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Brief vom 26. November 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1073.


[323]
St Clou den 26 November 1719 (N. 41).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch schon vergangenen donnerstag bericht, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 11 November, no 89, zu recht [empfangen]; werde heütte vollig drauff andtwortten, ob ich zwar heütte schon 3 brieff geschrieben, einen ahn die königin von Preussen, einen ahn baron Göertz undt einen ahn monsieur Harling. Nun will ich Eüch entreteniren; aber da kommen mir interuptionen, muß eine pausse machen.
Es ist schon 3/4 auff 6 abendts. Gleich nach dem eßen seindt mir viel interuptionen kommen, nehmblich viel brieffe, unter andern eines von Eüch, Louisse, von 14 dießes, no 90, worauff ich heütte [324] nicht andtwortten werde, sondern nur auff daß vom 11, no 89. Mich deücht, die post richt sich nun ein wenig wider ein. Alle meine schreiben macht der Torcy auff; ob eß auß gewohnheit oder boßheit geschicht, laße ich dahingestelt sein; seine comis seindt so gewohnt, diß handtwerck zu treiben, daß sie gar geschickt mitt sein. Man heist daß q[u]ecksilber, so man zuricht, un gamma[1]. Mein sohns[2] kan es perfect woll machen. Ich habe brieffe mitt gama pitschirt gesehen, welches eben war, alß wen man es mitt dem pitschir gesigelt hette. Abbe Dubois will einen kleinen favorit agiren. Torcy, der so lange jahren secretaire d’estat undt ministre ist, will es nicht leyden. Undter unß gerett, ich glaube, sie haben beyde recht, daß sie einander nicht leyden können; den sie deügen beyde kein haar. Mein sohn versichert sehr, daß er nicht leyden woll, daß der abbé cardinal werden wirdt. Ich gönte es beßer unße[r]m abbé de St Albin; daß wehre ja billiger. Es ist keinen Juden erlaubt, zu Paris zu wohnen, alß[o] muste Alvares[3] sich woll vor einen Christen außgeben; seine sohne passiren alle vor Christen; einer ist abbé. Ahn fette gesichter finde ich, daß der turban beßer stehet, alß die peruquen; aber ahn gar magere leütten, wie Alvares sohn ist, stehet die turquische tracht gar nicht woll. Er hatt doch keinen turban auff, sondern eine peltze-mützsch. Ich dancke Eüch sehr, liebe Louise, daß Ihr mir die wienische geschribene zeittung geschickt hatt. Hir seindts nur die alberonische parthie, so außsprengt, daß keine conspiration gegen dem keyßer vorgangen[4]. Printz Eugenius hatt groß recht, eine solche heßliche accusation nicht dazu[5] laßen undt den Nimbtsch auff ärgst zu verfolgen. Da glaube ich printz Eugenius woll unschuldig; den er ist nicht interessirt, hatt eine schönne that gethan. Hir hatte er viel schulden gelaßen; so baldt er in keyßerlichen dinsten gerahten undt gelt bekommen, hatt er alles bezahlt biß auff den letzten heller; auch die, so keine zettel, noch handtschriefft von ihm hatten, hatt er bezahlt, die nicht mehr dran dachten. O, ein herr, der so auffrichtig handelt, kan gar unmöglich seinen herrn umb gelt verrahten; halte ihn also gar unschuldig von deß verrähter Nimbtsch seine accusation. Der [325] teüffelsAlberonie macht mir manche sorgen. Gott stehe unß gegen dießen boßen menschen [bei]! Er ist eben so schwartz in seinen gewißen, alß seine haar undt haudt sein; aber er hatt gar weiße emissairen, so nicht … Madame du Maine ist gar blundt undt der cardinal de Poliniac[6] ist es auch geweßen, ehe er grau geworden; undt noch andere mehr weiß ich von dießer klicke[7], so weiß undt gar blundt sein undt doch wenig deügen. Wir haben hir schir alle nacht regen undt windt, aber man muß sich nicht drüber beschwehren; den daß hatt den fluß, die Seine, steygen machen, daß jetzt holtz undt alles, waß man zu Paris von nöhten hatt, [herbei gebracht werden kann], also keine hungersnoht mehr zu förchten ist. Wetterleünisch bin ich eben nicht sehr, aber kan braff gridtlich sein, wen mich, umb es auff gutt pfaltzisch zu sagen, waß geheydt[8]. Da kompt madame d’Orléans in den hoff; ich muß eine pausse machen. So baldt daß biribi[9] wirdt ahngefangen sein, werde ich fordtschreiben.
