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St Clou, den sontag, 23 Julli, umb 6 morgendts, 1719 (N. 5).
Hertzallerliebe Louise, waß ich so sehr gefürcht, ist endtlich
umb halb 3 donnerstags nachts geschehen; die arme duchesse de
Berry ist gestorben
[1]. Donnerstag bin ich biß ein
1/
4 auff 9 bey
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I. L. geblieben; wie mich gedeücht, daß sie [mich] nicht mehr kante,
bin ich weg. Mein armer sohn ist noch nach mir geblieben undt
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hatt ihr ein elexir
[2] einkommen
[3]; davon ist sie wider zu sich
selber kommen undt hatt noch lang mitt ihm gesprochen. Hernach
hatt man bey ihr biß umb 1 gebett, da hatt sie abermahl den
verstandt verlohren, ist aber doch erst umb halb 3, wie schon gesagt,
verschieden. Sie ist gar ruhig undt getrost gestorben; sagte, weill
sie sich mitt dem lieben gott wider versöhnt hette, begehre sie
nicht, lenger zu leben; den in dießer welt könte man sich doch
nicht hütten, [sich] gegen gott zu versündigen, wolte also lieber
sterben, alß genehßen, welches auch geschehen. Sie soll gar samfft
gestorben undt wie ein licht außgangen, sein, wie man einschlafft.
Man hatt sie gestern geöffnet. Ich weiß nicht, wie sie nicht mehr
gelitten hatt; den sie hatte ein geschwer ahm magen, eines in der
hüfft undt daß miltz gantz verfaühlt, wie ein brey worden, den kopff
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voller waßer undt die helffte vom hirn versch[w]undten; daß meint
mein docktor, daß es ihre unentpfindtlichkeit verursachet. Wie
mans ihr prophezeyet, so ist es ergangen. Es hatt just ein mont
gefehlt, daß sie ihr 24 jahre accomplirt hette; den sie war den
20 Aug. gebohren. Freytag nachmittags bin ich gleich nach dem
eßen nach Paris, habe meinen armen sohn in einer betrübtnuß
gefunden, daß es einen stein erbarmen mögte; den er will nicht
weinen undt will sich starck machen undt alle augenblick kommen ihm
doch die threnen in den augen. Die mutter ist getröster undt hatt
es auch ursach. Mein sohn hatt noch daß unglück, daß, umb
seinen schmertzen alle stundt zu verneüern, so muß er alle ordre von
ihrer begrabnuß ertheyllen, von der trawer undt von allen
trawerigen sagen
[4], so ahn dieß unglück undt verlust gedencken können
machen. Es ist mir bitter bang; er wirdt es nicht, ohne gar kranck
zu werden, außstehen können undt daß setzt mich, wie Ihr, liebe
Louisse, leicht werdet erachten können, in erschrecklichen ängsten
undt sorgen. Gott wolle unß beystehen! wir habens woll hoch von
nöhten. Wir werden 3 mont nur trawern. Man hette 6 mont trawern
sollen undt schwartze kutschen undt liberey nehmen, allein die neü
regle von der trawer in Franckreich ist alle halb abgezogen. Man
trawert vor vatter undt mutter; da man vor dießem ein jahr
trawerte, tregt man jetz[t] nur 6 mont die trawer undt trapirt; vor brüder
undt schwestern, so ein traw[e]r von 6 mont war, nur 3 mont undt
trapirt nicht; mitt trapiren versehe ich die kam[m]er, schwartz haben
liver[e]y undt kutschen; mitt einem wort, alle trawern seindt auff
die helffte gestelt, also werde ich die trawer nur 3 mont tragen.
Naturlicher weiß solte ich gar nicht trawern, weillen sie mein kindt
undt enckel geweßen; weillen sie aber nach dem könig daß haubt
von gantzem königlichen hauß war, also wie man hir sagt laisnée
[5],
so muß ich sie wie eine schwester betrauern. Daß kömpt mir gantz
ungereimbt vor, daß man in Franckreich seine kinder nicht
betrawert; es ist einem ja nichts näher. Aber man hatt dolle
maniren in dießem landt. Woran ich mich auch nie gewohnen kan,
seindt daß kauffen undt verkauffen von den chargen undt hernach
daß man nur 3 mont von seinen leütten bedint [wird] undt alle
1/
4 jahr ändert. Waß sie in den 3 mont gelehrnt, verlehren
[6] sie
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wider in den 9 mont, waß sie gewust. Es macht auch untrewe
bedinten; den sie kauffen ihre chargen, umb dran zu profittiren undt
zu gewinnen, wie sie können; da vergist man sich nicht, also lehrnt
es braff stehlen. Undt wie man nur die haben kan, so gelt haben,
umb die [chargen zu] kauffen, hatt man ander leütte bedinten; den
ihre herrn geben ihnen gelt, die chargen zu kauffen. Daß wirdt
eine recompencen
[7]; also kan man kein wordt vor seine[n] eygene[n
leuten] sagen, so nicht gleich weltkündig wirdt. Ein jeder sagts
seinem hern wider. Stirbt man, wie jetzt geschehen, verzweyfflen
alle die, so auff ihren chargen haben profittiren wollen. Da segt
Ihr, liebe Louise, waß vor ein ellender ahnstalt dieß alles ist, könt
