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Brief vom 13. September 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1052.


[236]
St Clou, mitwog, den 13 September 1719 (N. 20).
Hertzallerliebe Louise, damitt ich die übermorgende post nicht verseümen mag, so schreibe ich Eüch heütte; den morgen muß ich umb halb 7 morgendts in kutsch sein, umb 7 meill von hir zu fahren nach Chelle[1], wo die benediction undt einweyung von unßer jungen abtißin ges[ch]ehen wirdt; werde dort zu mittag eßen undt spät wieder herkommen, wie Ihr leicht gedencken könt. Daß wirdt woll einer [237] von den verdrießlich[sten] tagen vor mich sein; den erstlich so ist mirs hertzlich leydt, daß das arme mensch sich in daß closter gesteckt, wo ich fürcht, das wir wenig ehr undt vergnügen davon haben werden; zum andern so wirdt die ceremonie 2 gantzer stundt [währen]; zum 3ten muß ich viel nonen undt mönchen sehen, daß ist mir auch zuwieder. Also kan es nichts, alß ein gar verdrießlicher tag morgen werden, wolte Eüch, liebe Louise, lieber schreiben vom morgen biß in die nacht. Hette mein enckel, die fraw abtißin, mich nicht so gar inständig drumb gebetten, were ich wahrlich nicht hingangen; bin schon gantz gritlich drüber. Die posten von dem Schlangenbaadt seindt vielleicht nicht regli[r]t, daß Ihr, liebe Louisse, meinen brieff 2 tag spatter bekommen habt. Ich gehe sogar früh ordinarie nach bett; den ich gehe eher früher, alß spätter, alß 10 uhr, in mein bett, kan also gar woll vor 6 auffstehen; bin allezeit bey 8 stunden im bett undt daß ist genung. Deß morgendts schreibe ich mehr in einer stundt, alß des nachmittags in 3 stunden; nachmittags wirdt man auch allezeit interompirt; morgendts, abendts bin ich gantz allein. Daß außfahren muß ich sowoll vor meine gesundtheit, alß lust thun; wen ich nicht außfahre, verspüre ich es gleich. Meine gesundtheit ist, gott seye danck, [ganz gut]; habe doch vor zwey tagen den dribsdrill auch [gehabt], hatt aber nicht gewehrt[2], gott [lob]! Es war nur, umb alla[3] mode zu sein; den gantz St Clou hatt es[4] gehabt; etliche von meinen leütten seindt dran gestorben. Ich muß noch lachen, daß ich mich so greülich muß verschrieben haben; den ich habe keine geistliche im bois de Boulogne gesehen, sondern nur eine dame, so von meinen freüllen geweßen, hette schir hoffjungfer gesagt, wie es zu meiner zeit gelaut in Teütschlandt; die hatt mir die schonne goltene schachtel verehrt. Mich deücht, daß wetter ist überall in gantz Europa daßselbe. Gestern hatt es, gott lob, geregnet; werden also kein staub zu unßerer kleinen reiß haben. Ich glaube nicht, daß ich mich mein leben ahn warm waßer zu drincken accommodiren könte. Von baaden halte ich auch nicht viel, habe es mein leben nicht geliebt; viel baaden vor lust, daß kan ich nicht begreiffen. Eine schlang hette mich nicht geeckelt, ich scheüe sie gar nicht, rühre sie ahn. Ich weiß nicht, ob Ihr [238] Eüch noch erinert, wie ich alß schlangen in gläßern kistger mitt kleyen zu Heydelberg vor meinen fenstern gehabt. Es wirdt ein miracle sein, wo daß Schlangenbaadt daß zwergelgen von Würdtenberg[5] solte waxsen[6] machen. Ich erfreüe mich mitt Eüch, liebe Louise, daß Ihr Ewere gutte freündin, die gräffin von Nassau-Weillburg, wider gefunden habt. Wie nahe ist sie dem graffen von Weillburg verwandt, den wir vergangen jahr hir gehabt haben undt Ihr, liebe Louisse, Ewern bruder heist? Ich glaube, daß unßers printzen von Birckenfelt beylager ist nun vorbey. In meinem sin seindt die zwey schwestern sehr unterschiedlich verheüraht. Die elste hatt den ersten seegen; aber vielleicht wirdt die jüngste glücklicher sein, alß die elste, den ich glaube, daß die graffen von Stolberg reich sein; auffs wenigst wirdt er vielleicht nicht so viel schulden haben, alß der alte hertzog Christian von Birckenfelt seinem herrn sohn gelaßen hatt. Von der maistresse ist nichts mehr zu fürchten; sie ist heßlich undt gantz kupfferig geworden undt der printz hatt sie schon lang, ehe er ahn heürahten gedacht, nicht mehr gesehen. Also hatt sie von deren nichts mehr zu fürchten; waß es weytter geben wirdt, solle die zeit lehren. Die liebe ist nicht gerost, aber daß gesicht von der Gläßerin ist verrost. Daß ist