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St Clou, mitwog, den 13 September 1719 (N. 20).
Hertzallerliebe Louise, damitt ich die übermorgende post nicht
verseümen mag, so schreibe ich Eüch heütte; den morgen muß ich
umb halb 7 morgendts in kutsch sein, umb 7 meill von hir zu fahren
nach Chelle
[1], wo die benediction undt einweyung von unßer jungen
abtißin ges[ch]ehen wirdt; werde dort zu mittag eßen undt spät wieder
herkommen, wie Ihr leicht gedencken könt. Daß wirdt woll einer
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von den verdrießlich[sten] tagen vor mich sein; den erstlich so ist
mirs hertzlich leydt, daß das arme mensch sich in daß closter
gesteckt, wo ich fürcht, das wir wenig ehr undt vergnügen davon
haben werden; zum andern so wirdt die ceremonie 2 gantzer stundt
[währen]; zum 3ten muß ich viel nonen undt mönchen sehen, daß
ist mir auch zuwieder. Also kan es nichts, alß ein gar
verdrießlicher tag morgen werden, wolte Eüch, liebe Louise, lieber
schreiben vom morgen biß in die nacht. Hette mein enckel, die fraw
abtißin, mich nicht so gar inständig drumb gebetten, were ich
wahrlich nicht hingangen; bin schon gantz gritlich drüber. Die posten
von dem Schlangenbaadt seindt vielleicht nicht regli[r]t, daß Ihr,
liebe Louisse, meinen brieff 2 tag spatter bekommen habt. Ich
gehe sogar früh ordinarie nach bett; den ich gehe eher früher, alß
spätter, alß 10 uhr, in mein bett, kan also gar woll vor 6
auffstehen; bin allezeit bey 8 stunden im bett undt daß ist genung.
Deß morgendts schreibe ich mehr in einer stundt, alß des
nachmittags in 3 stunden; nachmittags wirdt man auch allezeit
interompirt; morgendts, abendts bin ich gantz allein. Daß außfahren muß
ich sowoll vor meine gesundtheit, alß lust thun; wen ich nicht
außfahre, verspüre ich es gleich. Meine gesundtheit ist, gott seye
danck, [ganz gut]; habe doch vor zwey tagen den dribsdrill auch
[gehabt], hatt aber nicht gewehrt
[2], gott [lob]! Es war nur, umb
alla
[3] mode zu sein; den gantz St Clou hatt es
[4] gehabt; etliche
von meinen leütten seindt dran gestorben. Ich muß noch lachen,
daß ich mich so greülich muß verschrieben haben; den ich habe
keine geistliche im bois de Boulogne gesehen, sondern nur eine
dame, so von meinen freüllen geweßen, hette schir hoffjungfer
gesagt, wie es zu meiner zeit gelaut in Teütschlandt; die hatt mir
die schonne goltene schachtel verehrt. Mich deücht, daß wetter ist
überall in gantz Europa daßselbe. Gestern hatt es, gott lob,
geregnet; werden also kein staub zu unßerer kleinen reiß haben.
Ich glaube nicht, daß ich mich mein leben ahn warm waßer zu
drincken accommodiren könte. Von baaden halte ich auch nicht
viel, habe es mein leben nicht geliebt; viel baaden vor lust, daß
kan ich nicht begreiffen. Eine schlang hette mich nicht geeckelt,
ich scheüe sie gar nicht, rühre sie ahn. Ich weiß nicht, ob Ihr
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Eüch noch erinert, wie ich alß schlangen in gläßern kistger mitt
kleyen zu Heydelberg vor meinen fenstern gehabt. Es wirdt ein
miracle sein, wo daß Schlangenbaadt daß zwergelgen von
Würdtenberg
[5] solte waxsen
[6] machen. Ich erfreüe mich mitt Eüch, liebe
Louise, daß Ihr Ewere gutte freündin, die gräffin von
Nassau-Weillburg, wider gefunden habt. Wie nahe ist sie dem graffen von
Weillburg verwandt, den wir vergangen jahr hir gehabt haben undt Ihr,
liebe Louisse, Ewern bruder heist? Ich glaube, daß unßers printzen
von Birckenfelt beylager ist nun vorbey. In meinem sin seindt die
zwey schwestern sehr unterschiedlich verheüraht. Die elste hatt
den ersten seegen; aber vielleicht wirdt die jüngste glücklicher
sein, alß die elste, den ich glaube, daß die graffen von Stolberg
reich sein; auffs wenigst wirdt er vielleicht nicht so viel schulden
haben, alß der alte hertzog Christian von Birckenfelt seinem herrn
sohn gelaßen hatt. Von der maistresse ist nichts mehr zu fürchten;
sie ist heßlich undt gantz kupfferig geworden undt der printz hatt
sie schon lang, ehe er ahn heürahten gedacht, nicht mehr gesehen.
