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Brief vom 7. Oktober 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1059.


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St Clou den 7 October 1719 (N. 27).
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütte ahn, auff Ewer liebes schreiben vom 23 September zu andtwortten, so ich vergangenen donnerstag entpfangen, wie ich glaube, daß ich Eüch schon bericht habe. Es ist gutt, daß Ihr mein schreiben vom 13 woll entpfangen; ich muß mich aber im schiffer verschrieben [haben], den ahnstatt 25 hett[e] ich 20 setzen sollen. Es ist gar nichts possirlich zu Chelle vorgangen. Es ist gar leicht zu begreiffen, daß ich Eüch lieber würde entretenirt haben, liebe Louisse, alß nach Chelle zu fahren. Erstlich so seindt mir aller[1] closter undt ihr leben zuwieder, zum andern so ist es mir hertzlich leydt, daß mein enckel dieße parthie genohmen undt none undt abtißin geworden ist; habe also mehr leydt, alß freüde, ahn dießem spectacle gehabt. Ewere übermäßige demuth macht mich lachen. Worin seydt Ihr, Louisse, nicht wehrt, daß ich Eüch lieb haben solle? Seindt wir den einander nicht nahe genung dazu? Ah, nun felt mir ein, waß es sein muß, Ewere desbeauche undt gottloß leben; da hatte ich nicht gleich ahn gedacht, daß muß es sein. Aber alles, waß man hir sicht, insonderheit in den printzessinen vom geblüdt, ist so tugendtsam, daß man woll Ewere fehler, liebe Louise, damitt bedecken kan, außer madame la princesse, die ist woll so gottloß undt desbauchirt, alß Ihr, liebe Louise, seydt. Ich bin in sorgen vor sie; den daß fieber ist ihr ahnkommen. Sie betrübte sich zu sehr, daß ihre [tochter][2] gefangen ist, wolte sie gern loß haben und daß geht nicht ahn; daß macht sie kranck. Sie jammert mich zwar, aber ich wolte doch nicht, daß mein sohn daß boße thier loß ließe. Ich bin gar nicht müde von meiner reiße geweßen; daß fahren bekompt mir wohl, den ich bin all mein leben ahn gar starcke exercitzien gewohnt, seindt mir allezeit woll bekommen. Ich meinte, ich hette Eüch schon lengst gesagt, daß mademoiselle de Chausseray[3] eine von meinen freüllen geweßen; habe lachen müßen, daß Ihr daß [häuschen [265] Madrid][4] vor ein closter genohmen. Sie war vor dießem gar arm, hatt aber all ihr habe undt gutt in die banque von Missisipe gethan, so monsieur Law gemacht, der Englander, von welchen Ihr gehört, damitt sie ein million gewohnen; ist nun, ahnstatt arm, reich, wirdt auch erster tagen ein schon undt groß landtgutt kauffen. Ich werde heütte erfahren, wie [es] mitt stehet[5]; den ich werde sie dießen nachmittag besuchen in ihrem kleinen artigen heüßgen zu Madrit. Es wundert mich, daß [man] in einen so bewohnten ort undt wo alle jahr so viel leütte von qualitet hinkommen, wie daß Schlangenbaadt ist, keine posten hatt oder regullirte botten auffs wenigst. Aber ich glaube, daß boßheit drunter steckt, weillen Eüch der verfluchte postmeister nicht woll [will]. Mitt brieffen zu zergen, geht noch woll hin, aber mein contrefait zu stehlen, ist zu grob. Der graff von Nassau, welchen Ihr bruder heist, hette Eüch viel von Paris verzehlen kommen[6]; den er ja etlich monat da geweßen. Graff von Hannau bitte ich vor sein ahndencken zu dancken. Ich halte viel von ihm, ist gar ein gutter herr. Ich weiß nicht, wem Ketschstatt gehört, wo er hin ist; haben[7] den nahmen nie nenen hören. Ich kenne den intendanten von Strasburg gar woll; ich würde auch viel von ihm halten, wen er nicht eines ertzschelmens, deß comte de du Bourg[8], freündt were. Es seindt frantzosche Schweitzer, so kein Teütsch können, alß zum exempel monsieur Polier undt seine brüder undt neuveux, die konten kein Teütsch. Mich deucht, die printzessin von Darmstatt reist zu viel vor eine erste schwangerschafft. Daß ist gefahrlich, undt thut eine fraw daß erste mahl ein böß kindtbett, bringt sie selten ein kindt zu recht. Daß wetter hatt große mühe, sich zum regen zu bequemen; man hatt es doch hoch von nohten. Seyder die Seine ein wenig gewacksen, hört man weniger von neüen krancken; es [gibt] doch noch ohne daß [266] krancken genung ahn den kinderblattern, rohte ruhr undt starcken hitzigen fiebern, auch viel starcke durchlauff ohne rohte ruhr; die es haben, können schir nicht davon couriren. Ich habe Eüch letztmahl geschrieben, wie großes lob der gutte, ehrliche monsieur Le Phevre hir erworben hatt. Morgen, hoffe ich, werden alle seine affairen zu ent gehen; den ich werde von meinen sohn daß prevet[9] vor seinen kauff fordern, alßden wirdt alles zu endt gehen. Monsieur Lefevre sagt, er hette zu Uttrecht gestudirt undt Frantzosch gelehrnt undt allezeit dort gesprochen. In Franckreich ist er nie, alß nun, geweßen. So viel in[10] von der printzes von Wallis brieffen judiciren, helt sie recht viel von der contesse de Holdernesse, sagt, sie were ahngenehm undt hette viel verstandt. Die graffin von Degenfelt gefelt ihr nicht so woll; sie meindt, Ihr werdet ein wenig blindt ahn dießer niepce[11] undt glaubt ihr mehr verstandt, alß sie in der that hatt. Ahn den seinigen liebt man woll den verstandt, aber es muß auch ein gutt gemühte darbey sein. Die printzes von Wallis pretendirt, daß die comtesse de Holde[r]nesse beydes auff ein[mal] besitzt undt gar desinteressirt ist. Daß seindt doch 3 große qualiteten, verstandt, gutt gemühte undt ohne interesse; daß ist sehr estimable. Sie sagt, die gräffin von Degenfelt sehe gantz pfaltzisch auß; damitt brouillirtet sie sie nicht mitt mir. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Ich weiß nichts sicheres neües; den die gemeine geschrey seindt nicht allemahl war. Erfahre ich heütte noch etwaß, werde ichs nach meiner promenaden noch hir zusetzen, wo nicht, so werde ich nichts mehr sagen, liebe Louise, alß daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Oktober 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 264–266
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1059.html
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