin neuveu, hatt gar nichts übels ahngestelt, sondern sein … der ihn nicht in sein segret gesteckt, undt dießer arme mensch kan nichts darvor, waß sein schwigervatter übels gethan. Ich muß gestehen, daß ich eine imprudence undt estourderie gethan. Wie ich Ewer paquet auffgemacht undt curieux war, zu wißen, wer die unbekante handt war, laß ich der fürstin brieff eher den Eürigen. Mein sohn war eben in meiner cammer, also wolte keine zeit verliehren, gab meinen sohn daß memoire gleich, ohne weyter zu leßen, waß sie ahn Eüch schreibt. Ich zweyffelte nicht, daß sie ihrer schwester würde davon geschrieben haben, sagte also ahn baron von Roswurm, so eben bey mir war: Da segt Ihr, daß ich der fürstin von Ussingen memoire gleich ahn meinem sohn gebe; sagts madame Dangeau! Wie Roswurm [weg war,] laß ich Ewern brieff undt auch den, so die fürstin ahn Eüch schreibt; sahe darauß die sottisse, so ich gethan hatte; ich hatte doch nicht gesagt, waß die sach. Andern tags kompt mir baron Roswurm sagen, madame Dangeau wiße nichts von der sach, ihr frau schwester hette ihr nicht geschrieben undt sie bätte mich, ihr sagen zu laßen, waß es wer, daß ihre schwester begehre. Ich sagte, es were etwaß wegen ihres bruders gütter; dabey ist es geblieben. Den herrn pressidenten von Görtz habe ich mitt eygener handt geantwortet; wundert mich, daß er meinen brieff noch nicht entpfangen hatt. Es war donnerstag, den 19 Januari, daß ich ihm geschrieben habe; solte es also nun gar gewiß haben, habe es gar nicht vergeßen. Es verdriest mich gar nicht, sage ja gleich, waß ich thun kan oder nicht. [032] Geplagt bin ich hir, daß ist gewiß undt war, aber nicht durch [Eüch]; habe alle tag waß neües verdrießliches. Vorgestern wahren meine zwey kleinste enckeln den gantzen tag bey mir, sungen, sprungen, waren in aparentz gesundt undt lustig; aber selbe nacht bekam mademoiselle de Chartre, welche die allerjüngste von allen meins sohns kindern ist, ein schön kindt, daß fieber undt schlegt auß; man meint, daß es die kinderblattern sein. In 6 wochen will ich nicht zum könig; den solte er in 10 jahren die kinderblattern bekommen, würde man sagen, ich hette es I. M. gebracht. Ich habe Eüch schon deß hertzogs von Lotteringen gefahrliche kranckheit bericht. Er ist doch, gott lob, außer gefahr. Daß feüer ist gar gewiß mitt fleiß eingelegt worden undt mein dochter soubconirt[1] die alte zott zu St Cire[2], umb sich zu rechen vor waß man ihrem du Maine gethan; den man hatt leütten daß maul gestopfft, die, nachdem sie den brandt gesehen, haben ruffen wollen, undt dießer kam auß der baracke, so ahm ersten in brandt gangen, undt dießer ist ein kerl, so bey der alten zott niepce gedint hatt. Der teüffel in der hölle ist nicht so böß, wie dießes alte weib, so, wie man sagt, nun über die 84 jahr alt ist. Es were doch zeit bey ihr, frommer zu werden, wen sie nicht gar in die hölle fahren will, welches sie von jugendt auff biß jetzt gar woll verdint hatt. Alle[r] leütte, so ich bey hoff gesehen, nahmen weiß ich nicht; es kan also gar woll sein, daß ich den Francheville offt gesehen, ohne seinen nahmen zu wißen; den ich gehe mitt gar wenig leütten umb, habe auch kein gedachnuß, die nahmen zu behalten. Wer sein gelt nur in pretentionen hatt, kan nicht gar reich sein. Alle Frantzoßen wollen allezeit jünger sein, alß es sich in der that befindt. Man hatt seine etlich undt 60 jahr nicht umbsonst, man sichts baldt. Die große desbeauchen gethan, werden alter von gesicht mitt den jahren, alß die, so fromer geweßen. Waß ahm meisten veralt, seindt die desbauchen mitt buben. Ich muß lachen, daß Ihr sagt: Die fürstin von Siegen ist leyder wider hir. Aber da ist Ewer schreiben halb beantwortet, liebe Louise! Ich muß nun meine pausse machen.
Den donnerstag 5 uhr abendts.
Seyder heütte morgen, wie ich auffgehört, zu schreiben, hatt [033] man mir Ewer liebes schreiben von 28 Jan., no 8, enpfangen[3]. Ich komme in dießem augenblick von der Place-royale, wo ich die großhertzogin besucht, welche ich in gutter gesundtheit gefunden, gott lob! Ich werde den heütte ahngefangenen brieff, wo mir möglich ist, völlig außschreiben, den letzten aber vor biß sontag sparen. Die fürstin von Siegen hatt gar woll gethan.
In dießem augenblick komme ich auß der opera; es war nicht Iphigenie, sondern Les ages[4], wo gar ittalliensche maniren in sein, undt ich kan die ittalliensche musiq gar nicht vertragen. Aber ich komme wider auff Ewer liebes schreiben. Wir wahren ahn den fürst von Siegen geblieben; der ist gar gewiß nicht todt, sondern er hatt ein heüßgen bey Charenton geheüret[5], da steckt er allezeit drin. Seine gemahlin hatt groß recht, sich in kein closter zu speren; man wirdt eer schlimmer, alß beßer, drin; ahnstatt gottsforcht ist nichts, alß betrigerey undt leichtfertigkeit, drin. Nichts ist weniger capabel, in sich zu gehen machen. Ich sehe woll, daß Ewer vetter, so jetz[t] bey Eüch geweßen, herr Christoff sohn muß sein, so wir den obersten hießen undt ein schaden ahm aug hatte. Weillen sein regiement in 7benbürgen ist, so solt Ihr ihn doch fragen, ob er keine histörger dort von dem geist gehört hatt, so man Rübenzahl[6] heist. Man muß die warheit gestehen, man hört gern guts von seinen nahen verwanten undt daß sie sich alß ehrliche leütte auffführen undt man sie so woll estimiren, alß lieben kan. Ihr sprecht mir von deß herrn Degenfelts tante von der mutter seytten, sagt aber nur die graffin von; daß überige bläst der wachter[7], wie der mar[s]chalck Steincallenfels alß pflegt zu sagen; den ich habe von viellen gehort, daß der keißerin Amelie[8] ertzhertzoginen woll erzogen sein, arttliche taillen haben, woll dantzen, aber nicht schön von gesicht sein. Die keyßerin Amelie ist gewiß wegen ihres [034] verstandts undt tugendt lobenswehrt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, liebe Louise! Ich muß schließen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Februar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 30–34
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0992.html
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