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Brief vom 2. März 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


997.


[047]
Paris den 2 Mertz 1719, umb 7 morgendts (N. 59).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch vergangenen sontag abendts bericht, wie daß ich Eüer liebes schreiben vom 14 Februari, [048] no 13, zu recht entpfangen, worauff ich heütte andtwortten werde. Ich kan mir nicht einbilden, auß waß ursachen Ihr die letzte post meine brieffe nicht entpfangen; den ich habe gewiß nicht gefehlt, zu schreiben. Ich meinte, die starcke winde, so wir gehabt, würden die wege getrucknet haben. Seyder vergangen sontag ist der winter gantz ahnkommen undt es friert alle nächte; daß solte die wegen auch befestigen, kan also nicht begreiffen, waß die post auffgehalten hatt. Ihr werdet gewiß ein par auff einmahl bekommen. Ihr habt keine entschuldigung zu machen, liebe Louisse, wen Ihr mir sagt, daß Ihr ahn mich gedenckt undt mich lieb habt; den daß ist naturlich undt Ewere gutte conduitte thut mir ehre genung ahn, umb es gern zu hören. Wolte gott, daß alles, waß mir zugehört, sich so woll hilte undt mir ursach geben wolte, sie zu lieben undt estimiren! Ihr werdet auß meinem brieff von vergangen sontag ersehen haben, liebe, wie wenig ursach ich habe, ruhig undt nicht mehr in sorgen zu sein. Aber ich hoffe, daß unßer herr gott Ewer gutt gebett vor unß erhören wirdt undt meinem sohn undt mir beystehen. Es ist keine einfalt undt die h. schriefft lehret unß, daß das gebett von puren undt frommen seelen bey gott dem allmachtigen waß gilt undt erhört wirdt. Also bitte ich Eüch, liebe Louise, zu continuiren. Wir habens leyder noch hoch von nöhten; es ist gar keine aparentz zur ruhe undt der boßen leütten boßheit nimbt er[1] zu, alß ab. Solte mein sohn sich allein ahn Teütschen vertrawen, würde er den rest, so ihm von dießer nation ahnhengt, gegen sich erbittern; sie haßen alle unß Teütschen ohne daß genung. Zu dem, so glaube ich nicht, daß es war ist, daß der keyßer teütsche troupen herschickt. Ich verstehe die staadtssachen weniger, alß Ihr; allein ich weiß woll, daß man es meinem sohn nicht gutt heyßen solte, frembte truppen inß landt zu führen. Ich weiß, daß man ahn einen vergleich arbeyt, aber der könig in Spanien undt der Alberony haben einen solchen abscheülichen haß gegen meinen sohn, daß ich nicht glauben kan, daß waß guts darauf erfolgt. Ich sehe, daß Ihr undt ich es machen, wie Jodelet prince[2]: La paix et dieu vous gard! Ich glaube nicht, daß in der versamblung zu Darmstat gar zu viel waßer gedrunken wirdt werden. Wie ich [049] gehört, so solle Churpfaltz wider zu Heydelberg sein. Die gutte, ehrliche fraw von Zachman ist nun auch wider dort, sie hatt ahn eine von ihren gutten freündinen hir geschrieben, daß gantz Heydelberg zu ihr kommen undt mitt großer affection nach mir gefragt hatt; die threnen seindt mir hirüber in den augen kommen. Ich habe schlegte opinion, daß daß opera zu Darmstatt gar schon kan sein; den man kan jetzt hir kaum ein schönnes machen, undt umb waß recht zu sehen undt zu hören, muß man die alten wider hir versuchen, will den geschweig[en] zu Darmstatt, wo gar gewiß daß orquester nicht so schön noch gutt sein kan wie hir. Ich weiß nicht, waß die marquise de Meuve vor ein bürschen ist; hir habe ich von keiner deß nahmens gehört, glaube, daß es eine avanturiere ist. Man nimbt solche art leütte gar zu leicht ahn den teütschen höffen auff. Ich habe noch der zeit nicht gehabt, meinen sohn nach dem Francheville zu fragen. Ich sehe meinen sohn weniger hir, alß zu St Clou, ob wir zwar so nahe bey ein[an]der logirt, daß wir nur eine antichambre vor unß beyden haben. Es ist heütte der 3te tag, daß ich ihn nicht gesehen habe. Er arbeydt abscheülich, undt daß augenblick, so er hatt, von seiner großen undt starcken arbeydt zu ruhen, würde ein schlecht zeitverdreib vor ihm sein, bey seiner alten mutter undt ihren alten damen zuzubringen; undt daß er lieber bey seiner elsten tochter undt ihren jungen damen, wozu noch andere kommen, so er