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Brief vom 4. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1015.


[106]
St Clou den 4 May 1719, umb 7 morgendts (N. 82).
Hertzallerliebe Louisse, Ewer liebes schreiben vom 18 April kam vergangenen sontag zu spätt, umb es zu beantwortten. Drumb habe ich es biß jetzt versparen müßen; heütte aber hoffe ich auff [107] Ewere beyde schreiben exact zu andtworden; den ich habe auch noch daß vom 4 April, no 27, so ich bißher noch nicht habe beantwortten können, fange aber bey dem frischten ahn. So baldt mir die fürstin von Ussingen wirdt auff die puncten geantwortet haben, so ich Eüch vor 8 tagen geschickt, so werde ich ihr ihre lettre de naturalité schicken; den die andtwort auff die fragen müßen drin stehen. Waß es kost, wirdt nicht ahn abbé Dubois bezahlt werden müßen, sondern ahn die, so daß Siegel ahnhencken; daß ist ein droict. Ich bitte Eüch, liebe Louise, danckt doch lady Holdernesse gar sehr vor ihr ahndencken! Sie schreibt recht woll frantzösch undt mitt großer politesse; ihre handt ist gar nicht heßlich, leßlich, gleich undt eine gar gutte ortograffe, welches mich recht wunder nimbt; den gar wenig damen wißen es, Frantzößinen selber fehlen schir alle dran. Ich corigire offt meine dochter, gar offt; den ich weiß l’ortograffe zimblich woll. Ich darff ihr nicht offriren, corespondentz mitt ihr zu halten; den ich habe schon so unerhört viel zu schreiben, daß ich fürchte, nicht exact genung in meinen andtwortten zu sein können, bin ihr aber sehr verobligirt vor alle amitie, so sie mir bezeügt, undt bitte sie sehr, mir solche zu continuiren. Es ist recht artig, mahlen zu können; ich wolte, daß ichs könte, amussirt sehr. Mein sohn mahlt nicht übel, hatt aber nun keine zeit mehr dazu, nur zu viel zu thun; fürchte, daß es ihn endtlich in gefahrliche kranckheytten setzen wirdt. Es ist ein glück, wen mein patte davon kompt, daß sie die kinderblattern so jung hatt; wirdt nicht gezeignet bleiben, sondern alles außwacksen. Man solte ihr ein grain von dem myledy-Kendt-pulver[1] in der ammen milch geben; es würde es salviren. Ein kindt von dem alter kan wenig freüde geben; sie thun in dem alter nichts, alß schlaffen undt saugen. Kan es von den blattern [davon kommen,] wirdt sie gesundt werden; den daß wirdt alle böße humoren vertreiben undt andere kranckheitten verhütten. Die printzes von Wallis ist persuadirt, daß deß königs docktor nicht gutt ist, ihren jüngsten printzen auch umbgebracht hatt, undt er hatt der graff[2] Degenfel[t]s dochtergen tractirt. Den mänern schadt die betrübtnuß mehr, alß den weibern; weiber seindts mehr gewondt. Also wundert es mich nicht, daß sich der graff Degenfelt sich nicht so geschwindt hatt erhollen können, alß [108] seine gemahlin. Es ist mir lieb, daß Eüch die reiß-gedancken vergangen sein; den die englische lufft ist Eüch nicht so gesundt, alß die liebe teütsche lufft, undt über die untrewe see zu fahren, ist doch allezeit gefährlich; drumb bin ich recht fro, daß Ihr nicht mehr ahn dieße reiße gedenckt. Wen die see keine gefahr hatt, warumb gehen den so viel schiff unter? Die spanische flotte hatt kein groß gelück; der windt hatt sie übel tractirt, haben wider nach hauß gemüst. Ein schiff ist ihnen gar versuncken, daß ander hatt seinen mast verlohren; also haben vor dießmahl weder Englandt, noch Franckreich nichts zu besorgen. Ihr müst Eüch nicht wundern, liebe Louise, über waß die duchesse