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Brief vom 26. Oktober 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1064.


[279]
St Clou, den donn[e]rstag, 26 October 1719 (N. 32).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch schon vergangen sontag [280] bericht, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 10, no 80, zu recht entpfangen undt vor heütte versparen wollen. Von meinem contrefait will ich nichts mehr sagen; Ihr habts entpfangen, es ist Eüch ahngenehm geweßen, daß ist genung. Von den baron von Wetzel werde ich auch nichts mehr sagen, weillen er keine schuldt hatt. Wo mir recht ist, so finde ich, [daß] nur eines von Ewern brieffen fehlt auß dem Schlangenbaadt; die überigen seindt zwar ahnkommen, aber spätter, alß [sie] solten. Wer solte aber nicht in sorgen vor Eüch, liebe Louise, geweßen sein? Ihr seydt ja immer so fleißig im schreiben undt fehlt keine post undt ich bin 4 posten, ohne waß von Eüch zu hören; daß kan ja nicht anderst, alß sorgen, geben, biß ich von Ewern lieben schreiben entpfangen. Ey, liebe Louisse, ist es den von nöhten, umb Eüch lieb zu haben, daß Ihr waß sonderliches bey mir meritirt? Ewere tugendten, gutte conduitte in allem undt mein bludt, daß Ihr in Ewern adern tragt, solten Eüch ja sichere zeügen [sein], daß ich Eüch liebhaben muß, liebe Louise! Ihr soltet Ewern secretarius encouragiren, nicht so blödt zu sein. Alle meine gutte, ehrliche landtsleütte haben ja freyen zutritt bey mir, es seye mitt wortten oder schriefften. Würtzauß ist ein gutter, ehrlicher mensch; er hatt einen possirlichen stiehl; bin fro, daß er nun ein herr amptmann ist. Ich höre allezeit gern, daß die gutte, ehrliche Pfältzer mir noch affectionirt sein. Weillen der fürstin von Ussingen schreiben nur eine andtwort auff mein[en] brieff ist, schreibe ich nicht wieder. Danckt sie[1] von meinetwegen undt sagt, daß ich ihr schreiben gleich ahn madame de Dangeau geschickt habe, die mich woll in der seelen jammert! Den sie ist betrübter, alß …, nimbt doch ihr unglück so christlich auff undt ahn, daß es einen noch desto mehr jammert; habe ihren brieff nicht ohne threnen leßen können. Es macht mir daß hertz noch schwer, wen ich dran gedencke; will derowegen von gantz waß anderst reden. Die schweinsköpffe stehlt[2] man hir nicht auff, wie bey unß; sie legen sie gantz blat, wie verdruckt, in eine schüßel; sie saltzen undt würtzen es nicht genung; es ist kein vergleichung, wie man sie in Teütschlandt zubereydt, oder hir; daß fleisch ist auch schlaper, alß bey unß. Haßelhüner eße ich viel lieber, alß feldthüner. Pfaltzische haßen seindt auch ohn[e] vergleichung beßer, alß die hir im landt. [281] Wie monsieur le Dauphin s. auß der Pfaltz kame, sagte er zu mir: Quand vous me dissies que vos lievres et truittes estoit meilleures au Palatinat qu’en François[3], je croyois que l’amour de la patrie vous faissoit parler ainsi, mais despuis que j’ay estés au Palatinat, je ne puis plus manger icy ny truittes ny lievre et je vois que vous avies raison. Ich höre gar gern, daß der englische, preüssische ist[4] hollandische envoyes nach Heydelberg sein; den ich hoffe, daß sie en despit du pape et des Barbarins, wie der arme duc de Grequi[5] alß pflegt zu sagen, waß guts unahngesehen aller neüburgischen undt osterichische pfaffen boßheit waß guts vor die gutten, ehrlichen Pfaltzer außrichten werden, undt wünsche es von hertzen. Ich wolte, daß ich bey Eüch eßen [könnte]. Es bedörfft mir nicht mehr, alß Ihr dargeben; es müste aber auch sawerkraut dabey sein, welches ich hertzlich gern [eße]; aber hir deücht daß kraut nicht, sie könnens nicht recht zurichten undt wollens nicht thun[6]. Waß sie aber nicht schlim hir machen, daß ist gefühlt[7] weiß kraut. Freylich schmerzts mich, wen ich weiß, daß man die armen alten einwohner zu Heydelberg so plagt, hette schir auff gutt pfaltzisch gesagt so geheydt[8]. Es ist eine ellende sach, daß wir menschen allezeit glücklich leben wollen undt doch allen möglichen fleiß ahnwenden, einander daß leben sawer zu machen; so narisch seyndt wir arme menschen. Die sich durch pfaffen regieren laßen, thun allezeit waß überzwergs. Ich hilte Churpfaltz vor gescheytter, alß sich von denen bursch zu führen laßen, undt alle die sotissen, so die pfaffen der keyßerin, seiner fraw schwester, thun machen, die sie gantz regiren, solte[n] ihm zur wahrnung gedint haben, nicht in selbige fehler zu fahlen, undt ein churfürst, der verstandt [hat], solle[9] gedencken, daß die wahre devotion eines regenten ist, recht undt gerechtigkeit undt sein wordt zu halten, undt wißen, daß, wer ihm dagegen raht, kein wahrer noch gutter Christ sein kan, also so bößen raht nicht folgen, sondern ferm widerreden. Daß man Eüch nicht bezahlt, erinert mich ahn einen dialogue, so mich einmahl von hertzen hatte lachen machen. Ein chanoine hir von St Clou, so ein gar gutter, ehrlicher man war, aber severe[10], [282] [kam zu] Monsieur s. [und dieser], der sich divertirte, den hypocritten etlichmahl zu spillen, sagte: Monsieur Feüilliet (so hieß der chanoine von St Clou, so in I. L. cabinet kommen war), j’ay