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Brief vom 9. Dezember 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1077.


[340]
Paris den 9 December 1719.
Hertzallerliebe Louisse, vorgestern gar spät, nein, ich betriege mich, ich habe gestern morgen erst Ewer liebes schreiben vom 25 November, no 93, entpfangen. Weillen ich noch ein gutte stundt habe, ehe meine cammerweiber kommen werden, mich ahnzuziehen, will ich ahnfangen, Eüch zu entreteniren; den ich habe Eüch letztmahl einen langen brieff vor dieße post versprochen. Also fange ich heütte ahn, den morgen werde ich nicht viel zeit zu schreiben haben; den ich muß umb 12 zum könig, nachmittags zu madame la princesse, so noch kranck ist, undt von dahr zu meinen gutten freündinen, die kleinen Carmelitten. Von dar komme ich wieder her undt gehe ins opera undt will hernach frühe nach bett, weillen mein docktor mir montag undt dinstag wieder den grünen safft verortnet hatt. Also segt Ihr woll, liebe Louise, daß ich morgen wenig zeit zu schreiben haben werde. Aber dießen abendt hoffe ich Eüch von halb 6 abendts biß nach 9 uhr zu entreteniren. Ich werde dießen nachmittag gleich nach dem eßen zu Chausseray nach Madrit; den es ist 11 tag, daß ich sie nicht gesehen habe. Sie ist noch kranck. Ich werde zu gutter zeit, nehmblich ein wenig nach 5 uhr, wider hir sein; den ich kan mich nicht resolviren, in die ittalliensche commedie zu gehen, biß harliquin wider gesundt wirdt sein. Also wirdt mein eintzig divertissement dießen abendt sein, Eüch, liebe Louisse, zu entreteniren. Ich komme wider auff Ewer altes schreiben vom 18, wo ich letz[t]mahl geblieben war, [will] doch noch vorher sagen, daß mir daß hertz gantz schwer ist wegen einer graußamkeit, so der könig in Englandt gegen dem printz von Wallis [341] undt seiner gemahlin übt. Ich finde es gar zu hart. Der arme printz hatt dem könig, seinem herrn vattern, einen gar soumissen brieff geschrieben, sich zu erfrewen, daß der könig wieder glücklich zu Londen ahngekommen. Er hatte ihm erlaubt gehabt, die printzessin, seine fraw dochter, zu sehen. Der könig hatt sich nicht allein nicht contentirt, deß armen printzen, seines herrn sohns, brieff nicht ahnzunehmen, mitt hartten wortten wieder zurückzuschicken, sondern ihm auch mitt hartten wortten sagen laßen, er nehme gar übel, daß er so keck geworden, in St James zu seinen kindern zu kommen, daß er drauß undt daß er[1] der printzes nicht mehr erlaubt solte sein, alß einmahl die woch, ihre kinder zu sehen. Daß ist warlich zu hardt undt graußam undt kan dem könig kein glück bringen; es ist gar zu unchristlich. Ich kan mir leicht einbilden, wie abscheülich dießes den printzen undt printzes schmertzen muß, die ihre kinder hertzlich lieben. Daß jammert undt betrübt mich recht; solche tiraney haben sie woll nicht verdint; es ist abscheülich, bin recht böß über den könig von Englandt; er machts zu grob. Die walder von der Ghör[2] müßen dießen könig mitt der seelufft, so drauff erfolgt, noch wilder gemacht haben. Aber gott wolle dem printzen undt printzes von Wallis beystehen! Ich habe dieße zeittung durch einen kauffman erfahren gestern abendts, durch welchen die printzes mir geschrieben. Es ist ein kerl, so gar sicher ist; den er ist vor dießem in meines herrn dinsten gewest. Aber ich komme auff Ewer liebes schreiben. Wen man gedult hatt undt die augen alle morgen mitt law waßer undt halb brandewein wescht, stärckt sich daß gesicht undt kompt gantz wider; aber man muß brillen undt, waß man conserves heist, meyden. Alle occulisten seindt gegen die brillen. Der es mir ahm ersten gerahten, war bey dem könig in Böhmen[3], unßern groß herr vatter, geweßen, wie er zu Prag war; er ging gar offt zu ma tante von Maub[u]isson, hatte sie hertzlich lieb, undt verzehlt ihr von der schlacht von Weißenberg[4], dabey er auch geweßen war. Es ist war, daß die marechalle de Clerembeau[5] nie keine zufall ahn den augen gehabt hatt; aber auch [342] 85 jahr[e]n ist ein groß alter, umb woll zu sehen. Monsieur de Polier, den Ihr woll gekandt habt undt 93 jahr alt worden, hatt erst im 90 jahr die brill genohmen. Nichts ist schlimmer vor die augen, alß rauch undt weinen. Beydes hette mir die augen lengst sollen verdorben haben, aber ich weine