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Brief vom 10. September 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1051.


[234]
St Clou, den 10 September 1719 (N. 19).
Hertzallerliebe Louise, vergangen donnerstag abendts habe ich Ewer liebes schreiben vom 29 Aug., no 68, zu recht entpfangen. Ihr werdet auß etlichen von meinen schreiben ersehen haben, wie daß ich nun, gott seye danck, in gar volkommener gesundt[heit bin], ob es zwar überall gar viel krancken gibt; gantz Paris undt St Clou ist voller krancken. Es ist allezeit ein gutt zeichen, lieb[e] Louisse, wen ich nicht von meiner gesundtheit spreche. Vertrettene füße heyllen gar langsam. Vor 6 jahren zu Versaille bin ich einmahl 6 mont geweßen, ohne gehen zu können; that doch alle remedien, so man mir propossirte, außer den fuß in eyßkalt waßer zu thun, in eyßkalt waßer; den ich fürchte, daß mir dießes [235] verkalten solte, oder den durchlauff geben. Mein sohn ist nun gantz woll wider, geht wie ordinarie undt hingt[1] nicht mehr, gott lob! Die gröste geschicklichkeit der frantzöschen balbirer ist, die Frantzoßen[2] braff zu couriren; sonsten wißen sie nicht viel mehr, alß andere. Ich bin zu alt, lie[be] Louise, umb hinfüro zu reißen, weiß Eüch aber doch recht danck, mich bey Eüch zu wünschen im Schlangenbaadt. Meine knie seindt zu alt, umb wider gutt zu werden können; sie thun mir nun nicht gar wehe mehr. Ihr seydt 10 oder 11 jahr jünger, alß ich; daß macht einen großen unterschiedt. Mich deücht, wen man in den remedien ist, ist es viel gemachlicher, allein zu sein, alß viel leütte zu sehen. Ich bin allezeit vor der einsamkeit[3], sehe nicht gern viel leütte undt noch weniger ungewohnte gesichter. Seindt die graffen von Senssen reichsgraffen? Ich habe den nahmen mein leben nicht gehört. Ihr seydt ja nicht so gar einsam, liebe Louise, weillen Ihr alle die feine leütte vom schönbornischen hauß bey Eüch habt. Ah, ich habe nicht [beachtet], daß sie da geweßen, aber alle wider weg sein. Were die graffin von Sensen hir, würde man ihren zustandt einen rhumatisme heißen. Madame de Durasfort hatt mir daß recept von der pomade divine geben; ich mache gar kein secret davon, werde es Eüch heütte schicken; alles muß gar exact observirt werden. In Englandt geht daß geschrey, alß wen Ihr gleich nach dem Schlangenbaadt hin werdet; ich glaub es aber nicht, weillen Ihr, liebe Louise, nicht[s] davon melt. Ich gestehe, es were mir leydt, wen Ihr hinreißen soltet, weillen Eüch die lufft dort ungesundt ist undt Ihr auch sonst kein groß agrement dort habt. So baldt monsieur Lefevre[4] herkommen wirdt, werde ich mitt ihm sprechen undt ihm sagen, waß wegen Coubert zu thun; den ich habe mich deßwegen informirt, weillen die printzes von Wallis mir geschrieben hatte, daß graff Degenfelt selber herkommen würde. Wen Ihr, liebe Louise, mir gleich Ewerer niepcen sach nicht recommandirt hettet, würde ich mich der sach doch ahngenohmen haben umb ihrer lieben mutter s. wegen, die ich doch ja auch, wie es meine schuldigkeit erfordert, hertzlich geliebet habe. Die Chardons passiren hir vor ehrliche leütte, aber, unter unß gerett, wo sich interesse findt, ist Frantzossen [236] wenig zu trawen. Die eintzige madame de Chasteautier habe ich gantz ohne interessen gefunden hir im landt. Unßer printz von Birckenfelt muß die sach woll bedacht [haben]; den er heüraht sich nicht zu jung, wirdt umb weynachten 45 jahr alt sein; daß kan man mitt recht einen herbstknecht heißen; er ist sehr verliebt, sagt gar viel guts von seiner zukümfftigen gemahlin. Ich zweiffle nicht, daß sie woll erzogen ist; den ihre fraw mutter kam mir sehr raisonabel vor, wie ich sie hir gesehen habe. Wir haben nun gar nichts neües hir. Mein sohn ist occupirt, dem könig seine financen zu regliren, umb ihm alle seine schulden zu zahlen, welches gewiß geschehen wirdt mitt hülff eines Engländers, so monsieur Laws heist; aber die Frantzoßen, so alle nahmen endern, heißen ihn monsieur Las[5]. Es ist ein man von großem verstandt undt alle menschen admiriren seine wißenschafft in den financen. Seydt versichert, daß ich mein bestes vor Ewer niepcen thun werde umb ihr undt Ewerthalben! den ich habe Eüch von hertzen lieb.
P. S.
Ich habe dießen nachmittag Ewer lieb[e]s schreiben vom 1 September, no 69, zu recht entpfangen undt von hertzen [lachen müßen], daß Ihr Chausseray[6], die mein freüllen geweßen, vor [eine] geistliche gehalten. Ich muß mich greülich verschrieben haben; daß geschicht mir, glaube ich, gar offt. Ich wolte gern lenger blautter[n; aber] ich habe noch ahn mein dochter zu schreiben undt madame d’Orleans wirdt gleich ahnkommen, muß also vor dießmahl auffhoren.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. September 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 234–236
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1051.html
Änderungsstand:
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