grand soif; seroitc[e][11] rompre le jeûne que de prendre un jus d’orange? Monsieur Feüllet andtwortete: Eh, Monsieur, manges[12] un boeuff et soyes bon chretien et payes vos dettes! So könte man auch ahn Churpfaltz sagen. Der gutte monsieur Laws ist vor wenig tagen recht kranck geworden vor qual undt verfolgung; man lest ihm weder nacht noch tag ruhe, daß er kranck drüber geworden. Nein, ich glaube nicht, daß in der gantzen weldt ein interessirter volck kan gefunden werden, alß die Frantzosen sein; sie machen ein[en] doll undt raßendt mitt bettlen in brieffen, in wortten, in allerhandt manieren machen sie mich so erschrecklich ungedultig, daß ich umb mich beiß, wie ein eber. Man kan nicht mehr verstandt haben, alß monsieur Laws hatt. Ich wolte aber nicht ahn seinen platz sein vor aller welt gutt; den er ist geplagt, wie eine verdampte seel[13]. [283] Der herr Bendtenritter[14] ist noch nicht hir ahnkommen; ich bin fro, ihn wider zu sehen. Ich muß gestehen, daß der erste ahnblick wunder nimbt. Ich habe [ihn] hir vor 19 jahren gesehen, da er schon 20 jahr alt war, da war er weder gar groß noch klein; seyderdem ist er so gewacksen, der kopff aber ist eben blieben, wie er wahr; ich habe ihn gleich wider gekendt. Er scheindt mir gar ein feiner, ehrlicher man zu sein, so keine ostereichsche maniren hatt; aber waß ich ihm nicht verzeyen kan, ist, daß er eines großen schelmens freündt ist. Der elste Geminger[15] ist groß, aber nicht zu vergleichen bey dem Bendterritter. Der Lutzau hatt einen bruder, so erschrecklich lang undt schmahl were[16], aber von unglaublicher stärcke. Ich habe gesehen, daß man 3 holtzene stühl auff einander gebunden; Lutzau legt sich blat auff den bauch, nahm den stuhl bey dem fuß undt stundt so mitt auff; dazu gehört eine abscheüliche stärcke. Hertz[17] Platz ist gar ein gutter man; ich habe ihm die medaille geben; er sagte, Ihr würdet ihm nicht glauben, [daß] dieße medaille [nicht von gold ist], sondern nur von waß man hir bronse heist. Die tapetten von Chur-Trier habe ich gesehen, ehe sie weg sein. Aber ich muß nun meine pausse machen undt …
Donnerstag, den 26 October, umb halb 5 nachmittags.
Wie ich eben von der promenade kommen, hatt man mir eine gantz[e] handt voll brieffe gebracht, undter andern Ewer liebes schreiben vom 14 dießes monts, no 81, welches ich gantz durchleßen, aber erst vor die andere post spare, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet. Die post von Franckforth ist, gott lob, zimblich wider eingericht nun. Gott gebe, daß es bestandt haben möge! Heütte werde ich nicht auff dießes letzte schreiben andtwortten, wie ich schon gesagt, komme aber wider ahn daß, wo ich heütte morgen geblieben ware, nehmblich ahn die tapicereyen[18] von Chur-Trier. Man arbeydt hir jetzt über die maßen woll ahn waß man [284] hir hautte lisse[19] heist. Der könig s. hatt eine tenture[20] machen laßen von lautter biblischen historien nach alle gutte mahlern, so historien malten, die unßer lieber könig nicht wusten[21], weillen I. M. nie die Bibel gesehen noch geleßen hatten[22]. Die stücker aber seindt 5 vom alten Testament, alß nehmblich Jephey[23], Susana, Attallia, Tobias, daß urtheill von den 2 huren von Salomon, undt vom neüen Testament ist der fischzug, der Lazerus, die Magdelaine, wie sie unßerm herrn Christus die füße mitt ihren haaren trücknet. Dieß alles seindt über die maßen schönne stücker, alle von differenten mahlern, aber in gleicher höhe. Ich muß lachen, daß Ihr sagt, daß die tapissereyen au Goblet[24] gemacht sein, ahnstatt au Goblins[25]. Deß königs tapicerey de hautte lice seindt noch schönner, alß die, so Ihr gesehen, so ahn Chur-Trier gehören; den sie seindt höher undt mehr ornementen dran, aber die arbeydt ist dieselbe. Hatt der printz von Heßen-Rh[e]infels, so ja ein ariercadet[26] ist, gutt genung, eine gemahlin zu erhalten? Sonsten ist es in meinen sin ein schlechter heüraht vor die printzessin von Sultzbach, so schir eine churprintzeßen ist. Dazu, so ist sein herr vatter so gar narisch geweßen, daß alles bey dem sohn zu fürchten ist; ich glaube auch nicht, daß waß sonders hinter dießen printzen steckt, ist hir allezeit mitt nichts rechts umbgangen undt [hat] eher schlime, alß gutte, geselschafft gesucht, kan kein 3 wordt raisonabel nach einander reden. Ich beklage dieße arme printzes, einen solchen ellenden heüraht gethan zu haben; es wirdt nach dem beylager auff ein greüliches lamy außgehen, fürchte ich. Der printz hatt woll gethan, seine wüste haar abzuschneyden; sie stunden ihm bitter übel. Ihr habt mir nicht geschrieben, daß Ihr dießen herren im Schlangenbaadt gesehen, oder es müste in denen brieffen gestanden sein, so verlohren gangen sein undt ich nicht entpfangen habe. Wir haben gantz undt gar nichts neües hir, also werde ich vor [285] dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb habe, behalte, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Oktober 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 279–285
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1064.html
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