de Longueville gesagt[3]; daß seindt gentillessen hir bey den galanten damen. Les pains benis undt seine ceremonien seindt in keinen andern landt, alß in Franckreich[4]; ist gar ein altes herkommen undt kompt von der comunion, so man vor dießem in brodt in den kirchen der gemeine außgetheilt hatt. Alles, waß von einer paroise ist undt so viel mittel hatt, 3 oder 4 pain benis gebens ahn ihrem … daß gibt offt große disputten, wer es vor oder nach geben solle. Die kirch verliehrt nichts dabey, den man gibt lichter mitt gelt; die gantze maison royale gibt ahn daß licht, so ihr ausmonier[5] pressentirt, 13 escus d’or; also ist dieße ceremonie zu der paroisse besten. Wen die meß zum endt ist, schneydt man le pain in stücken undt pressentirt es unß; man ists[6] in der kirch, aber man schickts auch in den cammern; es schmeckt wie ein kuchen. Daß wetter ist nun schön, aber es geht ein gar kalter [wind], so, ich fürchte, wein undt frucht verderben wirdt. Es muß der fraw von Veningen zu Heydelberg gefahlen, weillen sie so sehr wider hin eylt. In der statt gefiehl mirs nicht. Die fraw von Veningen, so Ihr die generallin heißt, ist scrupulos wegen der nahe[n] verwandt[schaft], meindt, die heürahten wehren[7] unglücklich, wen geschwister-kindt einander nehmen; der sohn aber ist nicht so scrubpulos. Waß noch drauß werden wirdt, solle die zeit lehren. Ich misch mich nie in waß Rom ahngeht; der papst undt ich haben kein commers mitt einander, werde also dieße dispense, noch kein ander bey ihm ersuchen. Ich halte nichts von ihm undt bin gar nicht papistisch, habe es lautt [109] declarirt. Die fraw von Veningen, wie ich höre, solle sehr pfäffisch sein. Daß ist widerlich; alle pfaffisch[en] leütte seindt opiniatre, ohne raison undt unleydtlich. Alle juwellen, perlen, rubinen, demanten, alles ist theüerer worden. Die jubillirer lügen abscheülich. Es ist kein wordt war, daß ich von nahmen geendert habe. In Franckreich kan ich keinen andern nahmen haben, alß Madame; den mein herr ist deß könig s. bruder, undt deß königs bruders frawen haben keinen andern nahmen so woll alß deß königs dochter; dieße aber zu unterschieden[8] setzt man den tauffnahmen dazu, alß wie Henry quattre 3 döchter hießen Madame Elisabeth, die würde königin in Spanien, Madame Henriette, die würde königin in Englandt, Madame Christine, die wurde hertzogin von Savoyen. Deß königs bruders döchter heißen alle Mad[e]moissellen, die elste Mademoiselle ohne andere nahmen dazu, die andern aber heist man nach den apanachen[9], alß Mademoiselle de Valois, Mademoiselle de Chartre[10], Mademoiselle de Monpensier[11], Mademoiselle d’Alançon[12] undt so forthan. Alle der könige söhne heist man Monsieur, den elsten aber Monsieur ohne andern nahmen; seindt mehr, werden sie nach ihren apanagen genent, duc de Bourgogne, Monsieur, duc de Berry. Aber man sagt auß abus le duc, den daß solle man nicht sagen; den sie seindt auch Monsieur undt Madamen; also muß man nicht sagen le duc oder la duchesse de Berry, sondern nur Monsieur, duc de Berry, Madame, duchesse de Berry. Also segt Ihr ja woll, daß man mich ohnmöglich grand duchesse heyßen [kann]; in allen meinen prevetten[13] stehet Madame, duchesse d’Orléans; aber in reden undt auff den überschriefften nur Madame. Daß ich nicht gehast bin, ist war; aber hirin ist mehr glück, alß recht, undt ich konte sagen, wie Athis: Indigne que je suis de l’honneur qu’on m’adresse[14]. Dancke Eüch, liebe