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Brief vom 24. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1046.


[213]
St Clou den 24 Augusti 1719 (N. 14).
Hertzallerliebe Louise, gestern fuhr ich nach Paris, ich meinte, in daß hellische feüer zu kommen; den mein tag habe ich keine so abscheüliche hitze außgestandten; die lufft, so man einschnaufft, war feüerig. Ich glaube, daß, wen diß dawert, werden menschen undt vieh verschmachten. Man hatt ocksen vom landt nach Paris geführt, die seindt todt niedergefahlen, weillen sie in den dörffern, wo sie durchgangen, kein waßer gefunden haben. Ehe ich in den Carmelitten gestern fuhr, bracht man mir Ewer liebes schreiben [214] vom 12 dießes monts, no 64; aber da werde ich heütte nicht auff andtwortten, sondern nur auff das vom 8. Von meinem husten werde ich nichts mehr sagen; den Ihr werdet nun schon auß meinen folgenden brieffen ersehen haben, daß ich wider in volkommener gesundtheit, gott sey danck, nun bin. Waß mir den husten geben, war lautter galle; den so baldt mich der grüne safft die galle außgetrieben, bin ich wider gantz gesundt worden. Wen ich mich betrübe undt erschrecke, wirdt alles zu galle in meinem leib, kan vor bitterkeit weder eßen noch drincken. Ich hatte mich sonst gar nicht verkalt, aber der armen duchesse de Berry todt undt die betrübtnuß, sie 14 [tage] so abzunehmen undt sterben zu sehen, daß hatt mich gequellet undt kranck gemacht, habe aber nun, gott lob, alles überstanden, werde also nichts mehr davon sagen. Dancke Eüch doch gar sehr, liebe Louise, vor den gutten raht. Mich deücht, mein sohn fengt nun auch ahn, getröst zu sein. Ahn der duchesse [de] Berry habe ich mich nicht betrogen, habe woll gesehen, wo es nauß gehen würde. Wer nur einen eintzigen sohn hatt undt ihn hertzlich liebt, kan man ohnmöglich ohne sorgen leben, insonderheit in dießem landt, da es so abscheülich viel boße leütte gibt undt so wenig gutte. Waß ich meinem sohn sage, oder waß ich pfeyff, ist all eins; er folgt nicht, waß ich ihm rahte; den seine verfluchte gottloße schmeichler kommen gleich undt werffen alles umb. Es seindt boße kerl, die profession machen, weder ahn gott, noch sein wordt zu glauben, desbauchirte gottslästerlich kerl. Der eine ist ein marquis de Broglio[1], so abt geweßen, aber dem geistlichen standt abgesagt, daß hatt er ahm besten gethan; der ander ist sohn von einen gar erlichen man, so meines sohns sougouverneur geweßen, heist Nosse[2]; dießer ist chambellan von meinem [sohn,] deücht aber auff kein stück waß. Daß seindt die zwey böße rahtgeber; ich forchte, sie werden meinem sohn leib undt sehl verliehren machen; sie machen ihn ein doll leben [führen] in dem pretext, daß er waß haben muß, so ihn nach seiner schwehren arbeit lustig mache, sonsten konte er es nicht außstehen, undt hir in Franckreich helt [man] alles vor langeweill, waß nicht freßen, sauffen undt huren ist. Ach, liebe Louise, Ihr flattirt mich zu sehr, zu sagen, daß meines gleichen nicht mehr in der welt ist; daß kan man woll bey dutzenden [215] finden. Ewer schwager hatt allezeit vor incompatible passirt. Es ist ein groß glück geweßen vor den duc de Schonburg, daß er, da er ja hatt sterben sollen, 2 jahr geweßen, ohne seine maistres zu sehen; wirdt desto seeliger gestorben sein. Es war doch loblich ahn meledy Holdernesse, ihres vattern partie zu nehmen. Dieße kinder müßen ihrer fraw mutter nachschlagen undt gutte gemühter haben. Ich bin woll persuadirt, daß Ewere niepcen nicht geheüraht worden worden, wen Ihr nicht in Englandt geweßen wehret, alß jetzt[3]; da hetten sie sich doch heürahten können. Daß verdrist mich auff die Englandt[4], daß sie alle andere nationen haßen undt verrachten. Wen man so sehr ahn affairen zu thun gewohnt ist, glaube ich, daß Eüch die zeit lang wirdt fahlen, wen Ihr nichts mehr zu thun werd[e]t haben. In dießer welt kan man keine volkommene ruhe haben, liebe Louise, es kompt imer etwaß verdrießliches. Alles ahn gott zu ergeben undt ihn in allen nöhten ahnzuruffen, ist woll, waß man ahm besten thun kan; alßden können wir hoffen, daß, waß unß gott wiederwertiges zuschickt, er unß zu unßern besten gethan. Der ander Virgillius[5] ist auch nicht der, so ich gern hette. Ihr habt mir schon geschickt … Den, so ich gern hette, seindt ungereimbt reimen, undt so war daß buch, so Carllutz s. hatte. Ich dancke Eüch doch gar sehr vor alle mühe, so Ihr Eüch deßwegen geben. Gestern, alß ich au Thuillerie kam, erfuhr ich gleich im hoff eine große undt gutte zeittung, nehmblich daß daß schloß sich zu St Sebastien ergeben; eine bumbe ist in den magazin vom pulver gefahlen; da haben sie sich woll ergeben müßen. Die gantze provintz von Bilboa[6] hatt sich ahn Franckreich ergeben. Auff der sehe[7] hatt man auch ein glück gehabt. Ein chevallier de Chivry[8] hatt 3 spanische schiff verbrendt von 70 canons undt noch dazu alle preparatorien, so man in Spanien bereydt hatt, umb mehr schiff zu bawen, hatt er alles verbrandt[9]. Ich weiß nicht, ob Alberoni dem könig in [216] Spanien sonst viel nutzt, aber glück bringt er ihm gantz undt gar nicht. Sonsten weiß ich nichts neües. Ich weiß nicht mehr, ob ich Eüch nicht vergangen sontag geschrieben, daß mademoiselle de la Rochesurion[10], der verwittibten printzes de Conti dochter, seyder 7 tagen wider bey ihrer fraw mutter ist; den sie hatt erfahren, daß ihr herr bruder die rohte ruhr hatt; also ist sie kommen, ihre fraw mutter zu trösten. Waß es weitter werden wirdt, wirdt die zeit lehren. Daß ist alles, waß ich vor dießmahl sagen werde, undt Ewer schreiben ist vollig beantwortet, liebe Louise! Es bleibt mir also nichts mehr überig, alß Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 213–216
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1046.html
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