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St Clou den 5 October 1719 (N. 26).
Hertzallerliebe Louisse, mich verlangt auff dießen nachmittag,
umb Ewer liebes schreiben zu entpfangen, umb zu sehen, ob man
Eüch mein contrefait gar gestohlen hatt, oder ob mans Eüch noch
wider geben wirdt; daß kan ja niemandts nichts nutz sein, alß
Eüch. Daß kleine demantgen, daß zum knopf dint umb auch
[1],
ist auch nicht von so großem preiß, daß man darnach lust haben
solte. Aber bekümert Eüch nicht über den verlust deß
contrefaits! Es ist leicht wider zu ersetzen; ich habe schon ein anders
bestehlt
[2], wo diß nicht wider gefunden wirdt, undt werde es Eüch
durch eine sichere
[3] gelegenheit, alß durch die post, schicken. Der
brieff, so Eüch dabey fehlt, ist vom 7 September, no 18. Warumb
solt Ihr nicht von Ewerm boßen fuß reden? ist er den nicht ein
gliedt von Ewerem leib, widt
[4] alle die andern? Daß ist ein
wünderliche höfflichkeit, die man in Teütschlandt hatt; daß muß
auß Spanien oder auß Portugal [gekommen sein], den da helt man
es vor eben so unehrlich, den fuß zu weißen, alß den hintern. Daß
seindt aber dolle einfalle. Habt Ihr in Franckfort kein beaume de
Fioraventi
[5]? Der ist gar kostlich vor alle schaden ahn den füßen,
aber zu den knien thut
[6] es nichts. Es ist mir leydt, liebe Louisse,
daß Ihr kniewehe habt; den ich weiß durch schlimme experientz,
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daß daß allezeit übel ärger wirdt undt man nie recht davon
courirt. Campferspiritus ist gutt, habe es aber nie gebraucht, weillen
mir der geruch vom campfer zu sehr zuwider ist. Mich deücht,
es riegt
[7] wie ein stinckender ahtem; aber die keinen eckel vor
dem campfer haben, befinden sich gar woll dabey. Daß remede
von heüblumen kene ich nicht. Ey, liebe Louise, warumb wolt
Ihr nicht von Eüch selber reden? Ich schreibe Eüch ja nur, umb
zeittung von Eüch zu haben undt umb eygendtlich zu wißen, wie
es mitt Eüch stehet; den nun Carolline, Amellisse undt Ewere
brüder nicht mehr leben leyder, wer soll sich den mehr vor Eüch
interessiren, alß ich, undt wer ist Eüch näher, alß ich? Also solt
Ihr dieße façon nicht mitt mir machen, liebe Louise! Ich halte
es eher vor eine offence, alß hofflichkeit, auß obgemelten ursachen.
Mein sohn spatzirt nun zu viel nun; nichts hatt ihn courirt, alß
den fuß in eyßkalt waßer zu stellen in einem zuber. Von deß
königes danckbarkeit vor alle mühe, seine schulden alle zu zahlen
undt allen sachen in einem gutten standt zu bringen, da ist wenig
ahn zu hoffen; den alles, waß den könig umbringt undt regirt, hast
meinen armen sohn wie den teüffel. Sie mercken woll, daß mein
sohn mehr verstandt hatt undt mehr weiß, alß sie alle, fürchten
also, daß, wen er ins könig gnaden kommen solte, daß er mehr,
alß nie, regieren würde; daß wollen sie wehren, umb den könig
allein zu halten. Dieße politic ist nicht schwer; da gehört weder
so viel verstandt, noch gelehrten calcul zu, wie monsieur Laws hatt.
Es ist nicht möglich, daß der könig nicht leütte umb sich finde,
so meinem sohn übel wollen; den allen denen, so mein sohn ahm
meisten gutts gethan undt aller ihrer bitt gewehrt, seindt die, so
ihn am meisten haßen, vom ersten biß zum letzten. Es seindt hir
undanckbare leütte, welches nicht anderst sein kan, wo nichts, alß
ehrgeitz undt pure interesse, im schwang geht. Leütte wie
monsieur Laws findt man selten. Der große interesse mag auch woll
schuldig sein, das es so doll bey Churpfaltz hergeht; wehre dießer
churfürst nicht bestollen, konte es
[8] seine despense woll außstehen.