Umb 7 uhr abendts.
Daß biribi ist ahngefangen, also kan ich wieder schreiben. Die printzes von Wallis hatt mir geschrieben, daß man ihr gesagt, daß alles gar woll vor unßere gutte, ehrliche Pfaltzer gehen würde. Wen sich die printzes von Sultzbach nicht beßer schondt, so mögte sie woll keine kinder mehr bekommen, wen sie nicht, wen I. L. wider schwanger werden undt gegen der zeit kommen, da sie sich blessirt, daß bett hütt. Es ist in der that betrübt; den hette die printzes die 3 printzen beysamen, könte sie hernach dantzen und springen, wie sie wolt. Daß war recht billig, daß die gesantin von dem wildten schwein bey Eüch eßen gangen, weillen ihr man es geschickt. Wer ist nun jägermeister zu Heydelberg? Wie können die wilde schwein dieß jahr feist sein? Den man hatt ja keine eychelen gehabt allezeit in dießem landt. Daß bois de Bo[u]logne ist lautter eychenholtz; ich habe viel bäume betracht, aber keine eintzige eychel drauff gefunden. Unßer großhertzogin habe ich auch eine Martins-gans eßen machen mitt castanien undt große rossinen gefühlt[10]; aber, die Wahrheit zu sagen, so ist daß nicht, waß ich ahm liebsten eße, [eße] braünen köhl undt sawer kraudt viel lieber. [326] Ich habe nicht verspürt, daß Eüch die fürstin von Ussingen Eüch verklagt hatt, liebe Louise! Hatt sie mir vielleicht geschrieben, daß ich es nicht entpfangen habe? Affairen könte ich nicht schreiben; den ich verstehe es eben so wenig, alß grichisch oder hebræisch. Mein sohn hatt mir 400 actien geben laßen vor mein hauß. Oh es zwar 2 millionen macht, so hatt es sich doch nicht weitter erstrecken können, alß ahn die, so en quartier undt ordinaire sein. Alle andere, auch viel, so nicht in meinen dinsten sein, haben gewolt, daß ich ihnen geben solte; daß hatt mich recht ungedultig gemacht, wie Ihr leicht gedencken köndt, liebe Louise! Wen der herr von Gemingen fordt weckst[11], wirdt er wie der herr Benterritter[12] werden. Apropo von dießem envoyes, er kam vor etlich tagen abendts her. Einer von meinen chapellains, der ihn nie gesehen, saß in mein[e]r antichambre allein, die cammerknecht wahren in meiner cammer. Der chapelain hört gehen, sicht sich herumb; wie er den großen man herrein sicht kommen, fährt er auff vor schrecken undt leüfft darvon. Daß hatt mich von hertzen lachen machen. Der monsieur Gemingen wirdt Eüch eben nicht gar viel von mir sagen können. Ich habe ihn nicht gar offt sprechen können; den zu Paris geht man offt in die spectacle undt es ist allezeit ein abscheülich geduns[13] zu Paris, fengt mir schon gantz angst drauff zu werden [an]. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwortet, liebe Louisse! Biß donnerstag hoffe ich Eüch eine gutte zeittung zu schreiben, darff noch nicht sagen, waß es ist; aber es ist dießen abendt ein courier auß Ittallien kommen. Ein andermahl ein mehres. Dießen abendt versichere [ich Euch nur], daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt behalte, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. November 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 323–326
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1073.html
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