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Brief vom 5. Oktober 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1058.


[259]
St Clou den 5 October 1719 (N. 26).
Hertzallerliebe Louisse, mich verlangt auff dießen nachmittag, umb Ewer liebes schreiben zu entpfangen, umb zu sehen, ob man Eüch mein contrefait gar gestohlen hatt, oder ob mans Eüch noch wider geben wirdt; daß kan ja niemandts nichts nutz sein, alß Eüch. Daß kleine demantgen, daß zum knopf dint umb auch[1], ist auch nicht von so großem preiß, daß man darnach lust haben solte. Aber bekümert Eüch nicht über den verlust deß contrefaits! Es ist leicht wider zu ersetzen; ich habe schon ein anders bestehlt[2], wo diß nicht wider gefunden wirdt, undt werde es Eüch durch eine sichere[3] gelegenheit, alß durch die post, schicken. Der brieff, so Eüch dabey fehlt, ist vom 7 September, no 18. Warumb solt Ihr nicht von Ewerm boßen fuß reden? ist er den nicht ein gliedt von Ewerem leib, widt[4] alle die andern? Daß ist ein wünderliche höfflichkeit, die man in Teütschlandt hatt; daß muß auß Spanien oder auß Portugal [gekommen sein], den da helt man es vor eben so unehrlich, den fuß zu weißen, alß den hintern. Daß seindt aber dolle einfalle. Habt Ihr in Franckfort kein beaume de Fioraventi[5]? Der ist gar kostlich vor alle schaden ahn den füßen, aber zu den knien thut[6] es nichts. Es ist mir leydt, liebe Louisse, daß Ihr kniewehe habt; den ich weiß durch schlimme experientz, [260] daß daß allezeit übel ärger wirdt undt man nie recht davon courirt. Campferspiritus ist gutt, habe es aber nie gebraucht, weillen mir der geruch vom campfer zu sehr zuwider ist. Mich deücht, es riegt[7] wie ein stinckender ahtem; aber die keinen eckel vor dem campfer haben, befinden sich gar woll dabey. Daß remede von heüblumen kene ich nicht. Ey, liebe Louise, warumb wolt Ihr nicht von Eüch selber reden? Ich schreibe Eüch ja nur, umb zeittung von Eüch zu haben undt umb eygendtlich zu wißen, wie es mitt Eüch stehet; den nun Carolline, Amellisse undt Ewere brüder nicht mehr leben leyder, wer soll sich den mehr vor Eüch interessiren, alß ich, undt wer ist Eüch näher, alß ich? Also solt Ihr dieße façon nicht mitt mir machen, liebe Louise! Ich halte es eher vor eine offence, alß hofflichkeit, auß obgemelten ursachen. Mein sohn spatzirt nun zu viel nun; nichts hatt ihn courirt, alß den fuß in eyßkalt waßer zu stellen in einem zuber. Von deß königes danckbarkeit vor alle mühe, seine schulden alle zu zahlen undt allen sachen in einem gutten standt zu bringen, da ist wenig ahn zu hoffen; den alles, waß den könig umbringt undt regirt, hast meinen armen sohn wie den teüffel. Sie mercken woll, daß mein sohn mehr verstandt hatt undt mehr weiß, alß sie alle, fürchten also, daß, wen er ins könig gnaden kommen solte, daß er mehr, alß nie, regieren würde; daß wollen sie wehren, umb den könig allein zu halten. Dieße politic ist nicht schwer; da gehört weder so viel verstandt, noch gelehrten calcul zu, wie monsieur Laws hatt. Es ist nicht möglich, daß der könig nicht leütte umb sich finde, so meinem sohn übel wollen; den allen denen, so mein sohn ahm meisten gutts gethan undt aller ihrer bitt gewehrt, seindt die, so ihn am meisten haßen, vom ersten biß zum letzten. Es seindt hir undanckbare leütte, welches nicht anderst sein kan, wo nichts, alß ehrgeitz undt pure interesse, im schwang geht. Leütte wie monsieur Laws findt man selten. Der große interesse mag auch woll schuldig sein, das es so doll bey Churpfaltz hergeht; wehre dießer churfürst nicht bestollen, konte es[8] seine despense woll außstehen. Der könig in Preüssen hatt unrecht gehabt, daß chor von der h.