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St Clou den 7 October 1719 (N. 27).
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütte ahn, auff Ewer liebes
schreiben vom 23 September zu andtwortten, so ich vergangenen
donnerstag entpfangen, wie ich glaube, daß ich Eüch schon bericht
habe. Es ist gutt, daß Ihr mein schreiben vom 13 woll entpfangen;
ich muß mich aber im schiffer verschrieben [haben], den ahnstatt
25 hett[e] ich 20 setzen sollen. Es ist gar nichts possirlich zu Chelle
vorgangen. Es ist gar leicht zu begreiffen, daß ich Eüch lieber
würde entretenirt haben, liebe Louisse, alß nach Chelle zu fahren.
Erstlich so seindt mir aller
[1] closter undt ihr leben zuwieder, zum
andern so ist es mir hertzlich leydt, daß mein enckel dieße parthie
genohmen undt none undt abtißin geworden ist; habe also mehr
leydt, alß freüde, ahn dießem spectacle gehabt. Ewere übermäßige
demuth macht mich lachen. Worin seydt Ihr, Louisse, nicht wehrt,
daß ich Eüch lieb haben solle? Seindt wir den einander nicht
nahe genung dazu? Ah, nun felt mir ein, waß es sein muß, Ewere
desbeauche undt gottloß leben; da hatte ich nicht gleich ahn
gedacht, daß muß es sein. Aber alles, waß man hir sicht,
insonderheit in den printzessinen vom geblüdt, ist so tugendtsam, daß man
woll Ewere fehler, liebe Louise, damitt bedecken kan, außer madame
la princesse, die ist woll so gottloß undt desbauchirt, alß Ihr, liebe
Louise, seydt. Ich bin in sorgen vor sie; den daß fieber ist ihr
ahnkommen. Sie betrübte sich zu sehr, daß ihre [tochter]
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gefangen ist, wolte sie gern loß haben und daß geht nicht ahn; daß
macht sie kranck. Sie jammert mich zwar, aber ich wolte doch
nicht, daß mein sohn daß boße thier loß ließe. Ich bin gar nicht
müde von meiner reiße geweßen; daß fahren bekompt mir wohl,
den ich bin all mein leben ahn gar starcke exercitzien gewohnt,
seindt mir allezeit woll bekommen. Ich meinte, ich hette Eüch
schon lengst gesagt, daß mademoiselle de Chausseray
[3] eine von
meinen freüllen geweßen; habe lachen müßen, daß Ihr daß [häuschen
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Madrid]
[4] vor ein closter genohmen. Sie war vor dießem gar arm,
hatt aber all ihr habe undt gutt in die banque von Missisipe
gethan, so monsieur Law gemacht, der Englander, von welchen Ihr
gehört, damitt sie ein million gewohnen; ist nun, ahnstatt arm, reich,
wirdt auch erster tagen ein schon undt groß landtgutt kauffen. Ich
werde heütte erfahren, wie [es] mitt stehet
[5]; den ich werde sie
dießen nachmittag besuchen in ihrem kleinen artigen heüßgen zu
Madrit. Es wundert mich, daß [man] in einen so bewohnten ort
undt wo alle jahr so viel leütte von qualitet hinkommen, wie daß
Schlangenbaadt ist, keine posten hatt oder regullirte botten auffs
wenigst. Aber ich glaube, daß boßheit drunter steckt, weillen Eüch
der verfluchte postmeister nicht woll [will]. Mitt brieffen zu zergen,
geht noch woll hin, aber mein contrefait zu stehlen, ist zu grob.
Der graff von Nassau, welchen Ihr bruder heist, hette Eüch viel
von Paris verzehlen kommen
[6]; den er ja etlich monat da geweßen.
Graff von Hannau bitte ich vor sein ahndencken zu dancken. Ich
halte viel von ihm, ist gar ein gutter herr. Ich weiß nicht, wem
Ketschstatt gehört, wo er hin ist; haben
[7] den nahmen nie nenen
hören. Ich kenne den intendanten von Strasburg gar woll; ich
würde auch viel von ihm halten, wen er nicht eines ertzschelmens,
deß comte de du Bourg
[8], freündt were. Es seindt frantzosche
Schweitzer, so kein Teütsch können, alß zum exempel monsieur
Polier undt seine brüder undt neuveux, die konten kein Teütsch. Mich
deucht, die printzessin von Darmstatt reist zu viel vor eine erste
schwangerschafft. Daß ist gefahrlich, undt thut eine fraw daß erste
mahl ein böß kindtbett, bringt sie selten ein kindt zu recht. Daß
wetter hatt große mühe, sich zum regen zu bequemen; man hatt es
doch hoch von nohten. Seyder die Seine ein wenig gewacksen, hört
man weniger von neüen krancken; es [gibt] doch noch ohne daß
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krancken genung ahn den kinderblattern, rohte ruhr undt starcken
hitzigen fiebern, auch viel starcke durchlauff ohne rohte ruhr; die
es haben, können schir nicht davon couriren. Ich habe Eüch
letztmahl geschrieben, wie großes lob der gutte, ehrliche monsieur Le
Phevre hir erworben hatt. Morgen, hoffe ich, werden alle seine
affairen zu ent gehen; den ich werde von meinen sohn daß prevet
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vor seinen kauff fordern, alßden wirdt alles zu endt gehen.
Monsieur Lefevre sagt, er hette zu Uttrecht gestudirt undt Frantzosch
gelehrnt undt allezeit dort gesprochen. In Franckreich ist er nie,
alß nun, geweßen. So viel in
[10] von der printzes von Wallis brieffen
judiciren, helt sie recht viel von der contesse de Holdernesse, sagt,
sie were ahngenehm undt hette viel verstandt. Die graffin von
Degenfelt gefelt ihr nicht so woll; sie meindt, Ihr werdet ein wenig
blindt ahn dießer niepce
[11] undt glaubt ihr mehr verstandt, alß sie in
der that hatt. Ahn den seinigen liebt man woll den verstandt, aber
es muß auch ein gutt gemühte darbey sein. Die printzes von Wallis
pretendirt, daß die comtesse de Holde[r]nesse beydes auff ein[mal]
besitzt undt gar desinteressirt ist. Daß seindt doch 3 große
qualiteten, verstandt, gutt gemühte undt ohne interesse; daß ist sehr
estimable. Sie sagt, die gräffin von Degenfelt sehe gantz pfaltzisch
auß; damitt brouillirtet sie sie nicht mitt mir. Hiemitt ist Ewer
liebes schreiben vollig beantwortet. Ich weiß nichts sicheres neües;
den die gemeine geschrey seindt nicht allemahl war. Erfahre ich
heütte noch etwaß, werde ichs nach meiner promenaden noch hir
zusetzen, wo nicht, so werde ich nichts mehr sagen, liebe Louise,
alß daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.