die helfft nich[t] mehr so viel, alß ich vor dießem gethan. Wen ich auch gleich hertzlich betrübt bin, weine ich doch nicht mehr. Wen man brillen hette, so allezeit gutt wehren, ließ ich es noch gelten; aber wen sie etliche jahr gutt geweßen, muß man sie hernach wider endern; daß finde ich sehr verdrießlich. Ich will monsieur Le Fevre sagen, er solle mir seine brieffe geben, ich werde sie in mein paquet thun; so werdt Ihr sie entpfangen. Eweres hatt er gewiß bekommen. Niemandt weiß beßer, wo er logirt, alß monsieur Le Roy, mein advocat, so mitt ihm arbeydt. Ich muß nun meine paussen machen, biß auff daß ich, wie schon gesagt, wider von Madrit werde komen sein. Ich erfahre in dießen augenblick eine zeittung, so mir recht leydt ist. Mein sohn hatt gestern abendts einen trewen dinner verlohren, so über 40 jahr ahn Monsieur s. geweßen, ein premier valet de garderobe, hieß Nocret; er kam offt zu mir.
Sambstag, den 9 December, umb halb 7 abendts.
Es ist schon über eine gutte stundt, daß ich von Madrit kommen bin. Ich hatte gehofft, gleich zu schreiben können; allein madame d’Orleans ist kommen undt 3/4 stundt da geblieben undt hatt lautter verdrießliche sachen geklagt, die mich innerlich gridtlich machen. Waß ich von ihrem sohn, meinem enckel, gefürcht[6], ist just geschehen. Er ist in dem verfluchten bal vom opera-saahl in den hürger[7] vom opera handen gefahlen. Ihr könt leicht gedencken, waß sie ihm gelehrnt haben; nun ist er wie ein unbändig thier geworden. Wen es die fraw mutter ihrem herrn klagt, will er sich kranck lachen[8]. Die sach ist doch gar nicht lächerlich; den der [343] delicate bub wirdt sich mitt dießem leben umb leib, seel undt leben bringen, daß ist nur zu gewiß. Es ist waß anderst, so sich nicht schreiben lest, aber nicht beßer ist. Also segt Ihr woll, liebe Louise, daß ich rechtmäßige ursachen [habe], recht unlustig undt gridtlich zu sein. Aber last unß von waß anderst sprechen! Ich werde monsieur le Fevre sagen laßen, mir morgen eine andtwort vor Eüch zu schicken. Vor 2 tagen hatt er mir monsieur Chardon hergeführt, von welchem er sehr content ist undt helt ihn vor einen gar ehrlichen man. Waß die affairen auffhelt, seindt der marechalle de Chomberg schwester, mademoiselle d’Aumale, erben. Die pretendiren, mitt ihr zu erben; daß gibt protzessen undt hindert, daß die sach nicht kan außgemacht werden. Aber monsieur le Fevre wirdt Eüch die sach beßer außlegen, alß ich; den ich verstehe kein wordt von affairen oder processen. Hettet Ihr nicht, liebe Louise, nicht außwecksel zu daß wort l’agio gesetzt, würde ich kein wordt verstanden haben. Ich werde es Eüch nicht außlegen, waß die banque undt actionen sein; den ich verstehe es eben so wenig, alß grichisch oder hebreisch. Die damen, so hirin gewunen haben, pretendiren, es auff ein endt zu verstehen. Lotterien ziehen ist doch allezeit eine lust; aber wie ich die lotterien gern ziehen sehe, ist wie ein glückßhaffen mitt zettel. Hir ist reichtum eine gottheit geworden; den man denckt ahn nichts anderst. Mir kompt dieße große rasserey abscheülich vor. Die historie von[9] hollandischen kauffman ist recht artig. Man könte ein poßenspiel davon machen, wo die brügel-supen, [die] der man seiner frawen im ahnfang gibt, nicht übel zu paß kämmen. Ewer liebes schreiben ist [mir] gar nicht zu lang vorkommen. Ich bin von hertzen fro, daß meine brieff Eüch so nach meinem wunsch gedinnt undt woll hatt wieder schlaffen machen. Ach, liebe Louise, so glücklich bin ich woll nicht, ob ich es zwar sehr wünschte, Eüch den geringsten gefallen zu erweißen; was aber ahnlangt, einander wieder zu sehen, so bin ich nun zu alt, umb zu reißen; aber were ich noch ein jahr 10 jünger, wolte ich Eüch rendevous in Lotteringen geben haben, welches, wie ich glaube, halber weg ist; aber nun ist es leyder zu spätt. Daß ist alles, waß [344] ich auff Ewer erstes schreiben sagen kan. Ich komme nun auff Ewer liebes schreiben vom 25, no 93, [will] aber nur noch vorher sagen, daß mir heütte ein augenblick ein abscheülicher husten ahngestoßen. Aber daß wundert mich [nicht], bin dergleichen zu Paris sehr gewondt. Aber da schlegt es 9, will eine pauße machen, mein ey schlucken undt nach bett gehen. Morgen werde ich Eüch weytter entreteniren.
