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Brief vom 16. März 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1001.


[061]
Paris den 16 Mertz 1719, umb 8 mor[g]endts (N. 63).
Hertzallerliebe Louisse, gestern abendt, wie ich wider von Chelle[1] kam, wurde ich mitt Ewer liebes schreiben vom 4, no 18, [062] erfrewet; aber wie sie beyde nicht gar lang sein, glaube ich, daß ich sie heütte woll alle beyde werde beantwortten können. Ich weiß nicht, wie es kompt, daß meine brieffe so unrichtig gehen, daß die ersten vor die letz[t]en kommen; aber weillen hirin nichts zu endern stehet, muß man nur froh sein, wen sie nicht gar verlohren gehen. Es were mir leydt, wen mein letztes paquet von vergangenen sontag verlohren wehren solte, weillen 11 louisdor vor die talckbücksger drinen seindt undt eine andtwort ahn die fürstin von Ussingen. Es fehlt Eüch eine sontagspost, aber ahn dem ist nicht viel gelegen, doch verdrießlich, daß die posten so unrichtig gehen; man wirdt vielleicht, wie mehrmahl geschehen, Eüch die post hernach zwey auff einmahl gebracht haben. Unrichtig gehen die posten, daß ist gar gewiß. Mich wundert, daß Ihr so gar nahe bey offtern[2] zum h. abendtmahl gehet. Heütte mogte die predig auch woll meinen brieff … den ich werde umb 11 in die fastenpredig in der negsten kirch hirbey. Es ist ein abt, so dort predigt; er predigt gar gemeine predigten, ist nicht wie der evesque de Clermont[3], so admirablement woll predigt; er sagt nicht ridiculles, dießer, muß man also mitt vorlieb nehmen[4]. Unter unß gerett, keine predig, so gutt sie auch sein mag, kan mich nie erfreüen; ich sehe es vor gutt ahn, aber nicht vor erfreülich. Ich bin woll persuadirt, liebe Louise, daß, wen unßer herr gott Ewer gebett erhört, daß es meinen sohn undt mir zu nutz kommen [wird]; wir habens hoch von nöhten, man ist verpichter auff meinem sohn, alß nie. Bey allen boßhafftigen hatt allezeit falschheit vor klug passirt. Ein gutt hertz undt gemüht kan nicht falsch sein; den falschheit nur in bößen hertzen undt gemühtern stecket. Man muß zu unßers landt schande gestehen, daß die Teütschen, so in Englandt mitt unßerm teütschen könig sein, alle viel arger undt falscher, alß die Engländer selber, sein. Nein, vor dießem war ein großer hoff hir, alß nun ist; den nun ist nirgendts kein hoff mehr hir. Aber zu der zeit ging alles beßer undt auffrichtiger her, alß nun. Ahn daß particulir leben kan ich mich nicht gewehnen. Ehe die zweytte printzes undt der printz von Preüssen werden heürahten, wirdt noch vielle waßer unter der brücken vorbeylauffen, wie man zu [063] Heydelberg zu sagen pflegt. Königin werden halte ich nicht vor den glücklichsten standt; ich hette es mein leben nicht sein mögen; man [hat] nichts, alß mehr zwang, alß ein anders, keine gewalt, ist wie ein idolle, muß alles leyden undt doch zufrieden sein. Es ist, waß man ein sot mestié[5] heißen kan, purer[6] rauch undt vanitet undt nichts solides. Hiemitt ist Ewer liebes letztes schreiben vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß erste. Wir haben hir auch einen gar kurtzen frost gehabt undt nicht gar starck, nur von sontag biß mitwogen, hernach regen undt nach dem regen daß schönste frühlingswetter von der welt. Alles ist grün im felt, die roßen undt grußelberg-hecken[7], daß korn schiest in ähren undt die gärtten seindt voller blumen, nartzissen undt jacinthen, margritten[8] undt noch andere blumger, undt mehr warm, alß kalt; keinen schnee haben wir hir gesehen. Ihr habt groß recht, liebe Louise, Eüch ahn daß wetter zu halten; den wen mir waß geschehen were, würden alle gassetten voll davon sein. Ich bin, gott seye danck, in langer zeit nicht so gesundt geweßen, alß nun. Wen ich nicht so große ursach hette, wegen meines sohns in sorgen zu sein, würde ich all ruhig leben. Aber dieße sach benimbt mir manchen schlaff. Im Elsaß bin ich nicht gehast, weillen ich so glücklich geweßen, noch zu deß königs s. zeitten der ritterschafft dort einige dinst zu thun undt dem könig ahm