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Brief vom 21. Oktober 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1063.


[275]
St Clou den 21 October 1719 (N. 31).
Hertzallerliebste Louisse, ich werde Eüch heütte schreiben, umb keine post zu verliehren; den morgen kan ich es nicht thun, den ich werde morgen nach Paris geraht zum könig, von dar au Palais-Royal zu madame la duchesse d’Orléans, hernach zum eßen, nach dem eßen au[x] Carmelitten betten gehen, hernach wider ins Palais-Royal ins opera von Issé[1] undt von dar wider her, mein geschlagen ey nehmen undt nach bett. Also secht Ihr woll, liebe Louise, daß mir kein augenblick zeit überig bleiben [wird] undt die post würde fehlen; also werde ich heütte ordentlich auff Ewer liebe brieff antwortten, werdet also nichts ahn meiner Parisser reiß verliehren, liebe Louisse! Ich habe noch 2 bogen von Ewer schreiben vom 3, no 78, zu antwortten, bey welchem ich ahnfangen werde. Wir wahren ahn Churpfaltz geblieben. Gott gebe, daß man sein befehl fleißig außrichten mag! Mich deücht, es geht ahm pfaltzischen hoff ein wenig drunter undt drüber undt daß kein großer gehorsam vor dem herrn ist. I. G. s. unßer herr vatter, der churfürst, machte [276] sich beßer gehorchen. Es mag dießem jetzigen churfürsten[2] vielleicht gehen, wie meinem sohn, daß er auch zu gutt ist; davon profittiren … Der könig in Engellandt undt der in Preüssen haben resolvirt, wie man mir bericht, den Reformirten recht ernstlich beyzustehen; also werden die pfaffen nicht mehr mucken dörffen, welches mich von hertzen erfrewet; den ich wünsche den gutten, ehrlichen landtsleütten alles guts undt glück undt seegen; undt den verfluchten pfaffen, die sie verfolgen, wünsche ich den galgen ahn den halß, den sie durch ihrer falschheit undt betrug woll verdint haben. Ich weiß nicht, wo der münchhoff ist. Ist es nicht, wo die frantzösche kirch vor dießem war? Daß finde ich recht woll, daß die Pfältzer vertrawen zu Eüch haben undt sich bey Eüch trösten können; kan leicht begreiffen, wie Eüch daß zu hertzen gangen undt hatt weinen machen. Ich kan nicht lang von alten zeitten reden, ohne daß mir die augen übergehen. Es ist große aparentz, daß es beßer in der Pfaltz hergehen wirdt, weillen sich so viel hohe heüpter der sach gegen den verfluch[t]en pfaffen ahnnehmen; sie seindt böß undt frech; so baldt man aber die zähne weist, werden sie gleich zahm. Die arme madame Dangeau kan sich ihres unglücks gar nicht getrösten. Ihr sohn hatt nur ein eintzige dochter hinderlaßen, ein poßirlich medgen. Flüße fehlen auch nicht zu Paris. Ihr wist woll, liebe Louisse, waß ich Eüch von Eweren knie geschrieben, Ihr werdt lang mitt zu thun haben. Ewer demuht, liebe Louise, ist zu groß, liebe Louise, zu sagen, daß ahn Eüch nicht viel gelegen ist. Vor denen[3], so sich vor Eüch interessiren, dencken nicht so, sondern wünschen Eüch gesundtheit undt langes leben, liebe Louise! Hiemitt ist Ewer erstes schreiben völlig beantwordtet. Ich komme jetzt auff daß zweyte vom 7 October, no 79. Es ist mir lieb, darauß zu sehen, daß die posten sich nun wieder einrichten. Ihr habt, liebe Louisse, mein contrefait bekommen auff den tag, wie man alß im sprichwort sagt, daß Barthel den most holt. Mich deücht, daß Ihr mir noch gesagt hattet, daß mein beeren-katzen-affengesicht[4] den tag von Michaeli ahnkommen war. So