also leicht gedencken, was vor ein lerm, lamantiren undt gebler
[8]
man hören muß jetzt. Aber hirmitt auch einmahl genung von allen
den trawerigen undt betrübten sachen gesprochen. Ich will von
gantz waß anderst reden. Gestern ist der leiningsche proces zum
endt gangen. Die fürstin von Homburg undt ihr schwester haben
zum 4ten mahl gewohnen
[9]. Der graff von Leiningen, so in den
troupen ist, kam gestern her, ist wie ein verzweyffelter mensch,
sahe so verstebert
[10] auß; wen man mir sagen solte, daß er närisch
drüber [geworden,] würde es mich gar kein wunder nehmen. Ich
glaube aber, daß die freüde bey der fürstin von Homburg groß sein
wirdt; den sie hatten es hoch von nöhten. Ich erwartte dießen
nachmittag mitt verlangen; den ich hoffe, zeittung von Ewerer
gesundtheit zu vernehmen, vor deren ich sehr in sorgen bin wegen
waß Ihr mir letzt geschrieben. Diß jahr ist daß obst sehr
ungesundt; viel leütte haben sich schon übel dabey befunden; glaube
auch, daß daß unordentliche eßen der duchesse de Berry ihren
todt geeyllet hatt. Mein gott, wie ist es doch eine betrübte sach
in dießer welt jetzt! alles ist betrübt. Letztmahl habe ich, wo mir
recht ist, auff Ewer letztes kleines schreiben geantwortet; heütte
will ich andtwortten auff waß mir noch von Eweren großen brieff
überig ist; bin ahm 18 blatt geblieben. Ewer schwager ist wider …
undt seine gantze famille ist in gutter gesundtheit, wie Ihr, liebe
Louise, schon werdt erfahren haben. Die zeittung[en] lügen schir
allezeit. Der herr von Sickingen ist von großen apetit, er will alle
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lehen verschlingen; den [er] hatt auch ein absehen auff alle veningische
lehen
[11]. Apropo von Coubert
[12], man hatt mich gebetten, mich zu
erkundigen, ob der duc de Schomberg Coubert verkauffen [will];
den man mögte es gerne kauffen undt man mögte wißen, bey wem
man sich adressiren solte, im fall man es verkauffen wolte. Schreibt
mir derowegen, liebe Louisse, waß Ihr wolt, daß ich denen
personnen andtwortten solle, so mir davon gesprochen! Es seindt leütte
von qualitet, die es kauffen wollen. Ich habe gesagt, daß Ihr deß
duc de Schonburgs affairen unter handen habt, daß ich Eüch also
davon schreiben wolte. Schreibt mir den, ob mans verkauffen will
undt waß man davor haben wolte! Ich glaube, Ihr werdet beßer
thun, es zu verkauffen; den wie Ewere niepçen reformirt sein,
werden doch weder sie, noch ihre kinder es selbsten besitzen undt nur
von den bedinten hir bestohlen werden, welches doch kein vortheil
ist. Dem seye, wie ihm wolle, liebe Louise, so andtwortet mir,
waß Eüch ahm besten gefahlen undt zukommen mag! Ob ich zwar
viel von denen personnen halte, so Coubert kauffen wollen, so seydt
Ihr mir doch noch lieber, begehre also nichts, alß waß Eüch, liebe
Louise, ahnständig sein mag; drumb schreibt mir nur frey herrauß,
waß Ihr hirinnen wünscht undt begehrt! undt darnach werde ich
andtworten. Macht die andtwort wegen Coubert auff frantzösch undt
auff ein zettelgen apart, damitt ichs denen weißen kan, so mir
davon gesprochen haben! Ich habe es in dem unglück, wo wir in
stecken, schon 2 posten vergeßen, davon zu sprechen, welches kein
wunder ist, wie mir der kopff nun stehet. Wen wünschen waß
helffen konte, würde ich heütt gutte zeittung von Ewerer
gesundtheit erhalten; den ich wünsche von hertzen, zu vernehmen, daß Ihr
wieder gantz woll undt courirt sein mögt. Ich muß Eüch auch
noch sagen, daß mir die printzes von Wallis versichert, liebe Louisse,
daß sie Eüch recht estimirt undt lieb hatt. Daß werde ich auch
all mein leben thun.
In dießem augenblick kompt man mir sagen, daß Ewer
schwager den 6 gestorben soll sein
[13]. Ich habe gleich ahn mein sohn
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geschrieben, damitt es
[14] sich Coubert nicht mag außbitten laßen,
sondern vor Ewere niepçen behalten. Dießen abendt werde ich Eüch
noch seine andtwort berichten, wen mein exempt
[15] de gardes, so
ich nach Paris deßwegen geschickt, wirdt widerkommen sein.
Sontag, umb 8 abendts.
Der könig hatt mir die eher
[16] gethan, daß leydt zu klagen; hab
mitt ihm spatziren müßen
[17]. Ob ich schon so müde alß ein armer
hundt bin, so will ich Eüch, liebe Louisse, doch in eyll sagen, daß
ich noch ahn mein dochter zu schreiben habe, aber daß ich Eüch
doch sagen will, daß ich Ewer liebes schreiben vom 11, no 55,
[empfangen habe;] bin hertzlich froh, daß Ihr wieder gesundt seydt,
undt [gott] erhalte Eüch noch lange jahren dabey, hertzliebe Louisse!
Wilß gott, wo mir gott leben undt gesundtheit verleydt …
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