-geist-kirch zu cediren; den wer pfaffen einen finger gibt, nehmen sie die gantze handt, wie in der h.-geist-kirch zu Heydelberg [261] geschehen. Worin bestehen nun die Franckforter zeitvertreib, liebe Louise? Ich bin gantz, wie Ihr, liebe! Die einsambkeit ist, waß ich ahm meisten liebe; aber ich gehe doch zu etlichmahl zu spectaclen, damitt man mich nicht gar, wie mans hir nent, wen man leüttscheü ist, wie ich bin, vor einen loupgarou[9] helt. Wo mir gott leben undt gesundtheit biß sontag verleydt, werde ich nach Paris geraht nach hoff zum könig, von dar ins Palais-Royal zu madame d’Orléans, hernach ahn taffel, nach dem eßen au Carmelitten in kirch, nach dem salut wider ins Palais-Royal, daß opera von Issé[10] zu sehen, so ich noch nicht [ge]sehen, seyder man es wider spilt (habe es gantz vergeßen; es ist 20 jahr, daß ich es nicht gesehen habe), von dar wider her, mein ey schlucken undt nach bett gehen. Kan kan den weißen[11] mitt moderation geben, aber schir alles zu geben undt seinen verwanten entziehen, finde ich nicht raisonabel; aber deß menschen will ist sein himmelreich. Ich habe ahn Ewere beyde niepcen zugleich geantwortet. Wen ich noch im frühling bey leben bin, werde ich gar froh sein, graff Degenfelt undt seine gemahlin zu sehen. Monsieur Le Phevre[12] hatt sich ein ewig lob hir erworben; er hatt auch hir gethan, wovon man kein exempel in gantz Franckreich finden wirdt. Er hatt 10/m. thaller abgeschlagen, umb sein wordt zu halten, undt sagt, daß, wen er sein [wort] nicht geben hette undt die sach ahngangen were, würde er die 10/m. thaller zu der maße gethan haben; den er were nicht herkommen, seine affairen zu machen, sondern deß duc de Schonburgs dochtern zu dinnen. Die lufft schlegt ihm hir gar nicht woll zu; sie ist auch jetzt gar schlim zu Paris, ist wie eine pest, alle menschen werden kranck. Ich wolte, daß monsieur Le Phevre mitt seinem million, so[13] er Coubert verkaufft, wider in Englandt wehre; den ich fürcht, er wirdt hir sterben. Der herr vitzecantzler Franck hatt seine fraw auch wider nach Heydelberg führen müßen, die hatt die Parisser lufft gar nicht vertragen können. Die Chardons seindt von den ehrlichsten leütten hir in landt, werden deßwegen sehr beneydt. Monsieur le Phevre ist gar woll zufrieden mitt ihrer rechnung, so sie [262] ihnen[14] ohne scheü gethan. Pomade divine ist ein gutt remede; wen man starcken husten hatt undt die brust mitt schmirt, gibt es viel erleichterung; wen man sich starck gebrendt hatt undt die pomade drauff schmirt, beniembt es nicht allein gleich den schmertzen, sondern es verhindert, daß man kein brandtmahl bekompt; vor ruhmmatißme ist es auch sonderlich gutt undt lindert alle schmertzen, undt wo sich geschwer ahnfangen, fleißig mitt der pomade geschmirt, es dissipirt sie, ohne einzuschlagen. Wir haben noch gar ein gutt remede hir; ich weiß nicht ob Ihr davon gehört habt; es kompt auß den americanischen insuln, man heist es l’huille de copaheu[15], ist gar eine gutte sach vor allerhandt grimen, vor daß grieß, vor alle wunden. Einer von meinen papagayen [ist mir] vor zwey jahren auff den mundt gefahren, hatt mich erschrecklich gebißen, daß daß stück gantz loß war. Ich habe nichts anderst dazu gethan, alß daß bludt abzuwischen, mitt einer feder dropffen copaheu drauff zu thun, daß stück, so in der lufft hinck, wider hin zu legen, eine große mousch[16] drauff zu legen, 3 tag nacheinander; den 3ten tag war es heyll undt nicht daß geringste mahl. Schreibt mir, ob Ihr