Sontag, den 10 December, umb 7 morgendts.
Ich habe dieße nacht braff gehust, undt wen ich nicht schlaffe, kan ich ohnmöglich im bett bleiben. Drumb hab ich vor 6 mein gebett vericht undt bin umb halb 7 auffgestanden undt [nun] komme ich mein wordt halten undt [Euch] entreteniren, liebe Louise, wie ichs Eüch gestern abendt versprochen habe. Ich hatte heütte zum könig, madame la princesse undt in den[10] Carmelitten closter gewolt; aber mein husten ist zu starck, habe befohlen, das man alles absagen solle, undt werde ein par tag die cammer hütten, umb zu sehen, ob daß meinen husten undt schnupen couriren kan. Es[11] ist mir gestern morgen auff einen stutz ahnkommen; aber es nimbt mir nicht wunder, die Parisser lufft thut mir alß den poßen. Ich habe dieße experientz schon 48 jahr, nun also kein wunder, daß ich Paris scheüe undt ungern dar[12] bin. Aber es ist auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme, so ich, wie schon gesagt, vorgestern entpfangen. Waß lust nimbt man auff der post, die brieffe 2 auff einmahl zu überlieffe[r]n? In Englandt raachen sie es auch so. Liebe Louise, es ist woll ein schlechtes labsaal, daß Ihr meiner affection versichert werdet; den daß bin ich Eüch ja auff alle weiß schuldig, erstlich wegen waß wir einander sein, zum andern wegen Ewere tugenden undt wollverhalten, undt zum dritten wegen der versprechung, so ich I. G. s. dem churfürsten zu Straßburg gethan, alß ich weg bin, daß ich alle die raugraffliche kinder lieb behalten wolte, so lang wir leben würden. Daß habe ich auch treülich gehalten. Ich habe woll gedacht, daß meine perfecte gesundtheit, so ich von St Clou gebracht, hir zu Paris keinen bestandt haben würde. Mein verdruß, so zu St Clou ahngefangen, hatt sich hir sehr vermehrt, wie ich Eüch, liebe Louise, schon gestern abendts geklagt. Meines enckels tugendtsamer sousgouverneur ist so hertzlich betrübt, daß ich fürchte, daß es dem gutten, ehrlichen man daß leben [345] kosten wirdt. Es seindt gar zu gottloße leütte hir, umb jungen leütten nicht in allen lastern zu helffen, solte es auch nur auß haß vor meinen sohn sein, ihn umb seinen sohn zu bringen; den man sicht woll, wie delicat daß kindt ist. Franckreich hatt den säxsischen churfürsten abscheülich geschadt. Mein gutter freündt C. A. von Haxsthaußen hatt mir es offt mitt threnen geklagt, daß sein printz zu Paris so unbändig geworden, daß er nicht mehr mitt ihm zu recht kommen könne. So baldt junge kinder in die desbeauchen fahlen, ist ihnen kein laster zu viel, wo sie nicht in fallen, undt werden recht bestialisch. Aber, wie Ihr gar recht sagt, wen gott die handt nicht dazu thut, ist alles umbsonst undt geht, wie in dem psalm stehet: Wo der herr nicht daß hauß bewahrt, so wacht der wachter umbsonst[13]. Drumb hatt man woll große ursach, alle tag zu betten: Ach, herr, verlaße mich nicht, auff daß ich dich nicht verlaße! Mitt unßer abtißin bin ich nun woll … Ich habe ihr biß donnerstag eine vissitte geben sollen, aber ich fürchte, mein abscheülicher husten undt schnupen wirdt mir es nicht erlauben. Biß donn[e]rstag werde ich Eüch sagen, wie es abgangen. Undt unßere abtißin muß woll lust in ihrem handtwerck nehmen, den sie den standt selber erwehlt hatt. Ergibt sich Churpfaltz einmahl in pfaffen handt, sich von ihnen regieren zu laßen, so ist es ein unglück ohne endt vor die gutt[e], ehrliche Pfältzer. Ich gestehe, wie ich dießen herrn hatte beschreiben hören, hatte ich mich etwaß beßeres zu ihm versehen gehabt, alß es nun gehet. Wer sich etwaß guts von pfaffen undt mönchen versicht, wirdt woll betrogen. Nichts