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St Clou den 1 Juni 1719 (N. 90).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich auff zwey von Ewern lieben schreiben zu antworten. Ich glaube, daß ich Eüch schon gesagt habe vergangen sontag, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 16 May, no 39, zu recht entpfangen habe. Mich deücht auch, ich habe schon, wo mir recht ist, vor die arabische medaille gedanckt; hette ichs aber vergeßen, thue ich es hiemitt. Die aderläß, so man mir gethan, ist die geringste undt kleinste, so man gethan, seyder ich aderlaße; den die andern wahren ordinarie über 16 ontzen undt dieße war nur von 10 ontzen; hatt mich doch sehr abgematt undt desto mehr, daß man mir 6 tag von dem grünen safft geben, so mich sehr abgematt, den es hatt mich starck purgirt. Nun lest man mich, gott lob, in ruhe; bin, gott sey danck, woll, nur aber die stärckste nicht, den gestern wolte ich zu fuß im bois de Boulogne spatziren, ging kaum ein stündtgen, da wurde ich so müdt, daß ich wider in kutsch sitzen muste. Daß kompt mir gantz betrübt vor; den vor dießem ging ich 5 stundt, ohne zu sitzen undt ohne mühde zu werden. Ewere gutte wünsche, wovor ich sehr dancke, seindt just auff meinem geburtstag ahnkommen. Aber, liebe Louisse, ich fürchte ein groß alter mehr, alß ich es wünsche; den man wirdt gar zu ellendt, wen man gar alt wirdt. Ich habe es [132] ahn ma tante von Maubuisson[1] gesehen. In gesundtheit kan man ohnmoglich ein großes alter ereichen undt unpaßlichkeytten verlaytten daß leben. Mich verlangt sehr, wider zeittung von Eüch zu haben, umb zu hören, ob Eüch die aderläßen so woll bekommen mögen sein, alß ich es wünschen. Ich habe teütsche calender, darinen stehen, welche tag gutt oder böß aderlaßen ist. Ich habe nachgesucht, welchen tag Ihr ader gelaßen; stehet drinen:Gar gutt.Ihr hettet mir aber dießen tag weniger schreiben sollen; den in der zeit zu schreiben, sagt man, sch[w]ache daß hirn undt die augen, undt die habt Ihr ohne daß schwach undt delicat. Waß ist daß vor eine rasserey, daß man zu Heydelberg jetzt gegen den cathechismus hatt[2]? Da steckt waß pfäffisch unter gar, wolte woll nicht davor schwehren, daß es die Jessuwitter nicht ahngestelt hetten; den sie seindt unbarmhertzig gegen andere religionen. Ich habe kein regullirt commerce mitt der fraw von Zachman, hatt mir also kein wordt davon geschrieben. Aber aller zanck undt streydt ist mir allezeit unleydtlich; aber umb frieden zu haben, solte man die 80 frag[3] außlaßen; umb die warheit zu bekenen, so ist es auch zu hart gesetzt, hette woll außgelaßen können werden. Den es [133] weist nur annimossitet ohne probe undt man solte nicht so hart reden gegen etwaß, so doch daß gedächtnuß deß leyden undt sterben Christi ist; den zanck undt verbitterung, so dießes ahnstelt, ist ärger, alß die sach selber. Der könig in Preussen solte cathechismus drucken laßen ohne dieße 80 frag; so würde man woll einem jeden seinen cathechismus wider geben, wie ich allezeit meine, oder man konte die frage undt andtwort setzen ohne die abscheülichen invectiven, so drin stehen, undt
die vermalledeytte abgottereyaußlaßen, welche auch gar nicht nöhtig zu sagen ist undt macht nur widerwillen, undt es were nöhtiger, daß man mittel suchte, die christlichen religionen zu vereinigen, alß gegen einander zu hetzen. Aber die geistlichen in allen 3 religionen haben nichts liebers, alß zanck; den sie glauben, das sie dieß regieren macht, undt das ist auch war. Erster tagen werde ich mir expliciren laßen, waß auff die turckische medaille oder müntz stehet; werde es Eüch hernach berichten. Die fraw von Rotzenhaussen hatt mir medaillen von der seeschlagt geben; zwey schwedische, zwey schweytzerische undt eines von turquischen frieden habt Ihr mir geschickt, liebe Louisse! Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwortet; nun muß ich eine pausse machen undt mich ahnziehen. Dießen nachmittag werde ich auff Ewer erste schreiben andtwortten.