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St Clou den 21 September 1719 (N. 22).
Hertzallerliebe Louisse, dießes ist heütte die 3te post, daß ich
kein schreiben von Eüch entpfangen. Es fengt mir ahn recht angst
zu werden; den es ist nicht möglich, daß Ihr nun nicht wider zu
Franckfort seydt; fürchte alß, daß Ihr, liebe Louise, nach dem
Schlangenbaadt kranck zu Geissenheim geworden seydt. Ich habe
noch ein wenig hoffnung auff dießen nachmittag. Ich bin gestern
zu Paris geweßen, habe aber gar nichts neües dort erfahren. Der
arme Coursillon, madame de Dangeau sohn
[1], ist so übel, daß man schir
keine hoffnung hatt, ihn zu salviren
[2]; den man sagt, daß, weillen
er nur ein bein [hat]
[3], können sich die blatter nicht genung
außdenen undt gehen im kopff, werden also den transport
[4] verursachen
undt ihn so in jene welt bringen. Gott wolle ihm gnädig sein! war
abscheülich desbeauchirt. Mademoiselle de Clermont, so auch die
kinderblattern hatt, solle so woll sein, alß man in dem standt sein
kan. Madame de Vantadour hatt mein docktor, monsieur Teray,
salvirt mitt ein quinquina
[5], so er ihr hatt prepariren laßen.
Mademoiselle de la Rochesurion, so selbe kranckheit, wie madame de
Vantadour, gehabt, ist noch nicht außer gefahr, hatt daß fieber
noch. Daß ist alles, waß ich weiß. Gott gebe, daß dieses schreiben
Eüch in volkomm[en]er gesundtheit ahntreffen mag! Ich werde mein
brieff erst dießen abendt zupitschiren; entpfange ich etwaß von Eüch,
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werde ich noch berichten. Mich verlangt auch, zu erfahren, ob Ihr
mein contrefait, so ich heütte 14 tag geschickt
[6], zu recht entpfangen,
Seydt versichert, liebe Louisse, daß ich Eüch all mein leben von
hertzen lieb behalte!
St Clou, den donnerstag nachmittag.
Die post ist kommen, aber nichts von Eüch, liebe Louisse! Daß
setzt mich recht in sorgen. Der Würtzau schickt mir die gazetten,
aber kein wortt dabey, wo Ihr hinkommen seydt. Ich kans nicht
begreiffen; spilt unß vielleicht der postmeister auß despit ein tour
[7],
der gar nicht artig ist? Alleweill erfahr ich, daß die arme madame
Dangeau gestern abendts ihren eintzigen sohn verlohren
[8]; sie
jamert mich woll von grundt der seelen. Aber wen ich nur gutte
zeittung von Eüch hette! Ich kan mir nicht einbilden, waß
auffhelt, daß Ewere schreiben nicht überkommen. Ich bin woll
versichert, daß es Ewer schuldt nicht ist. Gott verleye nur, daß Ihr
gesundt sein möget, liebe Louisse! so werde ich zufrieden sein. Ich
habe gedacht, ob Ihr vielleicht Ewere reiße nach Englandt
ahngetretten habt, wie mans in Englandt gesagt hatt. Wen es daß ist,
gebe Eüch gott eine so glückliche reiße, alß die vorige verdrießlich
geweßen!