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Brief vom 10. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1042.


[201]
St Clou den 10 Aug. 1719, umb 8 uhr morgendts (N. 10).
Hertzallerliebe Louise, da komme ich undt will auff Ewer liebes schreiben vom 25 Julli andtwortten, welches ich letzte post verspart. Ich hoffe, heütte noch ein frisches von Eüch zu bekommen. Ich ware vergangen sontag kranck, wie ich Eüch geschrieben, hatte ein wenig hitze undt einen solchen abscheülichen husten, das ich gantz ohne ahtem war undt schwartz würde[1]. So schwartz ich wurde, so weiß undt bleich wurde madame de Chasteautier[2]; den sie meinte, ich würde ersticken. Montag undt dinstag hatt mir monsieur Teray, mein docktor, den grünen safft nehmen machen; der hatt mich jedes mahl 7 mahl purgirt undt eine solches abscheülich galle-werck von mir getrieben, daß ich gantz davon courirt bin worden; huste schir gar nicht mehr undt habe die 3 nachte wider woll geschlaffen, aber mitt dem eßen geht es noch schlegt her, habe noch keinen apetit; aber da ist nicht viel ahn gelegen. Ich bin auch noch matt, aber alles kan nicht auff einmahl wider kommen; zu alles gehört zeit. Ich fange mitt der relationen von meiner gesundtheit ahn; den ich flattire mich undt bin persuadirt, daß Ihr mich lieb habt undt also in sorgen vor mir seydt. Drumb habe ich gleich hirmitt ahngefangen, umb Eüch auß sorgen zu setzen. Mein sohn befindt sich, gott lob, auch woll, ist vergangen montag umb 8 uhr abendts wieder nach Paris frisch undt gesundt, gott lob! Gott stehe unß ferner bey! Waß auch verhindert, daß man sich nicht geschwindt erholt, ist, daß man nichts, alß von trawerigen sachen hört undt sicht. Gestern bekamme ich ein brieff von einer meinen[3] gutten freündinen, welche biß in todt betrübt [ist]. Sie hatt nur 2 söhn undt eine dochter; ihr elster sohn war in der armée, ist dort ahn den kinderblattern gestorben. Sie jammert mich woll von hertzen, ist eine [202] wackere, ehrliche dame, so freüllen bey der großen Mademoiselle[4] geweßen; sie ist vom hauß du Cambnet undt hatt einen marquis de Merinville[5] geheüraht. Man hört nichts mehr, alß von kranckheütten undt sterben undt betrübte leütte; daß macht mich unßere betrübtnuß[6] nicht vergeßen. So ein traweriges zeit, wie nun, ist nicht zu erdencken. Ihr wist nun, daß ich nur gar zu woll von der armen madame de Berry kranckheit [geurtheilt.] Wer ahn ihrem todt schuldig ist, daß ist die verfluchte Mouchi[7], ihre favorittin; die hatt sie umgebracht, alß wen sie ihr ein meßer ins hertz gestoßen hette. Man weiß nun, daß sie ihr nachts allerhandt sachen zu freßen geben; mitt la fievre lente[8], so dieße arme printzes schon hatte, hatt sie ihr nachts fricasséen, kleine bastetten, melonen, salat, milch, feygen undt pflaumen eßen machen undt böß bier, in eyß gekalt, drincken machen undt die thür zugespert undt in 14 tagen keinen dockter sehen laßen. Daß hatt gemacht, daß daß fieber, ahnstatt double-tierce[9], continuirlich worden mitt 2 redoublementen[10] deß tags, so man nicht mehr hatt auffhalten können. Mein sohn hatt die böße hexs mitt ihrem man exillirt[11]. Ich glaube, [203] daß, wen sie zu Paris geblieben were, würden der duchesse de Berry bedinten sie gesteiniget haben. Ich glaube, ich habe Eüch schon geschrieben, wie wenig sie nach ihrer fürstin todt gefragt hatt, so ihr mehr guts gethan, alß sie immer wehrt ist[12]. Keiner von der duchesse de Berry leütten haben ihr nichts zu eßen geben, waß sie nicht hatt eßen dörffen, aber die