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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 11 May 1719, umb 8 abendts (N. 84).
Hertzallerliebe Louise, gestern war ich zu Paris, wo ich Ewer
liebes schreiben vom 29, no 34, [empfangen habe]. Da werde ich aber
nur ein article auff andtwortten, nehmblich waß monsieur Gueneau
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betrifft. Le Clair
[2] hatt ihm auß einer ursach nicht geantwortet.
Er hatte mir den brieff geben, aber es kamen leütte, ich steckte
den brieff in sack undt muß ihn darnehmen
[3] gestekt haben; also
ist er verlohren worden, ohne daß weder der Clair, noch ich ihn
geleßen. Ihr könt aber monsieur Gueneau woll versichern, das ich
nicht boß auff ihm bin. Ich habe gar nicht mehr dran gedacht, sonsten
hette ich ihn
[4] wieder durch den Le Clair schreiben laßen. Nun komme
ich auff Ewer lieben brieff vom 25 April, den ich noch nicht
beantwortet habe. Mein gott, wie leicht kan ich glauben, daß man müde
wirdt, mitt verdrießlichen affairen umbzugehen! Mein leben zu
erretten, konte ich es nicht thun. Ich finde die Schonburgischen woll
glück[lich], Eüch gefunden zu haben mitt der gedult, die Eüch gott
gegeben hatt; den unter hundert personnen wirdt man kaum eines
finden, so sich solche mühe wirdt geben können. Waß ich heütte
gethan, ist nicht so mühsam. Heütte morgen habe ich ahn die
konigin in Preüssen auff zwey von I. M. schreiben geantwortet. Nach dem
eßen muß ich gestehen daß ich in ein neü buch gesehen undt bin
drüber entschlaffen, biß meine kutz[s]chen kommen; hab hernach noch
ein par wordt ahn monsieur Harling nach Hannover geschrieben,
bin hernach in kutsch geseßen undt bin nach Meudon gefahren, wo
ich madame de Berry noch in keinen gutten standt gefunden hab.
Sie hatt den morgen medecin genohmen, sahe bitter übel auß, hatt
unerhört abgenohmen, seyder ich sie nicht gesehen; sie kan auff
keinen fuß tretten, man muß sie schlepen wie ein kindt. Umb halb
7 bin ich wider kommen, bin in die capelle gangen, habe mein
abendtgebett vericht; umb 8 habe ich ahngefangen, zu schreiben,
bin aber etlich mahl interompirt worden. Nun schlegt es 9 uhr;
ich kan Eüch also nur noch ein halb stündtgen entreteniren. Heütte
ist es mir ohnmoglich, auff der fürstin von Ussingen schreiben zu
andtwortten. Da ist nichts ahn gelegen, daß ein brieff außenwerts
schmutzig; daß kan nicht anderst sein. Über solche sachen offendire ich
mich mein leben nicht, auch nicht, wen Ewer[e] geschäfften Eüch
nicht ertauben, mir einen großen brieff zu schreiben. Ob ich sie
zwar gern großer von Eüch habe, so bin ich gewiß, daß es ein
ander mahl wieder ersetzt wirdt werden, wie auch, daß, wen es Eüch
möglich geweßen were, daß Ihr mir einen großern brieff würdet
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geschrieben haben. Also last Eüch über dießes alles nie keine
sorgen geben! den es mich gewiß nicht verdriest. Von den verlust Ewer
niepce will ich Eüch nichts mehr sagen, umb Eüch nicht mehr ahn
Ewer unglück zu erinern. Ich hoffe, daß die eltern nun wider
gesundt sein werden. Es ist ein glück, die kinderblattern so jung
zu haben; den [alsdann] waxßen die mahler auß. Aber da kompt
man mich plagen, umb schlaffen zu gehen. Die printzes von Wallis
ist recht lustig, schreibt mir recht artige brieff. Ihre bu[ch]staben
seindt nicht so übel gemach[t], alß I. L. ortograff schlegt ist. Es
stehet nicht bey einem, sich zu grämen oder nicht; den man kan
sein temperament nicht endern. Aber ich muß nach bett; ein ander
mahl hoff ich mehr zu sagen, aber nun nur wider willen nichts mehr
sagen, alß wie daß ich Eüch von hertzen allezeit lieb behalt. Schreib
ich nicht viel, halte ich doch mein wordt undt verseüme keine post,
umb Eüch zu ambrassiren, liebe Louise!