viel dancksagung, alß Ihr mir, liebe Louisse, macht, war es woll nicht wehrt. Den alten van Borck kene ich nicht, muß nicht zu meiner zeit zu Franckendal[5] gewest sein. [277] Zu Heydelberg habe ich keinen andern mahler [gekannt], alß der gutte, ehrliche[6] monsieur Rosen, so mein undt meines bruders reißmeister ware. Ich habe woll von hertzen lachen müßen, daß der van Borck mich schön gefunden. Man kan von ihm sagen: Il n’est pas difficile en beauté; alt, grau undt runtzelich. Es ist kein wunder, daß Ewer brette dem kniestück gleicht, so mein vetter [hat]; sie seindt beyde von einem original gezogen, nehmblich von dem großen portrait von monsieur Rigau[7], so so sehr hir im landt estimirt wirdt; den es ist über die maßen woll gemahlt. Nahmen seindt allezeit schwer zu behalten. Waß will man thun, liebe Louisse? Wir seindt zwey alte schätzger undt werden immer älter undt nie jünger; man muß woll gedult nehmen undt gedencken, daß unßer herrgott nichts neües vor unß machen wirdt undt es unß gehen wirdt, wie die, so vor unß gewest sein, undt denen, so nach unß kommen werden, wie unß. Die kranckheiten seindt ärger, alß nie, zu Paris, insonderheit die kinderblattern. Die Rotzenheusserin ist, gott lob, wider gesundt. Ich muß aber nun eine pausse [machen]. Ich habe heütte spat ahngefangen, zu schreiben; den es war mein Bibeltag, hab vor biß mittwog geleßen den 3. 4. 5 undt 76 psalm, daß 13. 14. 15 undt 16 cap. in sanct Lucas undt daß 13. 14. 15 undt 16 capittel in der Offenbarung sanct Johanes, wo ich, die warheit zu sagen, wenig in begriffen habe. Adieu biß dießen abendt!
St Clou den 21 October, umb 5 abendts.
Da komme ich eben wider ahn, liebe Louise, undt hoffe, noch vollendts auff Ewer liebes schreiben zu andtwortten. Aber da kompt mir ein interuption, so gar nicht ahngenehm ist. Madame la duchesse d’Orléans schickt mir einen brieff von einer none zu Chelle; ihre dochter, mein enckel, die abdißen, ist seyder 3 tagen gar kranck worden, hatt ein continuirlich fieber, abscheülich haubtschmertzen undt 2 redoublementen deß tags; daß heist man hir double tierce continue, es ist eine von den gefährligsten kranckheit[en]; bin also recht in sorgen vor sie. Also hatt man allezeit etwaß, so einen plagt undt in sorgen setzt. Ich komme aber auch auff Ewer liebes schreiben. Wir haben etlich tage zimbliche kälte hir gehabt, aber seyter 4 tagen ist es daß samffte[ste] wetter, daß [278] ich habe daß fichu[8] ablegen müßen. Er[9] regnet ein kleinen regen hir, wie im frühling, starcke regen haben wir noch nicht gehabt; daß waßer ist doch ein wenig gewacksen. Ton der duchesse du Lude mahlzeit werde ich nichts mehr sagen. Die Rotzenheüsserin ist wider gesundt, wie ich heütte morgen schon gesagt habe. Der duc du Main[e] ist wieder woll, solle aber doch den magen noch klagen; die duchesse, seine gemahlin, ist kranck, aber ich fürchte, daß es eine kranckheit werden wirdt, so schwer zu heyllen ist, undt daß das köpffgen ein wenig verthreehet ist. Daß ist kein wunder, den der vatter hatt es mitt accessen[10] gehabt undt die großmutter [war] gantz närisch. Es were woll gutt, daß deß duc du Maine jüngste schwester meint, daß ihr bruder unschuldig ist, wen man nicht gewiß wüste, daß er ihr versprochen, daß sie in keinen sorgen sein solte, wen mein sohn zu sterben kommen solte, daß er sie zur regentin machen wolte; daß