tag zu geben, wie etliche schelmen dort die ritterschafft unterdrucken [wollten] undt man dem könig ihr suplicationen nicht zukommen wolte laßen. Ich habs dem könig geben, daß wißen mir die gutte leütte danck. In Franckreich [bin ich] außer [zu] Paris, glaube ich, nicht gar beliebt; zu Paris bin ich nicht sonderlich gehast. Man will mirs danck wißen, nach meinen standt zu leben. Freylich hette ich nicht errahten können, daß man so favorabel von mir in Francken reden solte; kan die ursach dießes glücks nicht erdencken. Die gräffin von Papenheim muß noch ihrer mutter bludt in den adern fehlen[9], sich vor mich zu interessiren. Danckt ihr doch gar sehr von meinetwegen, liebe Louise! Ein hohes alter wünsche ich mir nicht; ich fürchte daß krancklich-werden undt auch daß fablen, welches mir leicht geschehen könte mitt dem kurtzen gedachtnuß, so ich habe. Es ist allezeit ein groß glück, wenn gutte, ehrliche leütte sich vor einem [064] interessiren. Von dem scharmützel, so hir im landt vorgangen sein solle undt in den holländischen gazetten gestanden, da hab ich nichts von gehört; so sachen verzehlt man, wen sie geschehen, so lang meines sohns regence dauern wirdt. Ich habe vorgestern aber ein schreiben vom 6 Mertz / 26 Feb. von der printzes von Wallis bekommen; aber da war noch nicht die geringste aparentz vom frieden zwischen vatter undt sohn. Ich dancke Eüch sehr, liebe Louisse, mir geschickt zu haben, waß zu München passirt. So sachen amussiren mich sehr, erinern mich ahn meiner jugendt. Ich gestehe, daß mir die gutte alte teütschen divertissementen, außgenohmen die commedien, noch beßer gefahlen, alß alle frantzosche divertissementen. Daß ewi[g]e carttenspiel ist mir, so woll alß die bals in masquen, unleydtlich. Den operaen bin ich recht müde, den ich sehe nicht gern dantzen; ihr ewiger menuet ist mir gar zu verdrießlich. Daß unverschambte leben, so man hir führt, eckelt mich recht, undt wens leütte sein, vor welche ich mich interessire, betrübt michs. Printz Ferdinantz von Bayern heüraht weiß ich len[g]st. Dießer printzessin fraw mutter hatt in der zweytte ehe unßer großhertzogin zweytten sohn geheüraht; ich habe ihn hir gesehen. Es ist eine schlimme ehe, sie könen sich nicht leyden. Printz Gaston hatt verstandt, verzehlt sein[e]r gemahlin leben gar possirlich. Aber da schlegt es 10, ich muß mich ahnziehen. Dießen nachmittag werde ich dießen brieff außschreiben.
Heütte morgen bin ich ahn printz Gaston [geblieben]. Dießer seüfft nicht weniger, alß pfaltzgraff Philip gethan hatt. So ein heüraht konte hir nicht geschehen, den die weiber hir seindt gar nicht meister von ihr eygen gutt. Der man ist le maistre de la comunauté, wie sie es heißen, undt ohne sein urlaub kan die fraw nichts kauffen, noch verkauffen von ihrem eygenen gutt. Printz Gaston sagt, seine gemahlin trag[e] einen silberne[n] gürttel, woran gar viel schlüssel hencken undt auch die küchen- undt kellerschlüßel undt speycher[schlüßel], wie eine beschlißerin; daß ist ja gar nicht fürstlich. Der hertzog von Saxsen Lauenburg muß einen liederlichen hoff gehalten haben; jedoch, so sagt man, daß die margraffin von Baden woll erzogen sein solle. Wie kan den daß zugehen? Ich kans nicht begreiffen; den ja kein exempel ist, daß fürstinen so gelebt haben wie die g[e]ringste bürgersleütte. Ich finde, daß printz Gaston recht hatt, solches übel zu finden. Von zu viellen dantzen [065] kan man ohnmöglich die gelbsucht bekommen, ehr von chagrin undt zu fiehlen wachen. Docktor Breüner solle gar ein geschickter man sein, habe ihn sehr loben hören. Ich haße den saffran unerhört; saffran undt wein undt rossenmarin muß ein doller geschmack durcheinander sein. Hiemitt seindt Ewere beyde schreiben vollig beantwortet, werde also kan ich nichts mehr [sagen,] alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. März 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 61–65
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1001.html
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