Seitenbanner

Brief vom 11. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1017.


[112]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 11 May 1719, umb 8 abendts (N. 84).
Hertzallerliebe Louise, gestern war ich zu Paris, wo ich Ewer liebes schreiben vom 29, no 34, [empfangen habe]. Da werde ich aber nur ein article auff andtwortten, nehmblich waß monsieur Gueneau[1] [113] betrifft. Le Clair[2] hatt ihm auß einer ursach nicht geantwortet. Er hatte mir den brieff geben, aber es kamen leütte, ich steckte den brieff in sack undt muß ihn darnehmen[3] gestekt haben; also ist er verlohren worden, ohne daß weder der Clair, noch ich ihn geleßen. Ihr könt aber monsieur Gueneau woll versichern, das ich nicht boß auff ihm bin. Ich habe gar nicht mehr dran gedacht, sonsten hette ich ihn[4] wieder durch den Le Clair schreiben laßen. Nun komme ich auff Ewer lieben brieff vom 25 April, den ich noch nicht beantwortet habe. Mein gott, wie leicht kan ich glauben, daß man müde wirdt, mitt verdrießlichen affairen umbzugehen! Mein leben zu erretten, konte ich es nicht thun. Ich finde die Schonburgischen woll glück[lich], Eüch gefunden zu haben mitt der gedult, die Eüch gott gegeben hatt; den unter hundert personnen wirdt man kaum eines finden, so sich solche mühe wirdt geben können. Waß ich heütte gethan, ist nicht so mühsam. Heütte morgen habe ich ahn die konigin in Preüssen auff zwey von I. M. schreiben geantwortet. Nach dem eßen muß ich gestehen daß ich in ein neü buch gesehen undt bin drüber entschlaffen, biß meine kutz[s]chen kommen; hab hernach noch ein par wordt ahn monsieur Harling nach Hannover geschrieben, bin hernach in kutsch geseßen undt bin nach Meudon gefahren, wo ich madame de Berry noch in keinen gutten standt gefunden hab. Sie hatt den morgen medecin genohmen, sahe bitter übel auß, hatt unerhört abgenohmen, seyder ich sie nicht gesehen; sie kan auff keinen fuß tretten, man muß sie schlepen wie ein kindt. Umb halb 7 bin ich wider kommen, bin in die capelle gangen, habe mein abendtgebett vericht; umb 8 habe ich ahngefangen, zu schreiben, bin aber etlich mahl interompirt worden. Nun schlegt es 9 uhr; ich kan Eüch also nur noch ein halb stündtgen entreteniren. Heütte ist es mir ohnmoglich, auff der fürstin von Ussingen schreiben zu andtwortten. Da ist nichts ahn gelegen, daß ein brieff außenwerts schmutzig; daß kan nicht anderst sein. Über solche sachen offendire ich mich mein leben nicht, auch nicht, wen Ewer[e] geschäfften Eüch nicht ertauben, mir einen großen brieff zu schreiben. Ob ich sie zwar gern großer von Eüch habe, so bin ich gewiß, daß es ein ander mahl wieder ersetzt wirdt werden, wie auch, daß, wen es Eüch möglich geweßen were, daß Ihr mir einen großern brieff würdet [114] geschrieben haben. Also last Eüch über dießes alles nie keine sorgen geben! den es mich gewiß nicht verdriest. Von den verlust Ewer niepce will ich Eüch nichts mehr sagen, umb Eüch nicht mehr ahn Ewer unglück zu erinern. Ich hoffe, daß die eltern nun wider gesundt sein werden. Es ist ein glück, die kinderblattern so jung zu haben; den [alsdann] waxßen die mahler auß. Aber da kompt man mich plagen, umb schlaffen zu gehen. Die printzes von Wallis ist recht lustig, schreibt mir recht artige brieff. Ihre bu[ch]staben seindt nicht so übel gemach[t], alß I. L. ortograff schlegt ist. Es stehet nicht bey einem, sich zu grämen oder nicht; den man kan sein temperament nicht endern. Aber ich muß nach bett; ein ander mahl hoff ich mehr zu sagen, aber nun nur wider willen nichts mehr sagen, alß wie daß ich Eüch von hertzen allezeit lieb behalt. Schreib ich nicht viel, halte ich doch mein wordt undt verseüme keine post, umb Eüch zu ambrassiren, liebe Louise!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 112–114
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1017.html
Änderungsstand:
Tintenfass