Der könig in Preüssen hatt unrecht gehabt, daß chor von der
h.-geist-kirch zu cediren; den wer pfaffen einen finger gibt, nehmen
sie die gantze handt, wie in der h.-geist-kirch zu Heydelberg
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geschehen. Worin bestehen nun die Franckforter zeitvertreib, liebe
Louise? Ich bin gantz, wie Ihr, liebe! Die einsambkeit ist, waß
ich ahm meisten liebe; aber ich gehe doch zu etlichmahl zu
spectaclen, damitt man mich nicht gar, wie mans hir nent, wen man
leüttscheü ist, wie ich bin, vor einen loupgarou
[9] helt. Wo mir gott
leben undt gesundtheit biß sontag verleydt, werde ich nach Paris
geraht nach hoff zum könig, von dar ins Palais-Royal zu madame
d’Orléans, hernach ahn taffel, nach dem eßen au Carmelitten in
kirch, nach dem salut wider ins Palais-Royal, daß opera von Issé
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zu sehen, so ich noch nicht [ge]sehen, seyder man es wider spilt
(habe es gantz vergeßen; es ist 20 jahr, daß ich es nicht gesehen
habe), von dar wider her, mein ey schlucken undt nach bett gehen.
Kan kan den weißen
[11] mitt moderation geben, aber schir alles zu geben
undt seinen verwanten entziehen, finde ich nicht raisonabel; aber
deß menschen will ist sein himmelreich. Ich habe ahn Ewere beyde
niepcen zugleich geantwortet. Wen ich noch im frühling bey leben
bin, werde ich gar froh sein, graff Degenfelt undt seine gemahlin
zu sehen. Monsieur Le Phevre
[12] hatt sich ein ewig lob hir
erworben; er hatt auch hir gethan, wovon man kein exempel in gantz
Franckreich finden wirdt. Er hatt 10/m. thaller abgeschlagen, umb
sein wordt zu halten, undt sagt, daß, wen er sein [wort] nicht
geben hette undt die sach ahngangen were, würde er die 10/m. thaller
zu der maße gethan haben; den er were nicht herkommen, seine
affairen zu machen, sondern deß duc de Schonburgs dochtern zu
dinnen. Die lufft schlegt ihm hir gar nicht woll zu; sie ist auch
jetzt gar schlim zu Paris, ist wie eine pest, alle menschen werden
kranck. Ich wolte, daß monsieur Le Phevre mitt seinem million,
so
[13] er Coubert verkaufft, wider in Englandt wehre; den ich fürcht,
er wirdt hir sterben. Der herr vitzecantzler Franck hatt seine fraw
auch wider nach Heydelberg führen müßen, die hatt die Parisser
lufft gar nicht vertragen können. Die Chardons seindt von den
ehrlichsten leütten hir in landt, werden deßwegen sehr beneydt.
Monsieur le Phevre ist gar woll zufrieden mitt ihrer rechnung, so sie
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ihnen
[14] ohne scheü gethan. Pomade divine ist ein gutt remede;
wen man starcken husten hatt undt die brust mitt schmirt, gibt es
viel erleichterung; wen man sich starck gebrendt hatt undt die
pomade drauff schmirt, beniembt es nicht allein gleich den schmertzen,
sondern es verhindert, daß man kein brandtmahl bekompt; vor
ruhmmatißme ist es auch sonderlich gutt undt lindert alle
schmertzen, undt wo sich geschwer ahnfangen, fleißig mitt der pomade
geschmirt, es dissipirt sie, ohne einzuschlagen. Wir haben noch gar
ein gutt remede hir; ich weiß nicht ob Ihr davon gehört habt; es
kompt auß den americanischen insuln, man heist es l’huille de
copaheu
[15], ist gar eine gutte sach vor allerhandt grimen, vor daß
grieß, vor alle wunden. Einer von meinen papagayen [ist mir] vor
zwey jahren auff den mundt gefahren, hatt mich erschrecklich
gebißen, daß daß stück gantz loß war. Ich habe nichts anderst dazu
gethan, alß daß bludt abzuwischen, mitt einer feder dropffen
copaheu drauff zu thun, daß stück, so in der lufft hinck, wider hin zu
legen, eine große mousch
[16] drauff zu legen, 3 tag nacheinander; den
3ten tag war es heyll undt nicht daß geringste mahl. Schreibt mir,
ob Ihr keines habt! Wen Ihr keines habt, will ich Eüch etliche
kleine bouteillen schicken. Man hatt mirs auch eingeben, wie ich
so kranck war. Man lest einen tropffen in zucker fließen, schudelt
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es, daß es wie eine pillen wirdt, undt schluckt daß ein; es ist gar
bitter, aber hatt sonst keinen übeln geschmack undt richt wie
cedernholtz. Ewere niepcen haben fest drauff gezehlt, daß Ihr nach
Englandt würdet. Die comtesse de Holdernesse hatt es ahn I. L.