in der welt ist schlimmer, alß daß … nemblich pfaffen undt mönchen; wollen allezeit regieren. Alle geistliche, in welcher religion es auch sein mag, seindt ambitieux undt wollen allezeit regieren, wo sie sein; daß gibt ihnen der teüffel ein, sie zu ertapen. Wen die friedens-tracktatten, der keyßer, könig in Englandt, Preüssen undt die herrn staaden[14], wie seine naturliche vernunfft nichts bey Churpfaltz vermögen, wie kan ich hoffen, daß ich waß außrichten soll, daß gutt vor meine gutte, ehrliche landtsleütte sein konte? Ich kan sie nur hertzlich beklagen, aber sonsten nichts dinnen. Daß ist mir leydt genung. Ich sehe leyder nur zu woll, daß mich gott zu nichts gutts in Franckreich geschickt; den ich habe mein [346] leben, so viel ich, viel ich mich auch drumb bemühet, dem vatterlandt in nichts dinnen können. Das ist woll war, daß ich auß purem gehorsam vor I. G. mein herr vatter undt oncle undt tante von Hannover s. daß ich in Franckreich kommen bin; meine inclination war nichts weniger. Herr Franck meinte, wider herzukommen; daß heist: L’homme propose et Dieu dispose. Ich glaube aber, daß er deüchtiger vor den keyßerlichen undt wienischen hoff ist, alß vor den frantzöschen; den er weiß die hießigen maniren gantz undt gar nicht, konte es auch weder gewohnen, noch lehrnen. Mitt solchen leütten kan man nichts außrichten. Die arme fraw von Ratzamshaussen ist von hertzen betrübt undt will sich nicht trösten laßen, daß die witib von Reding, ihre dochter, sich gegen ihren willen auß lieb ahn einen Frantzoßen geheüraht, deßen vatter in der conspiration begriffen ist. Freylig weiß ich noch mein gantz Heydelberg außwendig. Ich erinere mich nun selber, daß ich mich in die zwey kirchen, St Peter undt St Anne, verschrieben undt sie versetzt haben[15]. Ich bin wie Ihr, liebe Louise! Ich frag nichts darnach, wo man mich nach meinem todt hinthut; aber nach aller aparentz werde ich nach St Denis geführt werden[16]. Ich kan nicht begreiffen, wie deß mar[s]chalcks Landaß hauß ahn den professer von Lünenschloß hatt kommen [können]. Ist den alles vom Landas außgestorben? Den ich meinte, die fraw von Lendt hette noch dochter hinderlaßen; oder hatt es Carl Landas vielleicht ahm herrn Lunenschlos verkauft? Es ist in der that eine ober vorstadt, wodurch man nach Neckergemündt fahrt; aber zu meiner zeit hatt man dieße kleine vorstatt nie anderst, alß daß Oberthor, geheyßen; der platz von hundtstall ist nicht … Ich weiß nicht, ob, waß Ihr Franciscaner heist, Caputzüner oder Cordellier sein. Ihr sagt auch nicht, von welchem ordre dieße sein, so in Seckendorf hauß auff den[17] graben logiren. Kämme ich nach Heydelberg, müste ich vor leydt undt weinen vergehen. Es seindt ohnnohtig sorgen, waß nach dem todt geschehen [wird]. Alles in der welt ist der verenderung zu sehr unterworffen, umb daß etwaß bestandt könne haben. Seyller war ein lügner in folio, wolte doch vor einen ehrlichen man passiren; drumb muste er ja eine ursach vorbringen, worumb er so bang [347] vor mir war; aber er war nichtsweniger, alß unßer bruder[18]. Ich weiß ihm doch noch danck, ein gewißen gefühlt zu haben; den hir thut man alles übels von der welt, ohne reühe, noch gewißen zu füllen[19]; daß argert mich recht. Seyller ist nicht catholisch gestorben. Der Benterritter verzehlte mir vor etlichen tagen deß Seyllers todt; er ist gestorben, ohne daß man ein wordt auß ihm hatt krigen können, waß man ihn auch gefragt hatt. Man hatt doch woll gesehen, daß es kein accident war; den waß er sonst nöhtig hatt, konte er woll fordern; er hatt vielleicht nicht reden