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Brief vom 21. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1020.


[124]
St Clou, sontag, den 21 May 1719, umb 7 morgendts (N. 87).
Hertzallerliebe Louise, ich muß Eüch heütte in gar großer eyll schreiben; den umb 10 uhr werde ich in kutsch nach Paris fahren undt meiner enckellin, unßer neüen abtißin, eine vissitte geben, so nun baldt wider nach ihrem closter wirdt. Von dar werde ich ins Palais-Royal zu madame d’Orléans, hernach zu mittag eßen. Gleich nach dem eßen werde ich zum könig au Thuillerie fahren, von dar zu unßern Carmelitten, wo ich ein wenig betten werde, hernach wider ins Palais-Royal, ein verneüert opera zu sehen, so viel kürtzer ist, alß die andern; undt von dar werde ich wider her[1]. Gestern [125] hab ich Eüch nicht schreiben können; den vormittags habe ich ahn mein dochter zum vorauß vor heütte geschrieben, bin hernach a la Meutte zu madame de Berry, welche mir daß hertz gantz schwer gemacht; den sie leydt, wie eine verdampte seel. Ich habe mein leben von solcher kranckheit nicht gehört, wie sie hatt; ihre füße seindt weder roht, noch geschwollen, undt alle zehen von beyden füßen, wie auch ahn den fußsollen leydt sie so erschreckliche schmertzen, daß sie weder nacht, noch tag ruhe hatt undt vor schmertzen rechte emotion bekompt. Gestern, wie ich weg war, hatt man ihr ahm fuß zur ader gelaßen. Ich glaube nicht, daß daß gutt ist. Ich habe dieße aderlaße durch ihre fraw mutter erfahren, so gestern umb halb 9 herkam, alß ich von Madrit wider kommen war. Man heist madame de Berry ihre kranckheit un rhumatisme goutteux[2]. Sie jammerte mich. Ihre favoritin liegt ahn selbiger kranckheit zu bette, hatt es ahn händt undt füße, die kleine madame de Mouchi[3]. Übermorgen ist es just 8 wochen, daß madame de Berry kranck ist. Mein sohn ist, gott lob, daß fieber nicht wider kommen. Vergangenen freytag kam die graffin von Wiesser her undt brachte mir ein schreiben von der printzes von Sultzbach undt gestern hatt mir der cantzler Franck auch ein schreiben von Churpfaltz gebracht. Churpfaltz begehrt, ich solle mich in allen seinen affaire mischen. Daß kan schwehrlich sein, den erstlich so hab ich mein tag nichts von affaeren noch gesehen, zum andern so kan ich den ministern nicht nachlauffen, undt zum 3ten bin ich zu alt, mich so zu plagen; werde also mich hochlich entschuldigen. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben vom 6, no 36, komme, welches daß letzte ist, so ich von Eüch entpfangen habe, liebe Louise! Nichts ist gewißer, alß daß die figur von dem cometten nicht in Ewer paquet war; ist mir recht recht[4], daß es verlohren worden; den ich bin curieux von solchen sachen. Die zeittungen seindt woll ahnkommen, aber sonst nichts. Eüch im [126] datum verschrieben zu haben, ist leicht zu verzeyen undt ist nichts, so man fehler heyßen kan; es geschicht allen denen, so viel schreiben. Vor des duc de Schomberg affairen so starck zu arbeytten, muß Eüch divertiren; sonsten were es ohnmöglich, daß Ihr es thun kont, nachdem man Eüch so gar wenig danck davor bezeügt hatt, liebe Louisse! Ihr habt gar woll gethan, die frische gutte lufft der großen geselschafft im Römer vorzuziehen; daß ist beßer, den kopff wider zu ersetzen. Ein bal ist in meinem sin nichts zeitverdreibliches, insonderheit wen frantzösch gedantzt wirdt. Mein brieff ist auch nichts divertissantes. Nichts lasterhafft[ere]s ist unter der sonnen gebohren, alß die krott[5] der duc de Richelieu, außer daß er lieberall ist undt viel spendirt; drumb leufft ihm alles nach. Ist der hauptman Cron[6] ein astrologus oder ein heylliger, daß er so woll prophezeyen kan? Man hört allezeit lieber waß guts, alß waß böß. Alles ist unsicher, ohne auff gott zu vertrawen; daß ist allein sicher. Aber man [kann] die entpfindtlichkeit nicht hinde[r]n, vor die seinigen in sorgen zu sein, wen man sie in gefahr meint. Man hatt mir sehr versichert, daß, ob man sich zwar in Darmstatt schämbt, zu gestehen, waß daß gespenst geweßen, so mitt steinen geworffen, [es] ein küchenbub geweßen, so es mitt schleüttern gethan. Der herr Steingen muß Churpfaltz spanisch gemacht haben; den er konte sich hir nicht bergen, das er es war. [Die] Spanier haben ein groß gelt mitt ihrer flotte verthan, seindt jetzt nicht so opulent, alß man meint. Es geht in dießer sach, wie daß frantzosche schprichwordt sagt: Bien rira, qui rira le dernier. Daß der vitzecantzler Franck hir ist, habe ich schon gesagt. Es ist mir lieb, daß der graff von Degenfelt beßer ist. Er hatt woll [gethan], auß der bößen lufft von Londen zu gehen; den die landtlufft, wie man sagt, solle gar gutt in Englandt sein. Es wirdt der fürstin von Ussingen nicht mehr kosten, jemandts in ihren naturallisation zu nenen oder nicht. Heütte werde ich zu Paris dem abbé Dubois ihr memoire geben laßen. Es kan gar woll sein, daß ich patte von der fürstin von Ussingen bin; ich erinere michs aber nicht. Es muß gewest sein, wie ich zu Hannover war, oder wie ich wider nach hauß kommen, da ging ich in 12 jahr. All die lewensteinische kinder seindt schön, eine recht schönne race. Ich eriner[e] mich, [127] daß Ihr mich gefragt, waß daß biribi vor ein spiel ist; es ist ein art von hoca[7]. Förcht nie, liebe Louisse, daß Ewer geschreibs mir zu lang felt! Ich habe gern lange brieff von leütte, die mir lieb sein. Nun ist es zeit, zu enden. Ewere liebe schreiben seindt gantz durchauß beantwort, bleibt mir alßo nichts überig, zu sagen, alß daß ich Eüch recht von hertzen all mein leben werde lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 124–127
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1020.html
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