Also hatt sie von deren nichts mehr zu fürchten; waß es weytter
geben wirdt, solle die zeit lehren. Die liebe ist nicht gerost, aber
daß gesicht von der Gläßerin ist verrost. Daß ist daß beste, daß
man nicht mehr von der armen duchesse de Berry sagt. Wolte
gott, ich hette weniger ursach gehabt, mich ihres todt zu trösten!
Es ist ärger, alß Ihr Eüchs Ewer leben einbilden könt. Wen große
herren nicht selber vor sich undt ihre reputation sorgen, finden sie
nur zu viel leütte, so ihnen zu alles böße ahnleyten, daß sie sich
schwerlich davon salviren. Ich habe schlegte zeittung von den 2
baßen, printzes du sang, bekommen; sie seindt beyde gar übel. Die
schönne mademoiselle de Clermont hatt die kinderblattern; ist woll
schadt, sie mögte auch woll gar sterben, den man hatt ihr 4 mahl
zur ader gelaßen; das wirdt ihr die stärck benohmen haben, die
kinderblattern außzutreiben. Madame la princesse jammert mich
woll von hertzen; den sie liebt dieße encklin wie ihr eygen kindt,
den sie wirdt bey ihr erzogen. Mein sohn hatt sich courirt, seinen
fuß in eyßkalt waßer zu stecken. Aber ich habe vergeßen,
fortzuführen, waß ich ahngefangen hatte, zu sagen von der kranckheit
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von mademoiselle de la Rochesurion
[7]; die ist auch todtkranck ahn
einem continuirlichen fieber, ist mitt solchen abscheülichen
haubtschmertzen, daß man ihr gestern ahm halß zu ader gelaßen hatt.
Die arme madame la princesse mach[t] mir daß hertz schwer. Solte
mademoiselle de Clermont zu sterben kommen, so fürchte ich gar
sehr, daß madame la princesse sie baldt folgen solte. Verstandt
undt wißenschafft fehlt meinem sohn nicht, hatt auch gar woll
studirt undt hatt ein groß gedachtnuß. Unßer herrgott hatt meinen
sohn erweckt, weillen diß landt seiner von nöhten hatten, daß [zu]
ersetzen … Gott stehe ihm bey! Es ist woll ein recht ellendt,
daß die desbauchen so eingerißen haben; vor dießem war es doch
nicht so; [mich] deücht, man horte nicht von so abscheülichen
historien, wie nun. Von deß margraffs von Durlaches dolles leben
habe ich gehört; er ist gar zu narisch. Ich forcht, dießer herr sey
gar zum nahren geworden, den närischer hatt mans nie erlebt undt
habe nie von dergleichen gehört, alß einen mahler zu Paris, so
Santerre hieß; der hatte keine mahlerjungen noch knechte, so ihm
dinten, lautter junge medger, so ihn auß- undt ahnzogen; er war
aber nicht geheüraht. Sein, ich will sagen, deß margraff von
Durlachs printzgen hatt die rohte ruhr gehabt, ist gar kranck geweßen.
Ich habe I. L. von meinem vin dalicant
[8] geschickt, daß hatt ihn
courirt, go[tt lo]b! Es ist ein artig herrgen, lang gar klein
geblieben; nun fengt er ahn, zu waxsein
[9]. Unßer printzes von Wallis
schreibt
[10] mir die schönsten sachen von der welt von der gräffin von
Holdernessen agreablen humor, von ihrer samfftmühtigkeit, von ihrer
generositet, von ihren desinteressement geschrieben, daß es mich
recht charmirt hatt. Von der gräffin von Degenfelt sagt sie auch
viel gutts, daß sie gar ein ehrliches undt pfaltzisches gemüht hatt.
Mylord Sunderland wirdt die gelegenheit nicht verseümen, die ordre
de la charticre
[11] zu bekommen. Daß codicile vom duc de
Schomberg habt Ihr mir schon geschriben undt ich habe drauff
geantwortet. Vorgestern kame monsieur Lephevre
[12] her; ich habe ihm
ein brieff ahn meinen advocatten, monsieur le Roy
[13], geben, der gar
ein gelehrter, ehrlicher, wackerer man ist, undt
[14] mitt ihm zu
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consultiren, wie die sach ahnzufangen ist; den ich verstehe nichts von
rechtssagen
[15], weiß auch nicht die frantzösche gebrauch in erbsachen.
In den livren
[16] ist kein enderung im gelt, nur in den louisdors
undt escus
[17]. Lefevre kompt mir sehr fein vor, er hatt aber in
seinem Frantzösch einen gantzen englischen thon hatt. Ich werde
in etlichen tagen dem graff Degenfelt berichten, wie die sachen
gehen. Ich hoffe, daß es woll gehen wirdt, undt wünsche es von
hertzen. In den callendern seindt alle fewerbrunsten prophezeyet
worden; es muß eine sondere constellation dazu regirt haben. Gutte
nacht, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt
biß sontag werde ich Eüch berichten, wie meine morgendte reiß
abgangen, aber nun nur versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb
behalte, liebe Louisse!