die printzes von Wallis gesagt, die hatt mirs geschrieben. Ich bin
froh, daß Ihr es nicht gethan habt; den die lufft zu Londen ist
jetzt eben so schlim, alß die von Paris. Ich habe woll gedacht,
liebe Louisse, daß Ihr mir keine finesse von Ewerer reiß machen
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würde[t]; aber wie ich doch 3 posten war, ohne nichts von Eüch
zu entpfangen, wuste ich nicht mehr, waß ich von Eüch gedencken
solte. Es fehlen mir noch zwey von Ewern schreiben, nehmblich
daß von no 70 undt 71; die habe ich nicht entpfangen. Ewer[e]
kinder in Englandt seindt jung undt starck, also zu hoffen, daß
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sie nicht kranck sollen werden. Die printzes von Wallis liebt Eüch
undt estimirt Eüch von hertzen, schriebe mir letztmahl, daß es woll
schadt, daß Ihr nicht meine schwester von vatter undt mutter seydt;
den keine große fürstin in der welt keine höhere noch
tugendtsame[re] sentiementen haben kan, alß Ihr, liebe Louise, habt. Daß
hatt mir recht woll gethan; mich deücht, ich habe die printzes noch
lieber über dießen wunsch. Die printzes von Wallis ist jung, daß
erhelt sie noch lustig. Wen man alt wirdt, hatt man viel von
seinen lieben verwanten undt freünden verlohren, undt daß macht
trawrich undt daß man nie nicht mehr lustig sein kan, wie
zuvor. Mich deücht, ich habe letz[t]mahl schon auff Ewer liebes
schreiben vom 15, no 72, so ich durch monsieur de Neufville
entpfangen, geantwordt. Wir haben gar nichts neües hir, werde also
vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise,
von hertzen lieb behalte.
Donnerstag, den 5 October, umb 4 uhr nachmittags.
Gleich nach [dem] eßen bin ich spatziren gefahren, aber nicht
lang außgeweßen; den [es] gehet ein zu starcker nortwindt, daß
ich gleich wieder herein bin. Im hinfahr[e]n war es gar schön, aber
im wiederherfahren ging ein so schneydiger windt, alß wie in voller
frost. Wie ich in calesch saß, bracht man mir Ewer liebes
schreiben vom 23 September, no 75; aber, wie Ihr woll wist, liebe Louisse,
so werde ich es heütte nicht beantworten, sondern vor die andere
post sparen. Ich habe Ewer lieben brieff in der promenaden
geleßen, aber Ihr sagt kein wordt, waß Euch der postmeister gesagt;
den in Ewerm letzten brieff sagtet Ihr mir, daß Ihr in die post
fahren woltet, umb nachzuforschen, wo mein letzter brieff
hinkommen; Ihr sagt aber in dießem letztem kein wordt davon. Ich habe
dießen nachmittag gantz undt gar nichts neües erfahren, undt
weillen ich heütte noch 4 brieff zu schreiben [habe], muß ich wider
meinen willen gantz kurtz abbrechen. Ich habe noch ahn die
königin in Preüssen, baron Görtz, monsieur Harling undt einen brieff
ahn einen man nach Paris zu schreiben, so sich woll auff medaillen
verstehet undt mir diß jahr über die 60 neüe, gar rare geschafft.
Ich habe nun 930 goltene medaille, antiquen
[19]. Aber ich muß kurtz
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abbrechen; den komme ich einmahl auff die medaillen, werde ich
nicht so baldt auffhören können.