favorittin hatt es im dorff hollen undt zurichten laßen undt gebracht durch eine hinterthür, wen man gemeindt, daß sie schlieffen. Wen sie sie mitt fleiß wollen umbs leben bringen, hette sie es nicht anderst machen können. In der hitz zu drincken, gibt gleich pleuresien[13]. So[14] mein[e]r zeit ließen I. G. unßer herr vatt[er] die pflaumen zu Heydelberg verbietten; wen daß observirt wurde, kamme keine rohte ruhr. Daß weyß niemandts mehr zu Heydelberg, drumb regirt die rohte ruhr wider dort. Es geht mir wie Eüch, liebe! den todt fürchte ich nicht sehr, aber von kranck-sein halte ich gar nichts. Es muß irgendts ein starck wetter gewest sein: den die lufft ist abgekühlt; aber hir hatt es keinen tropffen geregnet, auch ist es ein staub, so unaußsprechlich ist, verdunckelt die gantze lufft. Es ist gewiß, daß die dicke leütte mehr, alß die magere, schwitzen. Dieße nacht habe ich noch von 3 hembtern endern müßen, so habe ich geschwitzt; daß macht[15] auch ab. Frantzösche leütte verstehen sich übel, freüllen zu erziehen; werden ihrer großmütter auffsicht mitt dem frantzöschen menschen sehr von nöhten haben; den die frantzösche zucht ist recht ellendt undt erbärmblich. Wolte die fraw von Degenfelt ihre [204] dochter einen blackscheyßer[16], met verloff, geben, daß sie keinen soldatten gewolt? Daß konte ja nicht sein. Die keyßerlich[en] in Sicill[i]en haben zwar viel gelitten undt viel leütte verlohren, allein sie haben doch deß feindts retranchement forcirt undt die schlagt gewohnen. Madame de Craong[17] bruder, so der general Mercy ahm keyßer geschickt, dieße gutte potschafft zu bringen, hatt es von Inspruck ahn dem hertzog von Lotteringen geschrieben. Bißher hab[e]n die Spanier noch keine große ursach, sehr stoltz zu sein. Daß man zu Franckforth gesagt, daß St Sebastien übergangen, war keine sicherheit, aber eine prophezeyung, weillen wir vergangen sontag die zeittung davon bekommen, wie ich Eüch schon bericht habe, liebe Louise! Alberonie[18] ist nun demütiger undt spricht vom frieden, mein sohn will ihm aber nicht trawen. Der rauch hatt vielleicht die arme magt vom silberschmitt [erstickt;] mag auch woll ermort wordten sein, [da] daß silbergeschir sich nicht gefunden. Vor daß gebrandte Franckforth in kupfferstück[19] habe ich schon vergangene post gedanckt. Es hatt starcke winde geben, daß mag woll die englische brieffe auffgehalten haben. Von[20] Coubert habe ich schon alles gethan, waß bey mir stehet, liebe Louisse! Der arme duc de Schonburg ist so woll, daß er nimer kranck wirdt werden, wie Ihr nun schon woll wißen werdet. Die Rotzenheusserin ist wider gesundt, aber noch gar schwach. Starck bin ich gewiß auch nicht. Gantz St Clou ist schir kranck geweßen, seindt aber alle wider gesundt, gott lob! Aber niemandts ist lustig; so zu leben, ist ellendt. Ewer liebes schreiben ist vollig beantwortet, werde also schließen; erfahre ich aber dießen nachmittag waß neües, werde ich es hir zusetzen, wo nicht, so contentirt Eüch, liebe Louise, mitt der versicherung, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalten werde, so lang ich lebe!
P. S.
Seyder ich auffgehört, zu schreiben, hab ich Ewer liebes schreiben vom 29 Julli, no 60, zu recht [empfangen,] werde es aber vor sontag sparen, wo mir gott alßden leben undt gesundtheit verleyet. Ich hab nichts neües seyder heütte morgen erfahren.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 201–204
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1042.html
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