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Brief vom 17. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1044.


[207]
St Clou den 17 Augusti 1719 (N. 12).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben die feder genohmen hatte, auff Ewer liebes schreiben vom 1 dießes monts zu antworten, so ich vergangenen sontag entpfangen, so hatt man mir eben daß gebracht vom 5 Augusti, no 62. Aber weillen dieß letzte mir nohtwendiger zu beantwortten stehet, will ich daß erste noch vor ein andermahl sparen, heütte aber auff daß frische andtwortten. Unß[ere] brieffe gehen nun gar richtig. Ich würde nur gar einen kleinen voile ohne voile-mantel ahn thun, wen ich in ceremonien ging; den die witwen tragen nur einen kleinen voile, aber meine damen, so keine witwen, müsten floße[1] mantel ahnhaben. Vor einem schwager tregt man hir im landt keine trawer in tuch, nur vor man, vatter undt mutter; man tregt rat de St Mor de laine undt stoff von zigenhaar, so noch leichter ist. Die abscheüliche hitze spürt man heütte, gott lob, nicht; den dieße nacht hatt es einmahl gerechnet[2] mitt einem zimblich starcken donnerwetter, welches aber gar nicht lang gewehrt, doch genung, umb den staub abzulegen undt daß wetter zu erfrischen. Paris ist voller kranckheitten, kinderblattern, rodtlen, fleckfieber undt sonsten hitzigen fieber; auch sterben unerhört viel leütte; die cureux[3] haben kaum zeit zu eßen, so viel [208] haben sie zu begraben. Kontet Ihr gedencken, liebe Louise, daß ich manquiren können, sobaldt ich deß duc de [S]chonburg todt erfahren, Coubert undt waß er hir im landt [hatte,] vor seine döchter außzubitten? Da kont ich nicht ahn manquiren. Caroline ist mir zu lieb geweßen, umb nicht vor ihre kinder zu sorgen; undt wen es gleich umb Caroline s. wegen nicht geweßen were, würde es doch Ewertwegen geweßen sein, liebe Louise! Den mir ja woll bewust, wie sehr [Ihr] Ewer[e] niepcen liebt. Ich bin schon genung vor meine mühe bezahlt, weillen es Eüch undt ihnen ahngenehm geweßen. Ich wünsche, daß alle Ewere sachen mitt den leben nach Ewern wunsch außschlagen mögen. Der graff Konigseek[4] ist schon lengst weg. Biß sontag wirdt es 4 wochen werden, daß er von Paris verreist ist, undt es ist noch kein anderer in seinem platz; also kan ich ahm keyßerlichen hoff nichts recommandiren. Wen wünschen waß gelten konte, würdet Ihr gewiß gutte andtwort vom keyßer undt Chur-Trier bekommen. Daß ärgert mich allezeit, wen neügebackene edelleütte der alten heüßer gütter bekommen. Ich weiß dem keyßer recht danck, alte gutte heüßer zu lieben. Könt ich mittel finden, Eüch undt die Ewerigen zu dinnen, würde ich es von hertzen gern thun. Wie Ihr mir daß schonburgische stamhauß beschreibt, so ist es wie die schlößer, welche ich mehr, alß gespenster, förchte. Wen ich so ein schloß ruinirt sehe, wie Schrißem ist, felt mir gleich ein schauder übers hertz; muß es doch allezeit ahnsehen. Gott verzey mirs! aber es kompt mir poßirlich vor, daß der herr von Sickingen, so alle welt erb[e]n wolte[5], selber gestorben ist. Sein testament ist auch poßirlich, indem es nur auff deß churfürsten gnaden bestehet. Es ist betrübt, gutte geselschafft zu verliehren; den daß macht manche betrübte gedancken vergehen undt gibt distraction. Ich fürcht, wie Ihr mir die kleine Veningen beschreibt, daß sie nicht schön wirdt werden. Der Eberfritz war eben nicht heßlich vor ein man, aber es were keine schönne jungfer geweßen. Es ist woll waß gar rares, wen Frantzoßinen kinder woll erzigen[6]; den daß wißen sie ahm wenigsten, machen entweder coquetten oder bigotten auß ihnen undt selten waß rechts. Ich habe nicht gern, wen kleine medger zu ernstlich sein; den[7] wollen sie capabel sein undt werden impertinent undt unleydtlich; sehe viel lieber, daß sie kindisch sein. Die freüllen [209] von Degenfelt muß doch ein gutt naturel haben, daß sie geweint, wie sie von Eüch gangen. Gutte gemühter reparirt alles. Ihr habt so ein guttes gemüht, daß es mir gar nicht wunder nimbt, daß Ihr umb Ewern schwager betrübt geweßen, wen es auch nur were, Ewere[r] beyder niepcen betrübtnuß zu wißen; ich hoffe aber, daß Ihr nun getröst werdet sein undt in der trostlichen hoffnung leben, Ewere[n] neuveu, den graff Degenfeldt, undt seine gemahlin baldt wider zu sehen. Ich sage von hertzen amen zu alle gutte wünsche, so Ihr Ewern neveuen undt niepcen thut. Ich habe Eüch mein leben nicht von bößen humor accussiren hören, aber woll, daß Ihr Eüch zu leicht über alles betrübt. Nein, man helt Eüch nicht vor abgeschmackt; contrarie, alle menschen, so Eüch kenen, sagen, daß Ihr verstandt habt, daß mans Eüch in den augen ahnsicht, aber noch mehr, wen man mitt Eüch spricht. Alle menschen können nicht poßirlich sein; daß ist auch nicht nöhtig, man kan woll ahngenehm ohne daß sein. Es ist gar gewiß, daß mitt dem alter alle lust vergeht. Ich weiß schir nicht mehr, waß lachen ist[8]; man wirfft mirs offt vor, aber ich kans nicht endern. Ich meinte, Ihr würdet auch nach dem Schlangen[bad,] so woll alß die fürstin von Ussingen nach Schwalbach. Ich weiß nicht, ob Ihr unßern printzen von Birckenfelt kent; der wirdt sich nun baldt verheürahten mitt der zweytten niepce von der graffin von Buckenburg, der gräffin von Nassau Sarbrücken dochter. Es geht ihm wie le seigneur Anselm, il se marie en age mur; den auff weinachten wirdt er 45 jahr alt werden. 2 stattger[9] seindt im grundt verbrandt, St Menhout undt la Charité[10]. In dießem letzten seindt 1300 heußer verbrendt. Daß ist alles, waß ich neües weiß. Ich glaube, ich habe Eüch schon geschrieben, daß mein sohn nicht gehen kan; hatt sich einem[11] fuß vertretten. Ich habe ihn gestern besucht, kam früh wider her[12]. Adieu, liebe Louisse! Da ist Ewer liebes schreiben exact beantwortet; bleibt [210] mir nichts mehr überig, alß Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 207–210
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1044.html
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