daß beste, daß man nicht mehr von der armen duchesse de Berry sagt. Wolte gott, ich hette weniger ursach gehabt, mich ihres todt zu trösten! Es ist ärger, alß Ihr Eüchs Ewer leben einbilden könt. Wen große herren nicht selber vor sich undt ihre reputation sorgen, finden sie nur zu viel leütte, so ihnen zu alles böße ahnleyten, daß sie sich schwerlich davon salviren. Ich habe schlegte zeittung von den 2 baßen, printzes du sang, bekommen; sie seindt beyde gar übel. Die schönne mademoiselle de Clermont hatt die kinderblattern; ist woll schadt, sie mögte auch woll gar sterben, den man hatt ihr 4 mahl zur ader gelaßen; das wirdt ihr die stärck benohmen haben, die kinderblattern außzutreiben. Madame la princesse jammert mich woll von hertzen; den sie liebt dieße encklin wie ihr eygen kindt, den sie wirdt bey ihr erzogen. Mein sohn hatt sich courirt, seinen fuß in eyßkalt waßer zu stecken. Aber ich habe vergeßen, fortzuführen, waß ich ahngefangen hatte, zu sagen von der kranckheit [239] von mademoiselle de la Rochesurion[7]; die ist auch todtkranck ahn einem continuirlichen fieber, ist mitt solchen abscheülichen haubtschmertzen, daß man ihr gestern ahm halß zu ader gelaßen hatt. Die arme madame la princesse mach[t] mir daß hertz schwer. Solte mademoiselle de Clermont zu sterben kommen, so fürchte ich gar sehr, daß madame la princesse sie baldt folgen solte. Verstandt undt wißenschafft fehlt meinem sohn nicht, hatt auch gar woll studirt undt hatt ein groß gedachtnuß. Unßer herrgott hatt meinen sohn erweckt, weillen diß landt seiner von nöhten hatten, daß [zu] ersetzen … Gott stehe ihm bey! Es ist woll ein recht ellendt, daß die desbauchen so eingerißen haben; vor dießem war es doch nicht so; [mich] deücht, man horte nicht von so abscheülichen historien, wie nun. Von deß margraffs von Durlaches dolles leben habe ich gehört; er ist gar zu narisch. Ich forcht, dießer herr sey gar zum nahren geworden, den närischer hatt mans nie erlebt undt habe nie von dergleichen gehört, alß einen mahler zu Paris, so Santerre hieß; der hatte keine mahlerjungen noch knechte, so ihm dinten, lautter junge medger, so ihn auß- undt ahnzogen; er war aber nicht geheüraht. Sein, ich will sagen, deß margraff von Durlachs printzgen hatt die rohte ruhr gehabt, ist gar kranck geweßen. Ich habe I. L. von meinem vin dalicant[8] geschickt, daß hatt ihn courirt, go[tt lo]b! Es ist ein artig herrgen, lang gar klein geblieben; nun fengt er ahn, zu waxsein[9]. Unßer printzes von Wallis schreibt[10] mir die schönsten sachen von der welt von der gräffin von Holdernessen agreablen humor, von ihrer samfftmühtigkeit, von ihrer generositet, von ihren desinteressement geschrieben, daß es mich recht charmirt hatt. Von der gräffin von Degenfelt sagt sie auch viel gutts, daß sie gar ein ehrliches undt pfaltzisches gemüht hatt. Mylord Sunderland wirdt die gelegenheit nicht verseümen, die ordre de la charticre[11] zu bekommen. Daß codicile vom duc de Schomberg habt Ihr mir schon geschriben undt ich habe drauff geantwortet. Vorgestern kame monsieur Lephevre[12] her; ich habe ihm ein brieff ahn meinen advocatten, monsieur le Roy[13], geben, der gar ein gelehrter, ehrlicher, wackerer man ist, undt[14] mitt ihm zu [240] consultiren, wie die sach ahnzufangen ist; den ich verstehe nichts von rechtssagen[15], weiß auch nicht die frantzösche gebrauch in erbsachen. In den livren[16] ist kein enderung im gelt, nur in den louisdors undt escus[17]. Lefevre kompt mir sehr fein vor, er hatt aber in seinem Frantzösch einen gantzen englischen thon hatt. Ich werde in etlichen tagen dem graff Degenfelt berichten, wie die sachen gehen. Ich hoffe, daß es woll gehen wirdt, undt wünsche es von hertzen. In den callendern seindt alle fewerbrunsten prophezeyet worden; es muß eine sondere constellation dazu regirt haben. Gutte nacht, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt biß sontag werde ich Eüch berichten, wie meine morgendte reiß abgangen, aber nun nur versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. September 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 236–240
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1052.html
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