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Brief vom 23. Juli 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1037.


[182]
St Clou, den sontag, 23 Julli, umb 6 morgendts, 1719 (N. 5).
Hertzallerliebe Louise, waß ich so sehr gefürcht, ist endtlich umb halb 3 donnerstags nachts geschehen; die arme duchesse de Berry ist gestorben[1]. Donnerstag bin ich biß ein 1/4 auff 9 bey [183] I. L. geblieben; wie mich gedeücht, daß sie [mich] nicht mehr kante, bin ich weg. Mein armer sohn ist noch nach mir geblieben undt [184] hatt ihr ein elexir[2] einkommen[3]; davon ist sie wider zu sich selber kommen undt hatt noch lang mitt ihm gesprochen. Hernach hatt man bey ihr biß umb 1 gebett, da hatt sie abermahl den verstandt verlohren, ist aber doch erst umb halb 3, wie schon gesagt, verschieden. Sie ist gar ruhig undt getrost gestorben; sagte, weill sie sich mitt dem lieben gott wider versöhnt hette, begehre sie nicht, lenger zu leben; den in dießer welt könte man sich doch nicht hütten, [sich] gegen gott zu versündigen, wolte also lieber sterben, alß genehßen, welches auch geschehen. Sie soll gar samfft gestorben undt wie ein licht außgangen, sein, wie man einschlafft. Man hatt sie gestern geöffnet. Ich weiß nicht, wie sie nicht mehr gelitten hatt; den sie hatte ein geschwer ahm magen, eines in der hüfft undt daß miltz gantz verfaühlt, wie ein brey worden, den kopff [185] voller waßer undt die helffte vom hirn versch[w]undten; daß meint mein docktor, daß es ihre unentpfindtlichkeit verursachet. Wie mans ihr prophezeyet, so ist es ergangen. Es hatt just ein mont gefehlt, daß sie ihr 24 jahre accomplirt hette; den sie war den 20 Aug. gebohren. Freytag nachmittags bin ich gleich nach dem eßen nach Paris, habe meinen armen sohn in einer betrübtnuß gefunden, daß es einen stein erbarmen mögte; den er will nicht weinen undt will sich starck machen undt alle augenblick kommen ihm doch die threnen in den augen. Die mutter ist getröster undt hatt es auch ursach. Mein sohn hatt noch daß unglück, daß, umb seinen schmertzen alle stundt zu verneüern, so muß er alle ordre von ihrer begrabnuß ertheyllen, von der trawer undt von allen trawerigen sagen[4], so ahn dieß unglück undt verlust gedencken können machen. Es ist mir bitter bang; er wirdt es nicht, ohne gar kranck zu werden, außstehen können undt daß setzt mich, wie Ihr, liebe Louisse, leicht werdet erachten können, in erschrecklichen ängsten undt sorgen. Gott wolle unß beystehen! wir habens woll hoch von nöhten. Wir werden 3 mont nur trawern. Man hette 6 mont trawern sollen undt schwartze kutschen undt liberey nehmen, allein die neü regle von der trawer in Franckreich ist alle halb abgezogen. Man trawert vor vatter undt mutter; da man vor dießem ein jahr trawerte, tregt man jetz[t] nur 6 mont die trawer undt trapirt; vor brüder undt schwestern, so ein traw[e]r von 6 mont war, nur 3 mont undt trapirt nicht; mitt trapiren versehe ich die kam[m]er, schwartz haben liver[e]y undt kutschen; mitt einem wort, alle trawern seindt auff die helffte gestelt, also werde ich die trawer nur 3 mont tragen. Naturlicher weiß solte ich gar nicht trawern, weillen sie mein kindt undt enckel geweßen; weillen sie aber nach dem könig daß haubt von gantzem königlichen hauß war, also wie man hir sagt laisnée[5], so muß ich sie wie eine schwester betrauern. Daß kömpt mir gantz ungereimbt vor, daß man in Franckreich seine kinder nicht betrawert; es ist einem ja nichts näher. Aber man hatt dolle maniren in dießem landt. Woran ich mich auch nie gewohnen kan, seindt daß kauffen undt verkauffen von den chargen undt hernach daß man nur 3 mont von seinen leütten bedint [wird] undt alle 1/4 jahr ändert. Waß sie in den 3 mont gelehrnt, verlehren[6] sie [186] wider in den 9 mont, waß sie gewust. Es macht auch untrewe bedinten; den sie kauffen ihre chargen, umb dran zu profittiren undt zu gewinnen, wie sie können; da vergist man sich nicht, also lehrnt es braff stehlen. Undt wie man nur die haben kan, so gelt haben, umb die [chargen zu] kauffen, hatt man ander leütte bedinten; den ihre herrn geben ihnen gelt, die chargen zu kauffen. Daß wirdt eine recompencen[7]; also kan man kein wordt vor seine[n] eygene[n leuten] sagen, so nicht gleich weltkündig wirdt. Ein jeder sagts seinem hern wider. Stirbt man, wie jetzt geschehen, verzweyfflen alle die, so auff ihren chargen haben profittiren wollen. Da segt Ihr, liebe Louise, waß vor ein ellender ahnstalt dieß alles ist, könt also leicht gedencken, was vor ein lerm, lamantiren undt gebler[8] man hören muß jetzt. Aber hirmitt auch einmahl