keines habt! Wen Ihr keines habt, will ich Eüch etliche kleine bouteillen schicken. Man hatt mirs auch eingeben, wie ich so kranck war. Man lest einen tropffen in zucker fließen, schudelt[17] es, daß es wie eine pillen wirdt, undt schluckt daß ein; es ist gar bitter, aber hatt sonst keinen übeln geschmack undt richt wie cedernholtz. Ewere niepcen haben fest drauff gezehlt, daß Ihr nach Englandt würdet. Die comtesse de Holdernesse hatt es ahn I. L. die printzes von Wallis gesagt, die hatt mirs geschrieben. Ich bin froh, daß Ihr es nicht gethan habt; den die lufft zu Londen ist jetzt eben so schlim, alß die von Paris. Ich habe woll gedacht, liebe Louisse, daß Ihr mir keine finesse von Ewerer reiß machen[18] würde[t]; aber wie ich doch 3 posten war, ohne nichts von Eüch zu entpfangen, wuste ich nicht mehr, waß ich von Eüch gedencken solte. Es fehlen mir noch zwey von Ewern schreiben, nehmblich daß von no 70 undt 71; die habe ich nicht entpfangen. Ewer[e] kinder in Englandt seindt jung undt starck, also zu hoffen, daß [263] sie nicht kranck sollen werden. Die printzes von Wallis liebt Eüch undt estimirt Eüch von hertzen, schriebe mir letztmahl, daß es woll schadt, daß Ihr nicht meine schwester von vatter undt mutter seydt; den keine große fürstin in der welt keine höhere noch tugendtsame[re] sentiementen haben kan, alß Ihr, liebe Louise, habt. Daß hatt mir recht woll gethan; mich deücht, ich habe die printzes noch lieber über dießen wunsch. Die printzes von Wallis ist jung, daß erhelt sie noch lustig. Wen man alt wirdt, hatt man viel von seinen lieben verwanten undt freünden verlohren, undt daß macht trawrich undt daß man nie nicht mehr lustig sein kan, wie zuvor. Mich deücht, ich habe letz[t]mahl schon auff Ewer liebes schreiben vom 15, no 72, so ich durch monsieur de Neufville entpfangen, geantwordt. Wir haben gar nichts neües hir, werde also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.
Donnerstag, den 5 October, umb 4 uhr nachmittags.
Gleich nach [dem] eßen bin ich spatziren gefahren, aber nicht lang außgeweßen; den [es] gehet ein zu starcker nortwindt, daß ich gleich wieder herein bin. Im hinfahr[e]n war es gar schön, aber im wiederherfahren ging ein so schneydiger windt, alß wie in voller frost. Wie ich in calesch saß, bracht man mir Ewer liebes schreiben vom 23 September, no 75; aber, wie Ihr woll wist, liebe Louisse, so werde ich es heütte nicht beantworten, sondern vor die andere post sparen. Ich habe Ewer lieben brieff in der promenaden geleßen, aber Ihr sagt kein wordt, waß Euch der postmeister gesagt; den in Ewerm letzten brieff sagtet Ihr mir, daß Ihr in die post fahren woltet, umb nachzuforschen, wo mein letzter brieff hinkommen; Ihr sagt aber in dießem letztem kein wordt davon. Ich habe dießen nachmittag gantz undt gar nichts neües erfahren, undt weillen ich heütte noch 4 brieff zu schreiben [habe], muß ich wider meinen willen gantz kurtz abbrechen. Ich habe noch ahn die königin in Preüssen, baron Görtz, monsieur Harling undt einen brieff ahn einen man nach Paris zu schreiben, so sich woll auff medaillen verstehet undt mir diß jahr über die 60 neüe, gar rare geschafft. Ich habe nun 930 goltene medaille, antiquen[19]. Aber ich muß kurtz [264] abbrechen; den komme ich einmahl auff die medaillen, werde ich nicht so baldt auffhören können.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Oktober 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 259–264
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1058.html
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Tintenfass