Louise, gern mein lob zu hören; aber ob gott will, so werde ich Eüch keine schande ahnthun; hoffe, ob gott will, daß mich die böße lufft hir nicht ahnstecken wirdt, leichtfertig zu werden in keinem stück; den ich finde es ebenso boß undt leichtfertig, seinen negsten zu betriegen, falß[15] zu sein undt mitt lügen [110] umbzugehen undt kein wort halten, alß den manßleütten nachzulaufen. Unßere großhertzogin ist vorgestern wider nach Paris undt biß sontag wirdt sie auffbrechen undt ins warme baadt nach Bourbon ziehen. Gott gebe, daß sie wider so gesundt herkompt, alß hinreist. Sie war recht lustig, lacht so von hertzen, daß sie mich auch lachen macht. Daß ich kein ursach zu chagrin haben mag, werdt Ihr so baldt nicht hören; aber so baldt sich mein sohn wider meinen willen verheüraht hatt, habe ich woll gedacht, daß mein gantzes leben hinfüro nur chagrin sein undt dießes unglück viel andere nach sich ziehen würde, wie leyder auch geschehen[16]. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben von 18, no 31, vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß vom 4. April, no 27. Ich habe mehr ursach, alß nie, in sorgen vor meinem sohn zu sein. Aber indem ich Ewer liebes schreiben wider [lese], sehe ich, daß ich es schon beantwort habe, werde also weytter nichts drauff sagen. Gestern war ich zu Paris, besuchte unßere abtißin, so in dem Val-de-Gracen ist. Ihre fraw mutter undt sie seindt bitter übel mitt einander. Die mutter hatt unrecht, es ist ein boß weib, liebt weder man, noch kinder, nur ihre brüder undt will ihren man vor ungerecht passiren machen, daß er ihren bruder[17] arestirt hatt, sagt, er seye ein heyliger, fromer, gottfürchtiger herr undt die conspiration were nur von seiner frawen, er hette kein theil dran; will nicht begreiffen, daß er sich zum chef von der conspiration gemacht; sie [ist] so deraisonabel, daß sie einen auß der haut konte fahren machen. Ich admirire meines sohns gedult, ich könte sie nicht haben. Ich bin mitt freüden wider auß Paris, umb von dießem allem nichts mehr zu hören, noch zu sehen. O mein gott, wie macht einem diß alles daß leben so müht[18]! Aber waß ich noch ahm verdrießlichsten vor mich finde, ist, daß ich den gantzen verdruß von dießem heüraht gehabt habe undt nun noch die angsten undt mühe mitt haben muß, so auß dießem allem en[t]stehet. Gott helff unß undt stehe unß bey! Wir habens hoch von nohten. Adieu, hertzallerliebe Louise! Ich ambras[s]ire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Donnerstag, den 4 May, umb 7 abendts.
Wie ich ahn taffel war undt ahm zweytten eßen, hatt mir mein courier, so von Paris kommen, Ewer paquet gebracht mitt den zwey schönnen schwedischen medaillen, wovor ich Eüch von hertzen dancke; aber wen Ihr mir weytter welche schicken wolt, bitt ich, dabey zu schreiben, waß es kost; den es were nicht billig, daß ich Eüch ruinire. Liebe Louisse, ich muß lachen, daß Ihr auch erfahrt, waß le diable au contretemps ist undt wie unahngenehm es ist, allezeit interompirt zu werden. Aber waß geht Eüch die meß ahn, daß man Eüch darumb plagt, liebe Louisse? Adieu! Hirmitt ist Ewer klein brieffgen auch vollig beantwort. Wo mir gott daß leben lest, will ich Eüch biß sontag berichten, wie meine aderlaß wirdt abgeloffen sein.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 106–111
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1015.html
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Tintenfass