nicht hast undt welche ihm lust geben, ist, welche auch 3 oder 4 mahl die woch mitt zu nacht speisen, daß kan ich ihm nicht verdencken, ist gar zu natürlich. Wen er aber nach St Clou, bleibt er ein par stundt bey mir, kan also so viel mitt ihm plaudern, alß ich will, so ich, wie Ihr segt, liebe Louisse, auß waß ich schon gesagt, hir nicht thun kan. Ihr werdet auß meinen letzten schreiben eins ersehen, welche estourderie ich mitt der fürstin von Ussingen brieff undt secret begangen; schäme mich zwar darvor (den in meinem alter ist es nicht erlaubt, estourdie zu sein), es kan mir aber nicht leydt sein, den Ihr könt woll gedencken, daß madame Dangeau, so meine gutte freündin ist, mir lieber, alß die fürstin von Ussingen, so ich nicht kene, ist. Unßere liebe printzes von Wallis hatt mir ein gedruckt papir geschickt von den divertissement, so der könig in Polen, nein, ich betrige [050] mich, es seindt der margraff von Bareydt[3] undt die fürsten von Eyßennach, nein, ich betrieg mich, es seindt die von Anspach, so zu Christian Erlang[4], so die refugirte gebawet, gar ein ordentliches carnaval gehalten worden, so den 16 Januarie ahngefangen undt 5 gantzer wochen gedawert. In dießem augenblick entpfang ich Ewer paquet, liebe Louise, sambt den brieff von baron Görtz sambt den abriß von Schwetzingen, wovor ich Eüch sehr dancke. Daß gutte Schwetzingen ist sehr gewacksen, seyder ich weg bin; ich habe es mühe zu kennen, den es hatt denselben eingang nicht mehr, so es gehabt hatt, noch die 3 balcon, den die brück war gegen meine fe[n]ster über, undt nun ist der eingang gegenüber dem alten gebau undt wo die küche war undt oberstleüttenampt Closen cammer. Aber daß kompt nicht zu der advenue von Heydelberg; den die ist gantz auff der lincken handt. Also kan ich gar nicht begreiffen; man muß den graben gantz bedeckt haben undt, wo die mühle im vorhoff war, daß gebäu von der rechten handt gemacht haben. Ich muß aber auffhören, den ich gehe in die predig au Quinse vint[5]. Dießen abendt [werde ich] außschreiben, den nach dem eßen werde ich zur großhertzogin.
Donnerstag, den 2 Mertz, umb halb 3 nachmittags.
Nach der predig undt meß bin ich wider herkommen undt hab zu mittag geßen. Nun kommen meine kutschen, zur großhertzogin zu fahren, muß also noch eine pausse machen; dießen abendt hoffe ich follendts außzuschreiben.
Donnerstag, den 2 Mertz, um halb 6 abendts.
In dießem augenblick komme ich von der großhertzogin, wo mir ein affront begegnet. Wie ich zwey nächte nicht geschlaffen und eben vom eßen kam, habe ich gleich endtschlaffen, so baldt ich mich niedergesetzt, undt habe eine gutte zeit geschlaffen. Nun werde ich Eüch entreteniren, so lang es mir möglich sein wirdt. Die arme madame Dangeau ist gar nicht reich. Die kleine [051] Coursillon wirdt nie gar reich werden. Ich kene all ihre verwandten, so alß leütte de calité zu leben haben, aber gar kein überfluß noch reichtum bey ihnen. Es gehört gar viel dazu, umb hir reich zu sein; der luxe hatt sehr übel überhandt genohmen undt alles ist so thewer, daß alles auß allen preiß ist. Mein sohn hatt mir seyder dem nichts davon gesagt. Man thut die lettre de naturalité[6] nicht umbsonst; es kost zimblich viel gelt. Ich weiß nicht, ob die fürstin von Usingen dießes weiß. Hiemitt ist Ewer erstes liebes schreiben vom no 13 vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß, so ich heütte morgen entpfangen. Aber da kompt madame la duchesse d’Orl[é]ans; also muß ich wieder willen schließen undt die andtwordt von Eweren lieben schreiben vom 18 Februari, no 14, biß auff zukünftigen sontag sparen, wofern mir gott daß leben lest. Schließlich werde ich nur hiemitt sagen, daß wir gantz undt gar nichts neües hir haben undt daß es Eüch nichts neües sein kan, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt alleze[i]t lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. März 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 47–51
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0997.html
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