lautt, deücht mir, nicht so gar unschultig. Es seindt noch in dießem stück umbständen, so abscheülich sein, undt were mein sohn nicht so gutt, alß er ist, hette man woll anders spiel sehen können. Aber last unß von waß [anderem reden]! Dießes seindt keine gespräch vor die postbrieff. Ewerer niepcen affaire ist gantz zum endt. Ich habe dem monsieur le Fevre daß prevet[11], so ich außgebetten, livern[12] laßen; ist in allen formen, daß ihr kauff gantz sicher ist. Ich muß monsieur le Fevre daß lob nachsagen, er hatt sich mitt der grösten trew von der welt comportirt undt demanten undt 10/m. thaller par gelt abgeschlagen, umb seinen principallen trew zu dinnen. Ahn solchen maniren ist man hir nicht gewohnt, hatt aber desto größer lob erworben. Monsieur Chardon hatt seine rechnung gar woll gethan. Der neydt ist in Franckreich gar gemein undt die ehrlichsten leütte seindt ahm meisten beneydt; also kein wunder, daß man den Chardon boße officen geleyst. Mir ist nicht zu dancken; ich habe nur gethan, waß ich thun sollen vor Ewern niepcen. Ich hoffe, ob gott will, alles wirdt wider gutt in der Pfaltz werden; den der churfürst wirdt woll [nicht] so einfaltig sein, sich mitt Englandt, Hollandt, Preussen undt Heßen der pfaffen wegen zu brouilliren. Den pfaffen wirdt auch woll selber angst bey der sach werden; den sie seindt [279] gehertzt, wen man sie machen lest, aber sehr forchtsam, wen man ihnen die stirn bieht[13]; ich kene daß ungeziffer nur gar zu woll. Zu Wien kan man sagen ertzhertzogliche braudt; in Poln sagt man vielleicht königliche; aber in Sachsen aber churprintzeßliche brautt. Es ist leicht zu glauben, daß es dießer printzessin[14] beßer zu Dresden gefehlt[15], alß in dem gezwungen undt gedrungen Ostereich undt Wien. Die keyßerin Amelie[16] ist aller tugendten voll, aber nicht schön. Der keyßer Joseph war ein heßlich rohtköpffig schätzgen; woher solte den dieße printzessin schön sein? Schönheit vergeht, gutt undt tugendtsam sein aber bleibt. Baron Gortz hatt mir den gefahlen gethan, alle relation von den schönnen festen in Dresden zu schicken. Es ist gewiß magnifiq [gewesen]. Waß mitt dem zettel vorgangen, so man auff deß königs von [Polen] tisch gefunden, findt ich recht artig; hatt im kurtzen begrieff doch einen großen verstandt. Ich halte mehr von denen 2 versen, alß von der großen, umbschweiffende[n] eloquentz, so man nun in Teütschlandt hatt undt worinen man den verstandt eine stundt lang suchen muß. Unter unß gerett, so finde ich auch, daß die festen zu lang gewehrt haben undt die unkosten zu starck geweßen sein. Der keyßer[17] hatt in dießem stück recht. Mir könte es ohnmöglich woll in Ostereich gefahlen; ihre maniren seindt mir zuwider. Daß war billig, daß die fraw von Degenfelt ihre auffwarttung bey der regirenden keyßerin[18] [gemacht]; ahn daß heist[19]: A tout seigneur tout honneur. Dieße keyßerin solle gar schön sein, wie ich von jederman gehört. Ich höre kein wordt vom keyßerlichen hoff, wir haben keine Wiener mehr hier. Hiemitt ist Ewer lestes[20] liebes schreiben auch vollig beantwortet. Adieu undt gutte nacht, hertzliebe Louise! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Oktober 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 275–279
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1063.html
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