genung von allen den trawerigen undt betrübten sachen gesprochen. Ich will von gantz waß anderst reden. Gestern ist der leiningsche proces zum endt gangen. Die fürstin von Homburg undt ihr schwester haben zum 4ten mahl gewohnen[9]. Der graff von Leiningen, so in den troupen ist, kam gestern her, ist wie ein verzweyffelter mensch, sahe so verstebert[10] auß; wen man mir sagen solte, daß er närisch drüber [geworden,] würde es mich gar kein wunder nehmen. Ich glaube aber, daß die freüde bey der fürstin von Homburg groß sein wirdt; den sie hatten es hoch von nöhten. Ich erwartte dießen nachmittag mitt verlangen; den ich hoffe, zeittung von Ewerer gesundtheit zu vernehmen, vor deren ich sehr in sorgen bin wegen waß Ihr mir letzt geschrieben. Diß jahr ist daß obst sehr ungesundt; viel leütte haben sich schon übel dabey befunden; glaube auch, daß daß unordentliche eßen der duchesse de Berry ihren todt geeyllet hatt. Mein gott, wie ist es doch eine betrübte sach in dießer welt jetzt! alles ist betrübt. Letztmahl habe ich, wo mir recht ist, auff Ewer letztes kleines schreiben geantwortet; heütte will ich andtwortten auff waß mir noch von Eweren großen brieff überig ist; bin ahm 18 blatt geblieben. Ewer schwager ist wider … undt seine gantze famille ist in gutter gesundtheit, wie Ihr, liebe Louise, schon werdt erfahren haben. Die zeittung[en] lügen schir allezeit. Der herr von Sickingen ist von großen apetit, er will alle [187] lehen verschlingen; den [er] hatt auch ein absehen auff alle veningische lehen[11]. Apropo von Coubert[12], man hatt mich gebetten, mich zu erkundigen, ob der duc de Schomberg Coubert verkauffen [will]; den man mögte es gerne kauffen undt man mögte wißen, bey wem man sich adressiren solte, im fall man es verkauffen wolte. Schreibt mir derowegen, liebe Louisse, waß Ihr wolt, daß ich denen personnen andtwortten solle, so mir davon gesprochen! Es seindt leütte von qualitet, die es kauffen wollen. Ich habe gesagt, daß Ihr deß duc de Schonburgs affairen unter handen habt, daß ich Eüch also davon schreiben wolte. Schreibt mir den, ob mans verkauffen will undt waß man davor haben wolte! Ich glaube, Ihr werdet beßer thun, es zu verkauffen; den wie Ewere niepçen reformirt sein, werden doch weder sie, noch ihre kinder es selbsten besitzen undt nur von den bedinten hir bestohlen werden, welches doch kein vortheil ist. Dem seye, wie ihm wolle, liebe Louise, so andtwortet mir, waß Eüch ahm besten gefahlen undt zukommen mag! Ob ich zwar viel von denen personnen halte, so Coubert kauffen wollen, so seydt Ihr mir doch noch lieber, begehre also nichts, alß waß Eüch, liebe Louise, ahnständig sein mag; drumb schreibt mir nur frey herrauß, waß Ihr hirinnen wünscht undt begehrt! undt darnach werde ich andtworten. Macht die andtwort wegen Coubert auff frantzösch undt auff ein zettelgen apart, damitt ichs denen weißen kan, so mir davon gesprochen haben! Ich habe es in dem unglück, wo wir in stecken, schon 2 posten vergeßen, davon zu sprechen, welches kein wunder ist, wie mir der kopff nun stehet. Wen wünschen waß helffen konte, würde ich heütt gutte zeittung von Ewerer gesundtheit erhalten; den ich wünsche von hertzen, zu vernehmen, daß Ihr wieder gantz woll undt courirt sein mögt. Ich muß Eüch auch noch sagen, daß mir die printzes von Wallis versichert, liebe Louisse, daß sie Eüch recht estimirt undt lieb hatt. Daß werde ich auch all mein leben thun.
In dießem augenblick kompt man mir sagen, daß Ewer schwager den 6 gestorben soll sein[13]. Ich habe gleich ahn mein sohn [188] geschrieben, damitt es[14] sich Coubert nicht mag außbitten laßen, sondern vor Ewere niepçen behalten. Dießen abendt werde ich Eüch noch seine andtwort berichten, wen mein exempt[15] de gardes, so ich nach Paris deßwegen geschickt, wirdt widerkommen sein.
Sontag, umb 8 abendts.
Der könig hatt mir die eher[16] gethan, daß leydt zu klagen; hab mitt ihm spatziren müßen[17]. Ob ich schon so müde alß ein armer hundt bin, so will ich Eüch, liebe Louisse, doch in eyll sagen, daß ich noch ahn mein dochter zu schreiben habe, aber daß ich Eüch doch sagen will, daß ich Ewer liebes schreiben vom 11, no 55, [empfangen habe;] bin hertzlich froh, daß Ihr wieder gesundt seydt, undt [gott] erhalte Eüch noch lange jahren dabey, hertzliebe Louisse! Wilß gott, wo mir gott leben undt gesundtheit verleydt …[18]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Juli 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 182–188
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1037.html
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