wollen, umb nicht mehr zu lügen; daß konte er meisterlich undt seine gröste lügen ist gewiß die, daß er unßer bruder geweßen. Es seindt etliche weiber, den der heüraht gar gesundt ist. Ich wünsche, daß es der gutten fraw Zachmanin woll bekommen möge; den es ist eine gutte, ehrliche fraw, von welcher ich viel halte. Daß ihr man in sie verliebt ist, ist keine kunst; sie ist hübsch undt woll geschaffen; aber daß sie in ihren man verliebt ist, daß kompt mir schwer vor, wie man mir ihn beschrieben hatt. Ihr erstes manchen war auch gar heßlich. Die printzes von Wallis hatt mir geschrieben, daß Ewere niepce, die gräffin von Holdernesse,[20] kranck vor ängsten geworden, weillen sie drey kerl hatt zu ihrem fenster neinsteygen sehen. Monsieur le Fevre geht alleweill hir weg; er hatt mir die ursach gesagt, warumb Ihr seine brieff nicht entpfangen habt; ahnstatt nur a Franckforth zu schreiben, hatt er Franckfort sur l’Oder gesetzt; habt es also nicht entpfangen können. Dießmahl aber werdt Ihr sein schreiben recht entpfangen; den er hatt es nach Franckfort ahm Main adressirt. Ich wolte, er solte es mir geben, aber es war schon auff der post. Schreibt mir, liebe Louisse, ob Ihrs entpfanget[21] habt oder nicht! Aber es ist zeit, eine pausse zu machen undt mitt meinem grittlichen kopff viel verdrießliche leütte zu sehen.
Sontag, umb ein viertel auff 3 nachmittags.
Ich komme jetz[t], eben mahl[22] meinen brieff außzuschreiben; ich zweyffle aber, daß es ohne schlaffen wirdt geschehen können; den ich laß meinen kopff vor schlaff schir auff mein pabir fallen. [348]
Sontag, umb ein viertel auff 5 abendts.
Ich habe ein par stündtger geschlaffen, liebe Louise, undt habe übel gethan, geschlaffen zu haben; den der kopff thut mir nun wehe undt ich fürchte, es wirdt mich dieße nacht ahm schlaff verhindern. Ich war heütte morgen ahn Ewere niepcen geblieben. Schwangersein ist eine kranckheit, so niemandts jamert, alß mich; aber ich habe recht mittleyden mitt ihnen; ich weiß, wie es thut, drumb jamm[e]rn mich alle, die es sein. Ich habe Eüch schon gesagt, woran es ligt, daß die sach von Coubert noch nicht zum endt ist; aber monsieur le Fevre wirdts Eüch noch beßer außgelegt haben, alß ich, die gar perfect ingnorent in dergleichen sachen bin undt auch in viel andere. Zu Franckfort ahn der Oder glaube ich nicht daß Eüch viel leütte woll kenen, also daß monsieur le Fevres briff mögen woll verlohren sein. Es ist mir lieb, Louise, daß Ewere niepcen undt graff Degenfelt woll mitt mir zufrieden sein. Aber wie solte ich mich nicht interessiren vor Ewere niepcen, Caroline kinder, undt meines gutten freundts, herr Max, sohn? Es fehlt ihm nur ein stück, daß er nicht auch meiner lieben Landas, baß Amelie, sohn ist. Monsieur Marion, den ich hir gesehen, ist nicht gar jung, umb so eine junge fraw zu haben. Mein sohn hatt so erschrecklich viel zu thun, daß er offt die memorial[23] vergist, so er im sack hatt, wie es woll nicht anderst sein [kann]. Ich sehe ihn so wenig undt so im vollen lauff, so zu sagen, daß ich mich selber nicht erinern kan, waß ich ihm zu sagen habe. Gestern arbeytete er 23 stundt ahn einem stück, war so müde, daß er mich recht jamerte, hatte daß hertz nicht, ihm von waß zu reden; den er ware gar zu abgemaht[24]. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nur überig, zu sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Brief vom 9. Dezember 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 340–348
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1077.html
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