Seitenbanner

Brief vom 15. Oktober 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1061.


[269]
St Clou den 15 October 1719 (N. 29).
Hertzallerliebe Louise, ich fange ein wenig spät ahn, zu schreiben; den es ist schon halber 9, bin doch nicht spätter, alß ordinarie, auffgestanden, aber umb 3/4 auff sieben uhr hab ich ein schlim, übel geschmacktes frühstück genohmen, nehmblich einen halben schopffen[1] grünen safft; der hatt mich schon 3mahl starck purgirt, [270] es ist noch nicht auß. Man hatt mir dießen safft geben, weillen sich mein miltz ahnfing starck zu rühren undt mich unruhig schlaffen magte[2] undt schwer treüme gab. Drumb hatt monsieur Teray vor nöhtig eracht, mir dießen grünen safft zu nehmen machen; den morgen wird es just 9 wochen sein, daß ich keinen genohmen habe. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 30 September, no 77. Ich habe Eüch schon vergangenen donnerstag meine freüde bezeüget, daß mein altes gesicht entlich glücklich ahnkommen. Es ist nicht viel danckens wehrt; ich habe gedacht, liebe Louise, daß, weillen Ihr mich lieb habt, würde es Eüch lieb sein, zu sehen, wie ich nun außsehen, weillen Ihr doch eines habt, wie ich vor 20 jahren außgesehen, worauß Ihr gar just urtheilien werdet, wie daß ein heßlich mensch noch heßlich[er] kan werden im alten[3], so woll alß ein schön mensch heßlich. Ihr soltet mir Ewer contrefait in einem brustbildt schicken, umb mitt Ewerem bruder s., Carllutz, zu figuriren in meinem cabinet, da ich ihn sehr gleich habe. Der brilland ist gar nicht köstlich, solte aber nicht größer sein, weillen es nur den knopff bedeüht[4], so die schachtel auffmacht[5]. Die fraw hatt unrecht, ein brustbildt vor ein original passiren zu machen, indem Rigeau[6] daß letzte gemacht, so in groß, wie daß Ewere in klein, ist, undt die brustbilder, [die] monsieur Ferdinant von mir gemacht, seindt in original bey der großen printzes de Conti; eines ist in manteau, weiß mitt goltenen blumen, in jagtskleyder, aber größer, alß ein brustück[7]. Es kan also keines original sein, alß die, so ich ahn unßere s. liebe churfürstin geschickt habe; sie solte daß von Rigeau auch haben, aber wie es eben fertig worden undt weggeschickt solte werden, bekame ich eben die betrübte zeittung von I. L. todt. Also hattet Ihr groß recht, daß contrefait, so man Eüch verkauffen wollen, vor kein original zu halten. Ich hoffe, daß, weillen der könig in Preüssen undt Hollandt sich der armen Pfaltzer ahnnehmen wollen, daß solches die pfaffen in der Pfaltz bey I. L. dem churfürsten raisonabler wirdt machen; den I. L., der woll woll nicht so unbesonnen sein wirdt, denen wüsten schwartzen teüfflen eher zu gefahlen, seine unterthanen zu plagen, alß uneinigkeit mitt [271] dem könig in Preüssen undt Hollandt zu haben. Also hoffe ich, daß man sie hinfüro ungeblagt undt in frieden laßen wirdt. Gott gebe es! Ich wünsche es von hertzen, den daß vatterlandt undt die gutten, ehrliche Pfältzer seindt mir noch allezeit lieb undt wünsche ihnen alles guts undt glück. Gestern führe ich nach Paris undt war dort von halb 12 biß 8 uhr abendts, habe aber nicht[s] neües dort erfahren, alß von betrü[b]ten leütten, so die ihrige verlohren haben, undt krancken. Weillen es aber lautter leütte sein, so Ihr, liebe Louise, nicht kent, nene ich sie Eüch nicht. Es ist abscheülich, wie viel todten undt krancken zu Paris sein. Gestern sagte man mir im Carmelittencloster, so nicht weit von der pfarkirch von St Sulpice, daß dort 20 begräbnuß deß tags hinkommen. In unßerer gaß von St Honnoré war ein kauffman, so eine fraw undt 11 kinder vor 14 tag hatte; nun hatt er weder fraw, noch kein eintziges mehr. Man sagt, der arme man wolle verzweyfflen vor betrübtnuß; kan sich nicht trösten. Monsieur Dantin[8] sohn, monsieur de Bellegarde, hatt auch seine fraw verlohren[9] undt solle auch ohntrostbar sein. Dießem ists leydt umb seine fraw, dem vatter aber umbs gelt, so er widergeben muß; den sie war sehr reich, eine tugendtsame dame, welches eine rare wahre jetzt zu Paris ist. Ihr vatter ist ein wackerer man, premier pressident du grand conseil, hatte nur noch daß eintzige kindt. Et waß wunderliches ist, daß ihm sein vatter undt alle seine kinder im October gestorben sein. Monsieur de Bellegarde undt sein vatter seindt expresse von Paris wegen der bößen lufft nach Bellegarde, so 25 oder 26 meillen von Paris ist, undt wie sie dort, finden sie die kinderblattern. Die bekompt madame de Bell[e]garde gleich; wie man sie auß gefahr meint, stirbt sie. Solche artliche sachen hört man, sonst nichts. [272] Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch von hertzen lieb.
P. S.
Hertzallerliebe Louise, in dießem augenblick komme ich auß der kirch, den es ist heütte sontag, undt wie ich in die kirch bin, hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 3 dießes monts gebracht, no 78. Aber da werde ich erst, wo mir gott daß leben verleydt, biß donnerstag drauff andtwortten; aber heütte werde ich nichts mehr sagen, alß daß ich meine wurscht[10] nicht quittire, undt Ihr werdt mir gefahlen thun, wo etwaß neues undt wollfeilles auff der meß ist von kartten oder bücher, mir solches zu schicken, werde es mitt danck ahnnehmen undt will nicht, daß Ihr die gutte gewohnheit laßen solt, mir die Franckforter kirbe zu schicken, wie ich auch die St-Clou-meß nicht vergeßen will; den, wie daß frantzösche sprichwort sagt: Les petit pressent entretienent l’amitié. Alleweill sagt mir der fürst von Schwartzenburg, daß die gräffin von Warttenberg sich wider verheüraht ahn einen schönnen jungen edelman, so der baron Flor heist undt von guttem hauß ist. Ich haben dießen fürsten lachen machen, wie ich ihn gefragt, ob dießer Flor den kopff zu plat hette, daß es ihm[11] erhohen wolte durch ein magnifiques gewicht[12]. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen, liebe Louise, undt so sagen vor dießmahl nichts mehr; den ich muß ahn mein dochter undt freüllen von Furstenberg schreiben.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Oktober 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 269–272
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1061.html
Änderungsstand:
Tintenfass